Beiträge von Alephant im Thema „Bewußtsein“

    Macht nicht das Wünschen die Individualität eines Menschen aus?


    Ein Freund hat mir mal erzählt, dass Immanuel Kant in einem Spätwerk geschrieben hat: Das höchste Glück dessen der Mensch fähig ist, ist die Ruhe nach der Arbeit.

    Das könnte auch von anderen stammen, insbesondere, wenn man etwas älter geworden ist.

    Ich meine damit, dass die Individulität nicht wegfällt, wenn wir mal so richtig ausruhen (können) und eine Zeit lang das Wollen ruht. Nocht nicht mal das ausruhen wollen darf da sein, sondern einfach ausruhen. Wenn wir das mal erleben ...... ausnahmsweise.


    Ich glaube das nicht, dass Kant so etwas in seinem Spätwerk (was ja nach ihm sein eigentliches Werk ist, weil er davor nach eigener Aussage in einem dogmatischen Schlummer verharrt war) gesagt hat. So eine einseitige, verabsolutierende Aussage ("das höchste Glück ...") passt auch nicht zu seinem Spätwerk, wenn ich das richtig verstanden habe. Also da könnte man nach der Quelle fragen und genauer schauen wie er es gemeint hat. Glückseligkeit gibt es bei Kant und das ist was Grösseres, als nur die Ruhe nach getaner Arbeit.


    Ich fragte, ob nicht das Wünschen eine Individualität (wenn man sie unbedingt voraussetzen muss) ausmacht. Also sozusagen eine Summe von Wünschen und Ablehnungen. Was ist wenn dieses Wünschen und Ablehnen nicht mehr ist? Und nicht nur für eine Dauer nicht mehr ist?


    Damit engt man doch schon wieder etwas ein, indem man so positiviert. Nüchtern gesprochen ist Abwesenheit von Nichtwissen und Begehren erreicht.


    Der Buddha hat mit seiner Wortwahl - meine ich - doch das Umgekehrte gemacht: er bezeichnet unseren Samsara-Zustand als eine Abwesenheit: Nichtwissen. Samsara ist das Negative: hier fehlt etwas.

    Nirvana dagegen ist tatsächlich das Positive: Wissen.


    Nein es ist Anwesenheit von Ergreifen/Festhalten und Werden und Geburt und Alter und Tod und damit Leid. Die Abwesenheit davon ist das Ziel der BuddhaLehre.

    Ob dann auch die Individualität wegfällt ist nicht gesagt. Das Ego fällt weg, weil das Wollen, der Durst wegfällt.


    Macht nicht das Wünschen die Individualität eines Menschen aus? Es fällt auf jeden Fall eine ganze Menge weg, wenn Begehren nach Sinnlichkeit und und sonstigen Gegenständen des Geistes verloschen ist.


    Nun ist der Blick frei auf unser wirkliches Wesen, auf Nirvana, unseren natürlichen Zustand, wenn wir die Realität so erfahren wie sie ist.


    Das würde ich nicht schreiben mit dem wirklichen Wesen. Damit engt man doch schon wieder etwas ein, indem man so positiviert. Nüchtern gesprochen ist Abwesenheit von Nichtwissen und Begehren erreicht.

    Zitat

    1. So habe ich gehört. Einmal hielt sich der Erhabene bei Sāvatthī im Jeta Hain, dem Park des Anāthapiṇḍika auf.

    Dann, als es Abend war, erhob sich der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita aus der Meditation, ging zum ehrwürdigen Sāriputta und tauschte Grußformeln mit ihm aus. Nach diesen höflichen und freundlichen Worten, setzte er sich seitlich nieder und sagte zum ehrwürdigen Sāriputta:

    (Weisheit)

    2. "'Ein Nicht-Weiser, ein Nicht-Weiser', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'einem Nicht-Weisen' spricht?"

