Beiträge von Sudhana im Thema „Erfahrungen beim ersten Zen-Sesshin“

    Ergänzend: ich war ein paar Mal während eines Sesshin ernsthaft in Versuchung aufzustehen und das Dojo mit einem kurzen lautstarken Resumee (etwa in der Art: "seid ihr eigentlich bekloppt oder Masochisten?") zu verlassen. Solche Anwandlungen kommen aber eher weniger beim ersten Sesshin als bei späteren, wenn sich der Reiz der neuen Erfahrung gelegt hat. Ich vermute mal, das ist dann auch der Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Wo sich dann Leute, die vorher vier oder fünf Mal im Jahr zum Sesshin gekommen sind, plötzlich nicht mehr blicken lassen. Da kann man aber durch - und irgendwann hat man dann gelernt, 'richtig' zu sitzen und schüttelt nicht mehr verständnislos den Kopf, wenn man etwa bei Dōgen liest: "Zazen ist das Wahrheitstor zu großer Ruhe und Freude." Das kann freilich dauern, also muss man ausdauernd sein ... Jedenfalls ist es eine große Hilfe, wenn man dabei eine Begleiterin oder einen Begleiter hat, die/der auch den somatischen Aspekt des Sitzens im Blick hat und da nützlichen Rat geben kann.


    Es gibt Lehrer (bei Frauen ist mir das seltsamerweise noch nicht untergekommen), die sind da wirklich hardcore(oder macho?)-mäßig drauf. Halber Lotos ist da das Minimum; wenn Du den nicht drauf hast, lassen sie Dich gar nicht erst ins Dojo. Das sind dann Leute (so vermute ich zumindest), die selbst nie ernsthafte Probleme mit Lotos- oder Halblotossitz hatten (sowas gibt's durchaus auch) oder der Auffassung sind, wenn es nicht wehtut ist das kein echtes Zen ... Dummerweise sind solche Ansichten ansteckend. Und dann quält man sich halt, weil man sich Gedanken darüber macht, wie das für Andere aussieht, wenn man 'nur' auf Bänkchen oder Hocker sitzt statt darauf zu sch***en, wie es aussieht.


    Um nicht missverstanden zu werden: ja, Lotossitz ist optimal, weil man wegen des tiefen Schwerpunktes besser 'geerdet' ist. D.h. stabiler sitzt, "wie ein Berg". Also sollte man den Versuch, das zu erlernen, nicht vorschnell aufstecken. Aber man sollte dabei realistisch bleiben sowie achtsam und liebevoll (auch) mit dem eigenen Körper umgehen. Ich habe mich etliche Jahre mit Burmesensitz und Halblotos gequält - ein echter Zennie muss das halt 'draufhaben ... dachte ich. Seit ich mir eingestanden habe, dass ich das nicht hinkriege, sitze ich auf einem Bänkchen wie ein Huhn auf der Stange. Und das ist gut so. Letzten Monat z.B. das Rohatsu - ohne jegliche Schmerzen im Rücken, Knien oder Beinen. Auch das geht allerdings nicht notwendigerweise auf Anhieb - idR muss man auch da gelernt haben, Wirbelsäule, Schultern und Kopf richtig auszurichten. Und auch das braucht bei Vielen seine Zeit, wenn sie z.B. einen Rundrücken haben.


    Zum Thema Schmerzmittel (eigentlich der einzige Punkt, wo ich myoryu nicht ganz zustimmen mag). Auch ich habe da schon getrickst, wobei ich es mit einem, maximal zwei Mini-Aspirin (100 mg) am Morgen bewenden ließ. Sollte aber mE wirklich nur letztes Mittel sein, wenn es gegen Ende des Sesshin zu hart wird. Und zwar, weil es die Erfahrung des Sitzens 'dämpft' und damit die Achtsamkeit auf den oben erwähnten somatischen Aspekt des Sitzens behindert. Das erschwert das Erlernen der richtigen Haltung (Schmerzen sind Signale, dass da etwas nicht stimmt) und kann, wenn man durch das 'falsche' Sitzen ausgelöste Signale so einfach wegfiltert, sogar zu ernsten und dauerhaften körperlichen Problemen (vor allem mit den Knien) führen. Ich bin im Alltag gelegentlich auf starke Schmerzmittel angewiesen (Novalgin, wenn es ganz dick kommt Tilidin) - beim Zazen will ich solche Filter nicht und brauche sie (mit Ausnahme von Naratriptan bei einem Migräneanfall) auch nicht. Auch das ein Lernprozess, aber das kommt mit der Zeit. Sie sind ein Eingriff in die Soheit (tathatā, shinnyo), und wenn es beim Zazen um irgendetwas geht, dann darum, nicht einzugreifen und Soheit ohne Filter zu erfahren. Und wenn es weh tut, tut es halt weh ... Ich kann und will das (also Schmerzmittel beim Zazen) nicht pauschal verdammen, das hieße mich selbst zum Maßstab für Andere zu machen. Aber ich würde da schon zu Zurückhaltung raten.


    Ansonsten noch ein Hinweis xiaojinlong : das Sitzen in Gemeinschaft - besser: als Gemeinschaft - hat eine deutlich andere Qualität als das Sitzen alleine zu Hause. Genau das wird vermutlich die wichtigste Erfahrung bei Deinem ersten Sesshin sein. Nach einigen Sesshin verschwindet dieser Unterschied und dann sitzt Du auch zu Hause nicht mehr alleine. Dann hast Du zumindest eine erste Ahnung, was es mit dem dritten Juwel auf sich hat. In diesem Sinn wünsche ich Dir ein paar lehrreiche Tage.



    Wie weit auch der Ochse laufen mag bis in den hintersten Ort des tiefen Gebirges:

    Reicht doch seine Nase in den weiten Himmel, daß er sich nicht verbergen kann.


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