Beiträge von void im Thema „Besondere respektvolle Wertschätzung „älteren“ Menschen gegenüber“

    Es geht um Tatsachen. Wenn ich merke, dass eine Person mit 30 J. Einschränkungen (welche auch immer) hat, dann gehe ich darauf ein - nicht auf das kalendarische Alter.

    Ich habe doch oben gesagt, dass es zwei verschiedene Ebenen geht. Das eine ist die konkrete Rücksichtsnahme zwischen Personen. Und da ist es doch unbestritten, dass man am besten auf die Leute so eingeht, wie es ihren Bedürfnissen entspricht. Das ist doch ganz ausreichend.


    Während eben so etwas wie "Würdigung des Alters" eine gesellschaftlche Norm ist. Und über eine gesellschaftliche Norm muss man im Rahmen der Gesellschaft reden. Da kann man dann fragen, ob es Sinn eine bestimmte Norm zu etablieren oder nicht. So wie es Verkehrregeln und Normen gibt um den Verkehr zu ordnen.


    Du bringst diese beiden Ebene drucheinander. So wie jemand der sagt: "Wenn ich im Strassenverkehrt gegenüber allen zuvorkommend und rücksichtsvoll bin, werde ich von mir aus in Geschwindigkeit und Abstand auf andere Rücksicht nehmen." und denkt damit habe sich ja die Dikussion über bestimtme Verkehrregeln erledigt. Das ist aber nicht so. Weil Normen etwas ist was für alle gilt. Auf der Ebene der Gesellschaft sinnvoll ist, dass es geschriebene und ungeschriebene Normen gibt, die die Leute einhalten. Weil ja nicht jeder gegenüber allen dauernd wertschätzend ist.


    Und weil es eine Tendenz gibt, alle die als nicht so nützlich gelten mit weniger Wetschätzung zu behandeln, braucht es wohl Normen die dem Gegenüber die spezielle Würde des Alter betonen auch wenn das für den Einzelfall nicht zutriffft.

    Die Idee hinter meinem Beitrag ist, dass es eine gesellschaftliche Abwertung alter Menschen gibt und dass ihnen dann eben auch gesellschaftlich kompensierend das Ideal gibt Alte besonders zu würdigen. So wie es auch in anderen Bereichen kulturelle Normen gibt, auf Kinder besonders Rücksicht zu nehmen, Auch wenn es im Einzefall Abweichungen gibt - einen 4 jährigen der perfekt lesen kann und alleine UBahn fahren kann oder eine 100jährige die Marathon läuft.


    Es liegt im Wesen kultureller Normen, das sie nicht auf jrden Spzialfall passen, und da stellt ihre Sinnhaftigkeit nicht in Frage. Wenn jemand recht alt ist ist es ersteinmal gut, anzunehmen dass spezielle Rücksichtnahme angebracht ist. Weil Alter mit Entwürdigung einhergeht ist es sinnvoll Alte erstmal zu würdigen.


    Mir kommt es so vor, als denkst du nicht sehr in "kulturller Normen" sondern eher in persönlichen Begegnungen.

    Ich glaube Deepa geht es um eine gewisse Gleichmütigkeit, in der wir Menschen, egal ob jung oder alt, dumm oder schlau, allen gelichsam mit Offenheit und Freundlichkeit, Respekt und Wertschätzung begenen. Und da ist es fragwürdig Statusunterschiede zu machen, und Alte mehr zu würdigen.


    Während die meisten die Treppe benutzten können, braucht ein Rollstulfahrer eine Rampe um "genau wie die andere" einfach von unten nach oben zu kommen. Er muß verschieden behandelt werden um ihn gleich zu behandeln. Damit er "wie die anderen" ist, muß sein Defizit kompensiert spezille werden.


    Analog kann man das Würdigen der Alten als etwas verstehen, was eine groben Mangel an Wertschätzung gegenüber Älteren kompensiert.


