Ich glaube Deepa geht es um eine gewisse Gleichmütigkeit, in der wir Menschen, egal ob jung oder alt, dumm oder schlau, allen gelichsam mit Offenheit und Freundlichkeit, Respekt und Wertschätzung begenen. Und da ist es fragwürdig Statusunterschiede zu machen, und Alte mehr zu würdigen.
Während die meisten die Treppe benutzten können, braucht ein Rollstulfahrer eine Rampe um "genau wie die andere" einfach von unten nach oben zu kommen. Er muß verschieden behandelt werden um ihn gleich zu behandeln. Damit er "wie die anderen" ist, muß sein Defizit kompensiert spezille werden.
Analog kann man das Würdigen der Alten als etwas verstehen, was eine groben Mangel an Wertschätzung gegenüber Älteren kompensiert.
Die Wertschätzung in der Gesellschaft ist nicht gleich verteilt. In vielen früheren Gesellschaften war die Wertschätzung eng mit Status verbunden. In unserer Gesellschaft dagegen ist die Wertschätzung eng mit der Idee der Leistung verbunden. Je besser jemand funktioniert, desto höher die Wertschätzung. Dies kann berufliche Leistung bedeuten oder auch, wie gelungen jemand seine Individulität managt. Wie er alles unter einen Hut bringt, was er für Reisen macht, wie großartige er das mit dem Sport macht-. Dafür gibt es dann Wertschätzung von andere. Wer wenig Wertschätzug bekommt, sind diejenigen die nicht so gut funktionieren. Der Bus kommt und alle müssen zügig einsteigen. Störfaktoren sind der Behinderte, wegen dem man eine Rampe ausklappen muss so dass alle ungeduldig warten. Die geistige Behinderte, die nicht schnell genug sind und besonders die Alten. Sie sind langsam beim Einsteigen, langsam beim Bezahlen, irgendwer muss für sie aufstehen, ihre Stöcke gehen im Weg rum. Alte funktionieren nicht mehr, sie sind besonders unfunktional und nutzlos - wären sie technische Geräte hätte man sie lange ersetzt. Sie sind "veraltert" - ein Wort über dem wie ein Damoklesschwert das Wort"entsorgt" schwebt.
Als Alter spürt man dauernd, das man ein Störfaktor ist. Nicht nur beim Bus. Alte sind ein permanente Hinweis auf die Vergänglichkeit und Tod und als solche Spielverderber der Spassgesellschaft. Viele alte Leute trauen sich nichts in Schwimmbad weil sie das Gefühl haben, durch ihre alten Köper, ihre schlaffen Brüste und ihre Gebrechen, die Jungen und Schönen zu irritieren und beklommen zu machen. Sie sind etwas Peinliches was verhüllt und versteckt gehört. Die Haltung, dass man desto mehr wert ist je besser man funktioniert und desto mehr man leistet, ist nicht nur etwas, was von Außen kommt, sondern etwas was man auch als alter Mensch verinnerlicht hat. Man drückt als Mutter oder Oma seine Liebe aus, indem man bekocht und bemuttert. Indem man als Opa mit Enkeln etwas bastelt. Und dann ist es schlimm, wenn man das nicht mehr kann, wenn man nicht mehr funktioniert. Die Einsamkeit kommt von Außen und von Innen.
Vielleicht bräuchte es keine spezielle Wertschätzung des Alters wenn die Blicke der Menschen eine Alte Frau so wohlwollend und freundlich streifen würde wie eine junge Frau. Wenn man den alten langsamen Jogger genauso offen und freudlich begrüßen würde wie den jungen sportlichen. Aber weil das die meisten nicht können, ist vielleicht ein kulturelles Konstrukt notwendig, dass die Alten wegen ihres Alters schätzt. Einfach um der Nicht-Werschätzung des Nicht-Funkionierenden zu kompensieren.
Viele Leute machen sich gar nicht klar, wie es ist sehr alt zu sein. Es gibt spezille Alterssimulationanzüge, wo man als Pfleger testen kann, wie sich die Welt für einen Über-Neunzigjährigen anfühlt. Mit all den Einschränkungen umzugehen kann eine große Herausforderung zu sein und diese Herausforderung zu meistern kann eine großartige Leistung sein. Mein Grossvater musste sich ganz viele geniale Kniffe einfallen lassen, mit denen er mit 95 und nahezu blind so den Alltag meistern konnte. Köperlich und auch psychisch. Diese Meisterschaft sieht man nicht. Auch wenn die Ausdauer und die Konzentration ähnlich derer sind, die ein 40jähriger beim Training auf einen Marathon hinlegen mag, sind sie unsichtbar. Weil das was am Ende rauskommt nur so ein ganz unspektakuläres "Funktionieren im Alltag" ist. Auch schon allein nicht rumzujammern ist eine spezielle Unterdiszipin. Junge Leute dürfen rumjammern wenn sie nicht in Urlaub fliegn könnten, während von Alten erwartet wird den Verlust von Karriere, Partner, Wohnung, Gesundheit, Wert stoisch zu ertragen. Die "Würdigung des Alters"erscheint als Kompensation für diesen kulturellen Anspruch sogar noch unzureichend.