Zu Beginn geht es schon vor allem um begriffliches Denken und Analysieren. Wir müssen erst einmal wissen, was bedeutet es denn, dass die Person kein Eigenwesen hat? Was wird denn mit der Negation des Eigenwesens der Person verneint und was nicht. Das erfordert eben auch, sich klar zu werden, wie erscheint uns unser Ich, wenn wir bedroht werden, stark kritisiert werden, stark gelobt werden? Existiert unser Ich so wie es uns in solchen Situationen erscheint? Das ist schon mal nicht ganz einfach.
Dabei ist es auch notwendig zu unterscheiden, in welchen Punkten ist unsere Ansicht über unser Ich falsch, und wie unser abhängig bestehendes Ich wirklich existiert, damit man nicht zu viel und nicht zu wenig verneint durch die Negation des Eigenwesens der Person.
Das ist eine mögliche und IMHO valide Herangehensweise, aber nicht die einzige.
Mit diesem gründlichen Verständnis gehen wir dann ja in die Meditation, um diese Einsichten zu vertiefen und ins Herz wandern zu lassen. Dann müssen wir eben auf dem Pfad diese zunächst begriffliche Einsicht / Erkenntnis schrittweise in eine unmittelbare direkte Einsicht transformieren.
Wie gesagt, eine Möglichkeit. Zu diesem "Wir" gehöre ich aber nicht.
Guckt man Lehrer wie beispielsweise Ajahn Brahm an, oder die meisten Vipassana-Richtungen, ist das Vorgehen ziemlich genau umgekehrt.
Man kann auch un-intellektuell die folgenden Fragestellungen mit auf das Kissen nehmen, ohne intellektuelle Analyse, und die direkte Einsicht via Erfahrung gewinnen.
(ich benutze mal "Selbst" als Begriff; das folgende ist keine Lehrbuchaufzählung, sondern frei spontan formuliert):
* Das zumindest Teile des Selbst sich jeden Moment verändern oder verändern können, dafür braucht es, glaube ich, keine tiefere Analyse, sondern nur jemanden, der einen darauf hinweist. (vielleicht hast Du darauf auch mit Deinem Satz "Wer nimmt denn heute noch ein Eigenwesen der Person, des Ichs, des Selbst an?" hingewiesen?)
* Was helfen kann, aber nicht unbedingt nötig ist: Was sind "Konzepte" im Gegensatz zu "Dingen".
* Mal angenommen, das Selbst wäre unveränderlich, wie würde sich das ausdrücken? Welche Teile dessen, was ich erlebe, denke, fühle, von denen ich denke, sie machen mein Selbst aus, sind unveränderlich?
* Welche Entscheidungen, Verhaltensweisen und Gedanken habe ich, die auf einem unveränderlichen Teil des Selbst beruhen?
* Führen die ganz praktisch betrachtet zu Dhukka?
Liebe Grüße,
Aravind.