    Die Wertschätzung in der Gesellschaft ist nicht gleich verteilt. In vielen früheren Gesellschaften war die Wertschätzung eng mit Status verbunden. In unserer Gesellschaft dagegen ist die Wertschätzung eng mit der Idee der Leistung verbunden. Je besser jemand funktioniert, desto höher die Wertschätzung. Dies kann berufliche Leistung bedeuten oder auch, wie gelungen jemand seine Individulität managt. Wie er alles unter einen Hut bringt, was er für Reisen macht, wie großartige er das mit dem Sport macht-. Dafür gibt es dann Wertschätzung von andere. Wer wenig Wertschätzug bekommt, sind diejenigen die nicht so gut funktionieren. Der Bus kommt und alle müssen zügig einsteigen. Störfaktoren sind der Behinderte, wegen dem man eine Rampe ausklappen muss so dass alle ungeduldig warten. Die geistige Behinderte, die nicht schnell genug sind und besonders die Alten. Sie sind langsam beim Einsteigen, langsam beim Bezahlen, irgendwer muss für sie aufstehen, ihre Stöcke gehen im Weg rum. Alte funktionieren nicht mehr, sie sind besonders unfunktional und nutzlos - wären sie technische Geräte hätte man sie lange ersetzt. Sie sind "veraltert" - ein Wort über dem wie ein Damoklesschwert das Wort"entsorgt" schwebt.


    Als Alter spürt man dauernd, das man ein Störfaktor ist. Nicht nur beim Bus. Alte sind ein permanente Hinweis auf die Vergänglichkeit und Tod und als solche Spielverderber der Spassgesellschaft. Viele alte Leute trauen sich nichts in Schwimmbad weil sie das Gefühl haben, durch ihre alten Köper, ihre schlaffen Brüste und ihre Gebrechen, die Jungen und Schönen zu irritieren und beklommen zu machen. Sie sind etwas Peinliches was verhüllt und versteckt gehört. Die Haltung, dass man desto mehr wert ist je besser man funktioniert und desto mehr man leistet, ist nicht nur etwas, was von Außen kommt, sondern etwas was man auch als alter Mensch verinnerlicht hat. Man drückt als Mutter oder Oma seine Liebe aus, indem man bekocht und bemuttert. Indem man als Opa mit Enkeln etwas bastelt. Und dann ist es schlimm, wenn man das nicht mehr kann, wenn man nicht mehr funktioniert. Die Einsamkeit kommt von Außen und von Innen.


    Vielleicht bräuchte es keine spezielle Wertschätzung des Alters wenn die Blicke der Menschen eine Alte Frau so wohlwollend und freundlich streifen würde wie eine junge Frau. Wenn man den alten langsamen Jogger genauso offen und freudlich begrüßen würde wie den jungen sportlichen. Aber weil das die meisten nicht können, ist vielleicht ein kulturelles Konstrukt notwendig, dass die Alten wegen ihres Alters schätzt. Einfach um der Nicht-Werschätzung des Nicht-Funkionierenden zu kompensieren.


    Viele Leute machen sich gar nicht klar, wie es ist sehr alt zu sein. Es gibt spezille Alterssimulationanzüge, wo man als Pfleger testen kann, wie sich die Welt für einen Über-Neunzigjährigen anfühlt. Mit all den Einschränkungen umzugehen kann eine große Herausforderung zu sein und diese Herausforderung zu meistern kann eine großartige Leistung sein. Mein Grossvater musste sich ganz viele geniale Kniffe einfallen lassen, mit denen er mit 95 und nahezu blind so den Alltag meistern konnte. Köperlich und auch psychisch. Diese Meisterschaft sieht man nicht. Auch wenn die Ausdauer und die Konzentration ähnlich derer sind, die ein 40jähriger beim Training auf einen Marathon hinlegen mag, sind sie unsichtbar. Weil das was am Ende rauskommt nur so ein ganz unspektakuläres "Funktionieren im Alltag" ist. Auch schon allein nicht rumzujammern ist eine spezielle Unterdiszipin. Junge Leute dürfen rumjammern wenn sie nicht in Urlaub fliegn könnten, während von Alten erwartet wird den Verlust von Karriere, Partner, Wohnung, Gesundheit, Wert stoisch zu ertragen. Die "Würdigung des Alters"erscheint als Kompensation für diesen kulturellen Anspruch sogar noch unzureichend.

