Beiträge von mukti im Thema „Religion“

    Auf keinen Fall würde ich den Gottglauben im Christentum und ein etwaiges Ziel einer christlichen Praxis mit anderen Religionen gleichsetzen wie du es tust.

    Das ist nur im Grundprinzip gleich, nicht im Detail.


    Ich bin am Anfang der Erforschung der christlichen Doktrin (mit Buddhismus bin ich bereits durch), deshalb kann ich noch nicht ins Detail gehen.

    Was ich hier im Thread zum transzendierenden Glauben gesagt habe, ist im Wesentlichen von Johannes vom Kreuz inspiriert.

    Ohne das zu praktizieren, nur mit dem Verstand erforschen wie man den Verstand transzendiert?

    Gott ist also unerklärbar - wie du sagst - und wenn du sagst "Nibbana ist demnach nicht erklärbar." dann sind demnach beide Objekte "nibbana" als auch "Gott" ein gutes Objekt für den den natürlichen Verstand transzendierenden Glauben.

    Wie läuft das in der Praxis? Man versteht Gott zwar nicht aber man betet zu ihm und ergibt sich ihm als den höchsten Herrn des Daseins. Man folgt nicht mehr dem Verstand sondern Gott, von dem man ja nichts anderes weiß als das was seine angeblich Gesandten oder Propheten von ihm sagen und was in diversen Büchern der Offenbarung steht. Da gibt es verschiedene Lehren darüber wie das Transzendente mit dem Immanenten verbunden sei. Also Gott hat die Welt erschaffen und wirkt in ihr, so wie es geschrieben steht und wie er es durch besondere Menschen mitteilt. Was dann alles als der Wille Gottes verkündet und befolgt wird kann bis zu den schlimmsten Gräueltaten führen. Dieses Problem kann entstehen wenn man den Verstand über Bord wirft und Gott zum Kapitän macht. Mit Nibbana kann das nicht passieren weil es kein Schöpfer ist und mit der Welt nichts zu tun hat.


    Bestenfalls wendet man sich von der Welt ab indem man sich dem überweltlichen Gott zuwendet., wie Mystiker und Asketen. Da gibt es zwei grundsätzliche Richtungen: Die ewige Gemeinschaft mit Gott oder die Einswerdung mit Gott, in Indien als Dvaita und Advaita Vedanta bekannt, im Christentum als ewiges Leben im Paradies und Unio Mystica. Ersteres geht davon aus dass die Seele im Menschen ein ewiges Wesen ist wie Gott auch, Letzteres dass die Seele und Gott im Grunde eins sind, im Vedanta als Brahman bezeichnet. Das Eine ist also eine Persönlichkeitsansicht, das Andere eine Unpersönlichkeitsansicht womit es der buddhistischen Auffassung näher steht. Ein Unterschied ist dass dieses "Einundalles" als etwas Schöpferisches gedacht wird (Vedanta: "Das Eine ist zu vielen geworden"), während Nibbana keine schöpferische Eigenschaft zugeschrieben wird. Es wird auch nicht als Eines und zugleich Alles definiert, jedenfalls nicht nach der Paliüberlieferung, sondern schlicht als das Ungewordene. Nibbana wird nicht einmal Bewusstsein zugeschrieben. Es gibt zwar einige positive Begriffe zu Nibbana wie "die Stätte höchsten Friedens, die Wahrheit, das Transzendente, das Stille", aber im Wesentlichen und nach der Wortbedeutung ist es eine Negation, meistens als "Verlöschen" übersetzt. Das hat den Vorteil dass man sich keine Vorstellungen darüber macht, die ja allesamt nicht zutreffen können indem sie geistige Gestaltungen sind die letztlich im Wege stehen.


    So finde ich Nibbana geeigneter zur Loslösung oder Transzendierung als Gott. Nach meiner subjektiven Erfahrung, denn ich habe den Gottesglauben früher praktiziert. Andere mögen das anders sehen und andere Erfahrungen machen, ich erhebe keinen Anspruch darauf den einzig wahren Weg zu kennen und schon gar nicht das höchste Ziel.

    Ich glaube nicht an ein ewiges Nichts und nicht an ein ewiges Leben sondern an Nibbana. Ich weiß nicht was das ist, das Todlose, nicht Entstandene, deshalb glaube ich daran.

    "nibbana" scheint im Kontext des den natürlichen Verstand transzendierende Glauben ein gutes Objekt zu sein, weil es keinen sehr konkreten Begriff ermöglicht, sondern ein allgemeines, aber notwendigerweise unklares "Wissen" bleiben muss.

