Wir Menschen machen uns das zu leicht, fürchte ich
Nein, das ist überhaupt nicht leicht, es sei denn, es wird so oberflächlich betrachtet, wie es mir von Dir erscheint.
Es wird in Religionen immer so dargestellt, als brauche man bloss ein wenig zu bereuen, und alles wird einem vergeben.
Absolut alles, solange man nur ein bisschen meditiert, oder bereut - dann passt das schon. Und man sitzt zusammen mit Dahmer, Hitler, Stalin, Chicatilo, H. Holmes der aufgeregt über seinen neuesten Kellerausbau erzählt, und den brutalsten gnadenlosesten grausamsten Schlächtern die das 21. jahrhundert hervorgewürgt hat, genauso wie auch mit jedem historischen Massenmörder der je gelebt hat und jedem sonstigen Teufel auf Erden (dem aber auch absolut alles vergeben wurde), zusammen auf einer Wolke oder im Nirvana...
Will man das überhaupt, mit allem Bösen dass dieser Planet je hervorgebracht hat, gemeinsam in einem Himmel oder sonstwo die Ewigkeit verbringen?
In Religionen vielleicht, aber nicht im Buddhismus.
Es geht nicht darum, mit wem Du gerne zusammen auf einer Wolke oder sonstwo schweben willst, es geht um Deinen eigenen Frieden. Wenn wir jemandem vergeben - von ganzem Herzen, und das geht nicht einfach so, sondern ist womöglich ein langer Prozess, dann befreien wir unser Herz von Anhaftungen und Verletzungen.
Auch wirst du nirgends mit jemanden die Ewigkeit verbringen. Das ist gar nicht das Ziel. Das Ziel ist, endgültig zu verlöschen. Also Du und ich und alle anderen ein für allemal. Ob zuvor noch Wiedergeburten stattfinden, spielt erstmal keine Rolle. Denn die erlebst Du nicht persönlich. Und wer weiß das schon genau?
Du gehst davon aus, dass es Dich stört, wem zu vergeben ist. Das ist Ablehnung. Und Ablehnung ist laut Buddha: Hass. Willst Du frei davon werden oder willst Du weiter darin verharren? Leiden bedeutet, sich immer wieder diese negativen Menschen, wie Hitler etc. ins Gedächtnis zu holen. Du lebst also jetzt schon mit ihnen. Du lässt sie nicht los.
Vergeben aber bedeutet LOSLASSEN.
Und zwar ganz allein nur für Dich, niemals für die anderen. Die haben ihr eigenes Päckchen zu tragen.
Wonach genau richtet sich die Vergebung?
... aber wenn man merkt dass man stirbt, kurz bereuen - und alles ist vergeben?
Warum braucht man dann überhaupt Gebote, und wozu gibt es im Buddhismus Höllen als auch die christliche Hölle, wenn absolut alles (und dies auch ohne jegliche Konsequenzen), in allen Religionen zu 100% vergeben wird?
Vergebung bedeutet nicht, dass es kein weiteres Karma gibt. Was auch immer das für den einzelnen bedeuten mag. Darüber haben wir keine Kontrolle und auch keinen Beweis.
Bitte schmeiß nicht alle Religionen in einen Sack. Der Buddhismus wird zwar als Religion gesehen und in den Ursprungsländern auch so gelebt, wenn Du Dich aber damit wirklich beschäftigst, wirst Du sehen, dass er sich doch sehr unterscheidest. Es gibt darin keinen Gott, der vergibt und auf dessen Gnade wir angewiesen sind.
Es geht um Selbst-Verantwortung und um Geistesschulung, um die dadurch entstehende Klarheit.
Nein wirst Du nicht - es akzeptieren. Spätestens wenn es soweit ist, wirst du bemerken dass diese Einsicht leider nur theoretisch richtig ist, und zum Beruhigen in einem völlig sorgenfreien und gesunden Zustand (in dem der Tod nur eine ferne und vage Bedrohung die stets Jahrzehnte weit in der Zukunft liegt.......) geeignet ist.
Der reine philosophisch-verklärte Gedanke an den Tod (den man fürgewöhnlich als was "Beruhigendes, Schlaf-ähnliches" betrachten mag) ist drastisch anders, als wenn dieser körperlich wirklich einzutreten beginnt.
Da hat man egal wie gutherzig und brav man war, einfach nur eine richtige Angst wie schlimm das noch werden wird.
Du wirst es nicht akzeptieren können, denn es wird extrem unangenehm werden, du wirst es fürchten, und Du wirst Dich auch davor noch an jeden Tag klammern, an dems "noch geht".
Aber zu dieser (für dich bestimmt wenn es soweit sein wird, sehr erschreckenden) Erkenntnis wirst Du erst viel viel später kommen, da Du erst 50 bist.
Das kommt darauf an, inwieweit ein geschulter Geist sich schon von vielem verabschiedet hat. Ich mit meinen fast 73 habe festgestellt, dass es mir üblicherweise nicht schwerfällt, zu gehen, denn mir sind schon genug gesundheitliche Umstände begegnet, die mir das bewiesen haben. Wenn ich jedoch wieder mal auf dem "weltlichen Trip" bin und mich nicht so intensiv mit der Lehre beschäftige, dann kann ich auch sehen, dass mir das Sterben dann schwerer fällt. Es ist alles eine Erfahrungssache, keine Altersangelegenheit.
Wer viel leidet, wird gerne gehen. Wer all seine "unerledigten Geschäfte" erledigt hat, kann beruhigt gehen.
Ich weiß aber, dass es mir viel Trauer und Herzschmerzen verursachen wird, wenn mein Mann oder meine Tochter "gehen".
An ihnen hänge ich. Und das ändere ich auch nicht weiter. Ich gehe bewusst damit um, denke aber nicht ständig darüber nach, ob und wann oder wie ...
Wie alt bist Du?