Beiträge von Amdap im Thema „Tenzin Palmo über Fleisch-essende (Laien), was haltet ihr davon?“

    Ich danke Euch sehr für die Likes.

    Das zeigt mir, dass ich offensichtlich nicht so falsch liege.


    Zwei Kagyü-Lamas, die ich persönlich etwas näher kenne, essen auch Fleisch. Wenn sie an ihrem Standort sind, reißen sie sich zusammen, aber sind sie unterwegs, z. B. um auch mal ihre Familie zu besuchen, dann essen sie eben auch Fleisch.

    Dabei hat der Karmapa Orgyen Thrinley Dorje persönlich dazu aufgerufen, das Fleischessen zu vermeiden. Soll ich seine beiden Lamas deswegen verurteilen? Das steht mir doch gar nicht zu, denn ich kenne nur einen winzigen Ausschnitt ihrer Lebensgeschichte!

    Einmal war ich im Zentrum zu Besuch und habe auf der Rückfahrt den einen Lama nach Hamburg mitgenommen. Unterwegs machten wir Rast in einem schönen Autobahn-Restaurant, das ich ihm unbedingt zeigen wollte. Er bestellte sich eine ziemlich üppige Schlachtplatte mit Grünkohl und ich etwas leichtes Vegetarisches. Das war ein ziemlich seltsamer Anblick, der Lama und ich mit unseren beiden ganz verschiedenen Gerichten. Noch dazu war es Sommer und relativ heiß, und er aß so ein schweres Wintergericht.

    Ich ließ mir meine Verwunderung nicht anmerken.

    Aber beide Lamas kommen aus hochgelegenen Gebieten, der Schlachtplatten-Esser sogar aus einer Region, die fast 5000 m hoch liegt. Da wird man mit einer anderen Ernährung groß und vielleicht kann man, genetisch bedingt, auch viel Obst und Gemüse gar nicht so gut vertragen. Was würde Tenzin Palmo über diesen Lama denken? Dabei ist es der liebste, beste und einfühlsamste Lama von allen, die mir näher bekannt sind.

    Ich habe mir nicht alle Kommentare durchgelesen. Daher könnte es sein, dass mein Kommentar eine Wiederholung enthält.

    Habe aber leider nicht so viel Zeit.


    Nun, wir müssen ja nicht die Tiere töten, die wir evtl. essen. Sie sind schon getötet. Klar, das ist keine Ausrede, das weiß jeder selbst. Auch ich bin der Ansicht, dass man nicht aus Lust sich einfach am Fleischregal im Supermarkt bedienen sollte, da man ja damit indirekt künftiges Tiereschlachten fördert.

    Ich selbst war 40 Jahre strenge Vegetarierin.

    Doch seit etwa 4 Jahren sehe ich das etwas differenzierter und sehe mich als Flexitarierin.

    Stell' dir vor, du stehst am Sonnabendabend vor dem Fleischregal eines Supermarktes und da ist z. B. eine Packung Kotelett oder Leber um 30 % reduziert, weil das Ablaufdatum das heutige ist. Wenn das keiner kauft, dann muss diese Ware vernichtet werden. Ist das sinnvoll?

    Man kann sich zwar darüber streiten, ob es sinnvoller ist, eine solche Ware lieber zu kaufen, anstatt sie vernichten zu lassen. Trotzdem tendiere ich dazu, so etwas dann doch lieber zu verwerten, aus Respekt vor der Kreatur, die dafür ihr Leben lassen musste. Mit anderen Worten: ich habe ein schlechteres Gefühl dabei, Solches vernichten zu lassen, als es zu verwerten. Somit also bediene ich mich da gelegentlich, aber nicht vorsätzlich, wenn ich beim Einkaufen sowas beobachte. Ganz von selbst kommt mir dann beim Essen der Gedanke an Werden und Vergehen, und wie Lust und Gier die Menschheit beherrscht. Ich stelle mir intensive Landwirtschaft vor und vieles Andere mehr, mir kommen viele Bilder bis hin zur Gartenversiegelung durch Pflaster und Schotter, das gedankenlose Wegschmeißen von Plastik in die Landschaft usw. - kurzum, die Gedanken ziehen immer weitere Kreise. Ich bin dann sehr traurig, dass wir zu Viele sind und der Welt damit so viel Gewalt antun. Es ist so eine Art Meditation, und ich esse solche Produkte oft viel achtsamer als Brennnesseln und andere Wildkräuter, von denen ich mich größtenteils ernähre. Das Tier, das dran glauben musste, ist hier ein armes Rädchen im Getriebe, und ich stelle mir vor, wie es wohl gelebt haben musste.

    Dann gibt es noch einen zweiten Punkt.

    Es gibt viele gute alte Spezialitäten, alte internationale Rezepte, die durchaus fleischreich sein können, wie z. B. die polnische Küche. Es passiert manchmal, dass man sowas angeboten bekommt. Ich wertschätze so etwas sehr, denn es steckt eine jahrhundertealte Geschichte dahinter. Auch da kommen mir viele Bilder, aber auch viele Fragen, die ich dann stellen kann. Es ist eine lebendige, wenn auch scheinbar vergangene Welt, auf der unweigerlich unsere heutige basiert. Man würde den Gastgeber zwar nicht gerade beleidigen, wenn man so ein Hauptgericht ablehnt, aber auch nicht gerade erfreuen. Ich meine, gerne darf man die Mühe, die sich der Gastgeber/ die Gastgeberin gemacht hat, wertschätzen und das hat auch etwas mit Einfühlungsvermögen zu tun. Nicht immer hat man die Gelegenheit, vorher anzukündigen, dass man aber Vegetarier ist, und wenn doch, dann kann es sein, dass man den Gastgeber unweigerlich unter Druck setzt, und das möchte man ja auch nicht.

    Die Inuit essen nach alter Tradition sehr viel Fleisch, aber es geht nicht anders. Man kann sie aber deswegen nicht in die Schublade der Mitleidslosen stecken. Ich bin sicher, dass es auch Rituale gibt, mit denen man sich bei den Tieren entschuldigt, solche haben die Tibeter auch. Das alles mag sich durch die Globalisierung verschoben haben, doch ist es eine der Grundlagen ihrer Kultur.


    Letztendlich hat das alles etwas mit der eigenen Sichtweise zu tun.

    Tenzin Palmo sieht es mit einem Tunnelblick und zu radikal. Es ist schade, dass selbst große Lehrer oft nach vielen Jahren auf so einer Schiene laufen, dass sie weder rechts noch links sehen können. Wirklich sehr schade, noch dazu ist es verwunderlich, denn das Gegenteil müsste doch der Fall sein.