    Aber ich möchte nicht einseitig parteiisch erscheinen, deshalb würde ich das gleiche auch vom Objekt "Gott" behaupten, gesetzt den Fall, man hat die naiven Erzählungen für Kinder (wenn man aus dem hiesigen Kulturkreis stammt) hinter sich gelassen und hat eine ernsthafte Neigung zum Glauben an Gott.

    Da gibt es die interessante Aussage in A.IV.174a


    Zitat

    Wie weit, Bruder, die sechs Grundlagen des Sinneneindrucks reichen, so weit eben reicht die [erklärbare] Welt der Vielfalt; und wie weit die [erklärbare] Welt der Vielfalt reicht, so weit eben reichen die sechs Grundlagen des Sinneneindrucks. Mit der restlosen Aufhebung und Erlöschung der sechs Grundlagen des Sinneneindrucks, o Bruder, erlischt die Welt der Vielfalt, gelangt die Welt der Vielfalt zur Ruhe.


    Nibbana ist demnach nicht erklärbar. Über Gott sagt man auch dass er unerklärbar ist, trotzdem wird er erklärt als Ursache aller Dinge die selber keine Ursache hat und es werden ihm allerhand Eigenschaften zugeschrieben wie z.B. Güte, Gerechtigkeit, Allwissenheit, Allmacht. Da ist die Glaubensfähigkeit bzw. das metaphysische Bedürfnis etwas überstrapaziert, jedenfalls bei mir.

    Zitat

    Wenn ein Zuwachs an Glücksempfinden tatsächlich rein qualitativer, also völlig entmaterialisierter Natur wäre, könnte seine Quelle nur im Subjekt selbst liegen.


    Aus Nico Paech, Befreiung vom Überfluss | oekom verlag S.9


    In dieser Formulierung liegt der Ausweg aus fast allen Krisen unserer Zeit. Religion, sofern nicht von Furcht vor Machtmissbrauch und Dogmatismus zerfressen, zeigt, wie das gehen kann. Dazu braucht aber Religion die "magische" Kraft zur Transformation (Heiligung) des Alltäglichen. Darum ist sie weit mehr als Technik zur Selbstoptimierung oder Ersatz für Psychologie. Eine "Modernisierung" von Religion sollte aus diesem Grunde diese" magische" Kraft nicht unterschlagen oder wegzurationalisieren versuchen. Nur mit Metapher, Bild und Mythos – als Verweis auf das Unsagbare ("Urgrund des Seins" Paul Tillich) – kann eine Modernisierung gelingen, ohne Religion zu einem Lifestyle-Produkt zu marginalisieren.

    Was ist denn mit "entmaterialisiert" gemeint? Wenn Materie gleichgesetzt wird mit physischen Phänomenen ohne Einbeziehung des Geistes, dann wäre die Quelle des Glücksempfindens psychologischer, also geistiger Natur. Glücksempfinden mittels Religion entstünde dann ausschließlich durch Glaube an etwas Überweltliches jenseits des Körperlichen und Geistigen. Dabei ist es unerheblich ob es das überhaupt gibt, allein der Glaube daran lässt das Glück anwachsen.

    Wenn unter Materie der Geist mit einbezogen ist, hätte die entmaterialisierte Natur des Glücksempfindens letztendlich eine überweltliche Quelle die nicht Gegenstand des Glaubens ist sondern übersinnlicher Wahrnehmung, die im Buddhismus "höhere Geisteskraft" genannt wird, das wäre das Magische.


    Wenn der Buddha sagt "es gibt das Ungewordene, sonst gäbe es kein Entrinnen aus dem Gewordenen", kann man dem Glauben schenken, den Weg dorthin gehen und mit der Loslösung wächst das Glück. Was nach der vollkommenen Loslösung ist, das ist Gegenstand des Glaubens. Wenn es das Ungewordene gibt ist das Glück vollkommen wenn man am Ziel ist, wenn es das nicht gibt hat man das Glück des Glaubens.

    Wenn man nicht an das Ungewordene glauben will kann man sich mit dem Glück zufrieden geben das durch die Loslösung anwächst und die Lehre von einer psychologischen Seite sehen. Das wird dann wohl zu wenig Antrieb sein um die Loslösung bis zum Ende fortzuführen, man strebt die Vollkommenheit gar nicht an.

    Es gibt ein menschliches Bedürfnis nach etwas das ohne Dukkha ist und in dieser Welt ist das nicht zu finden. Ich glaube nicht an ein ewiges Nichts und nicht an ein ewiges Leben sondern an Nibbana. Ich weiß nicht was das ist, das Todlose, nicht Entstandene, deshalb glaube ich daran.