    "'Einer, der nicht versteht, einer, der nicht versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Nicht-Weisen'. Was versteht er nicht? Er versteht nicht: 'Dies ist Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er versteht nicht: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt'. 'Einer, der nicht versteht, einer, der nicht versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Nicht-Weisen'."

    Mit den Worten "Gut, Freund", war der ehrwürdige Mahā Koṭṭhita entzückt und erfreut über die Worte des ehrwürdigen Sāriputta. Dann stellte er ihm eine weitere Frage:


    3. "'Ein Weiser, ein Weiser', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'einem Weisen' spricht?"

    "'Einer, der versteht, einer, der versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Weisen'. Was versteht er? Er versteht: 'Dies ist Dukkha'; er versteht: 'Dies ist der Ursprung von Dukkha'; er versteht: 'Dies ist das Aufhören von Dukkha'; er versteht: 'Dies ist der Weg, der zum Aufhören von Dukkha führt'. 'Einer, der versteht, einer, der versteht', Freund, deshalb spricht man von 'einem Weisen'."

    (Bewußtsein)

    4. "'Bewußtsein, Bewußtsein', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Bewußtsein' spricht?"

    "'Es erfährt, es erfährt', Freund, deshalb spricht man von 'Bewußtsein'. Was erfährt es? Es erfährt: 'Angenehm'; es erfährt: 'Schmerzhaft'; es erfährt: 'Weder-schmerzhaft-noch-angenehm'. 'Es erfährt, es erfährt', Freund, deshalb spricht man von 'Bewußtsein'."


    5. "Weisheit und Bewußtsein, Freund - sind diese Geisteszustände miteinander verbunden oder getrennt? Und ist es möglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können?"

    "Weisheit und Bewußtsein, Freund - diese Geisteszustände sind miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können. Denn, was man versteht, das erfährt man, und was man erfährt, das versteht man. Deshalb sind diese Geisteszustände miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können."


    6. "Was ist der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die mit einander verbunden, nicht getrennt sind?"

    "Der Unterschied, Freund, zwischen Weisheit und Bewußtsein, diesen Zuständen, die miteinander verbunden, nicht getrennt sind, ist dieser: Weisheit gilt es zu entfalten, Bewußtsein gilt es vollständig zu durchschauen."

    (Gefühl)

    7. "'Gefühl, Gefühl', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Gefühl' spricht?"

    "Es fühlt, es fühlt', Freund, deshalb spricht man von 'Gefühl'. Was fühlt es? Es fühlt Angenehmes, es fühlt Schmerz und es fühlt Weder-Schmerzhaftes-noch-Angenehmes. 'Es fühlt, es fühlt', Freund, deshalb spricht man von 'Gefühl'."

    (Wahrnehmung)

    8. "'Wahrnehmung, Wahrnehmung', so sagt man, Freund. Worauf bezieht es sich, wenn man von 'Wahrnehmung' spricht?"

    "'Es nimmt wahr, es nimmt wahr', Freund, deshalb spricht man von 'Wahrnehmung'. Was nimmt es wahr? Es nimmt blau wahr, es nimmt gelb wahr, es nimmt rot wahr und es nimmt weiß wahr. 'Es nimmt wahr, es nimmt wahr', Freund, deshalb spricht man von 'Wahrnehmung'."

    9. "Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein, Freund - sind diese Geisteszustände miteinander verbunden oder getrennt? Und ist es möglich, einen dieser Zustände vom anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können?"

    "Gefühl, Wahrnehmung und Bewußtsein, Freund - diese Geisteszustände sind miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände von den anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können. Denn, was man fühlt, das nimmt man wahr, und was man wahrnimmt, das erfährt man. Deshalb sind diese Geisteszustände miteinander verbunden, nicht getrennt, und es ist unmöglich, einen dieser Zustände von den anderen zu trennen, um den Unterschied zwischen ihnen beschreiben zu können ."

    Majjhima Nikāya 43