    Zitat

    Die Denkweise ist wohl die, dass er nicht mehr grün hinter den Ohren sondern hat vieles erlebt und mitgemacht hat.

    Das kann auf einen jungen Menschen ebenso zutreffen.


    Eine Person die jünger (20 J.?) ist kann mehr erlebt und mitgemacht haben, als jemand der älter (60 J.?) ist.

    Ich denke an diesem Punkt hast du hast recht und es ist nicht so das Altern im kalendarischen Sinne, sondern ein Durchstehen, das mit einem "Reifen" verbunden ist. Man kann sich auch sehr unreife Alte vorstellen.

    Ich denke du vermischt da zwei Sachen. Das eine ist die Rücksichtnahme. Da ist es doch sehr sinnvoll wenn man die Rücksichtnahme an der Bedürftigkeit ausrichtet.


    Das andere ist so etwas wie "Ehrwürdigkeit". Sowohl das Wort "Herr" und "herrlich" gehen auf das Wort "hehr" -"ehrwürdig" zurück. Dieses geht auf das germanische Wort "haira" was "grauhaarig" bedeutet. Der Ehrwürdige ist der Grauhaarige.


    Warum ist er das?


    Die Denkweise ist wohl die, dass er nicht mehr grün hinter den Ohren sondern hat vieles erlebt und mitgemacht hat.


    Er hat viel gesehen und seine Augen sind schwach. Er hat viel gehört und seine Ohren hören nicht mehr. Er hat viel geleistet und sein Rücken ist krumm. Viel gelebtes Leben - viel durchgemacht und noch immer da. Weil früher die Menschen nicht alt wurden, war ein alter Mensch etwas ganz besonderes.


    Ich kann das nachvollziehen. Mein Großvater erzählte mir, wie es beim Reichsarbeitsdienst war, meine Grossmutter erzählte mir davon, wie es war, als die paar Leute die das KZ überlebt hatten in die Stadt zurück kamen und viele sich dem Ausmaßes dessen bewusst wurden. In einem Augenblick, werden Sachen die 70 Jahre zurückliegen plötzlich lebendig. Das ist wie ein Wunder. Einmal habe ich noch jemand Uralten erlebt, der so um 1900 geboren war und mir von der Räterepublik erzählt hat, die er als junger Mann miterlebt hat.


    Während wir selbst in unserer Lebenszeit verwurzelt sind, öffnet sich da etwas Grösseres und es wird so das Werken der Zeit deutlich. Der Rhythmus in dem Kinder zu Erwachsenen, Jugendliche zu Eltern, kraftstrozende Gestalten zu Greisen wird. Davor hat man doch Ehrfurcht.


    Unabhängig davon, ob man besonders rüstig ist oder nicht, Altern selbst eine Form des Leidens ist, die uns näher an den Tod rückt. irgendwann - so mit 95 - waren von meinem Opa sämtliche Bekannte und Freude gestorben. Er ging durch eine Strasse der Erinnerung und kannte kaum einen Lebenden. Je länger man lebt, desto mehr ist man als Opfer der Vergängichkeit vom Zahn der Zeit benagt. Diese Fremdheit in der Welt geht oft mit Eeinsamkeit einher.


    Es ist ein Unterschied, ob man auf sein Leben blickt und dabei auf etwas blickt,Rück ganz in der Zukunft ist, halb in der Zukunft oder fast ganz in der Vergangenheit liegt.

    Aus jedem Alten blickt uns eine Zukunft an in der auch wir, abbauen, hilfsbedürftig werden, wo wir uns vielleicht nutzlos und überflüssig fühlen. Und dem ist es doch wichtig mit Respekt und Anerkennung zu begegnen.


    Du musst niemand ehren und würdigen. So etwas ist immer etwas, was von einem selbst ausgeht und was man nicht anordnen kann.


    Während man Rücksicht auf alle Benachteiligten und Eingeschränkten ja durchaus verlangen kann.