Beiträge von Bebop im Thema „Buddhismus: Missbrauch im Namen der Erleuchtung“

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    Hätte man Buddha Shakyamuni vertraut, wenn er sich unethisch verhalten hätte? Oder unweise gesprochen?

    Ja. Ich hatte da mal das Beispiel "Himmelstor" genannt, weil jeder sich dadurch, und sei es nur durch Filmkomödien, etwas vorstellen kann. Da steht Petrus und zieht Gesamtbilanz. Plötzlich steht der Shakyamuni nicht besser da als ein Sasaki, mit all seinen Huren aus dem Palast, und vlt. gefällt Petrus auch nicht, dass er Frau und Sohn zurückließ. Die Biografie Buddhas ist also - in diesem Sinne - auch mit "unethischem" Verhalten gespickt, wenn man mal die Perspektive wechselt. Und da er auch Unsinn redete (das würde zu weit führen, aber ich gebe ja hin und wieder Beispiele) sprach er auch nach seinem Erwachen m.E. zuweilen "unweise". Auch eine Frage der Perspektive. Zumindest ist es so, dass man einem noch traute, der sich mal irgendwie deutlich danebenbenahm (wobei man das damals womöglich gar nicht so sah).


    Bleibt das Thema Ethik. Hat er denn NACH seinem Erwachen sich noch unethisch verhalten? Und hier kommt der berühmte Zirkelschluss zum Tragen. Denn wenn ich jemanden nur an seinen eigenen Maßstäben messe, dann vielleicht nicht. Der Buddha hielt ein, was er selbst an Regeln predigte. Allerdings gilt das m.E. auch für Sasaki, denn wie ich aufzeigte, predigte der bei genauem Hinschauen nichts anderes als das, was man ihm vorwarf, nämlich - im Gegensatz zum Buddha - die FEHLBARKEIT AUCH NACH DEM ERWACHEN. Insofern sind Lehrer wie Sasaki - den ich nur exemplarisch nenne - dann für mich auch tiefer in ihrer Menschenkenntnis, realistischer als der legendenhafte Buddha Shakyamuni. Und das ist so wichtig, weil immer wieder Schüler zu Lehrern gehen, um in ihnen ein ethisches Vorbild zu finden, anstatt den fehlbaren Menschen und in ihm die eigene Fehlbarkeit und das eigene Scheitern gespiegelt zu sehen. Sie fallen auf die typische Erzählung jeder Religion herein (der unfehlbare Gott oder sein Sohn, der moralisch saubere Buddha und seine Stellvertreter usw.).


    Wenn die silas eine "Frucht der Weisheit" sind, ist es mit der Weisheit nicht weit her. Die ersten fünf sind Allgemeingut in den meisten Gesellschaften, und in den nächsten fünf sind einige durchaus fragwürdige, die z.B. den Spaß an Tanz und Musik untersagen (was ich nicht als weise betrachte). Erweiterte sila beziehen sich zudem ausdrücklich auf die buddhistische Religion (nicht den Dharma schmähen), betreffen also Andersgläubige nur wenig und schränken deren Meinungsfreiheit ein, was rückständig ist (siehe umgekehrt die Debatten um Mohammed-Karikaturen und die Aktionen aus einer anderen Religion).


    Leonie hat auch noch nicht gesagt, wie sie diese sila "vertieft". Meines Erachtens sind das alles rhetorische Versatzstücke, die unhinterfragt immer wieder auftauchen.


    "Unabänderlich wird das vollständige Sein, also das Absolute, ein unvollständiges Selbst entstehen lassen und die zahllosen Dinge in dieser Welt. Und unabänderlich nährt es diese Dinge, bis sie eine vollständige Persönlichkeit erlangt haben. Dann jedoch muss es einen Schritt weiter gehen und sich von dieser Persönlichkeit befreien. Es befreit sich vom Denken: 'Ich muss an meiner Persönlichkeit arbeiten, ich muss sie vervollkommnen.'" (Joshu Sasaki)


    Das letztgenannte Denken ist m.E. typisch für den Weg der sila-Adepten. Wenn er nicht irgendwann überwunden wird, ist genau dies das Kennzeichen für fehlendes Erwachen. Es zeigt sich in zahlreichen aktuellen Zenlehrern, die genau das Gegenteil lehren, in meinen Augen deshalb, weil sie diesen Zustand fürchten.

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    Und im Falle etwa von Shimano oder Sasaki (...) sollten deren Taten dann doch etwaige Zweifel an die entsprechende innere Gesinnung ausräumen.

    Ich einige mich mit Christopher darauf, dass wir in gegenseitigem Respekt unsere Standpunkte erläutert haben (und bin natürlich dankbar, dass er den Rechtsstreit mit Zernickow erfolgreich und mit seitenlangen Schriften austrug, und nicht ich das tun musste, oder Matthias der Unbuddhist oder Tenzin Peljor).


    Trotzdem erlaube ich mir hier mal einen etwas tieferen Einblick in Sasakis Lehre als weiter oben, wo ich sie eher salopp zusammenfasste. Ich bin im Laufe meiner Praxis selbst zu einigen Erkenntnissen gekommen (oder hab sie mir von anderen angeeignet, wer weiß das nach all den Jahren noch?), die ich dann in Sasakis Teisho widerfand, als ich aus bestimmten Gründen mich näher mit ihm zu beschäftigen begann. In einem Teisho zu Rinzais "Wahrer Person ohne festen Ort, die stets ein- und ausgeht" erläutert er nicht leicht verständlich die Bedeutung des Punktes zwischen Ein- und Ausatmen - jener Pause, die ich auch als wesentlich erkannte. Es geht hier um das persönliche Selbst und das "wahre" Selbst. Das Teisho schließt:


    "Ihr müsst dieses Selbst, das von der Persönlichkeit befreit ist, manifestieren. Wenn ihr glaubt, das tun zu können, und alles hineinwerft, dann könnt ihr es z.B. manifestieren, indem ihr in einen Pool springt: Werdet nackt und springt!"


    Das Verhalten von Sasaki kann man m.E. nur verstehen, wenn man das, was er im Teisho beschreibt, selbst erlebt hat. Eine Verbindung zu den Dingen eingehen ohne den Umweg über die Sinnesorgane. Wie ist das möglich? Ich räume gern ein, dass Wissenschaftler dies widerlegen mögen, entscheidend ist für mich die Sicherheit, die der Adept bei dieser Erfahrung gewinnt, dass sie sich von alltäglichen Sinneserlebnissen unterscheidet.


    In Thailand, wo ich in den letzten 10 Jahren einen großen Teil meiner Zeit verbrachte, begegnet man etlichen Menschen, die vom Sex besessen sind. Sie sind von einer gewissen Unruhe getrieben, und oft auch von Zweifeln. Ich habe mir das Archiv zu Sasakis Vergehen genau angeschaut, und mir fiel folgendes auf: Er tat diese Dinge irgendwie, ohne an ihnen zu hängen (trotz der Wiederholung, aber wenn das entscheidend wäre, müsste man tatsächlich allen regelmäßig Zazen-Übenden auch eine Zwangsneurose unterstellen). Ebenso ging er mit der Kritik gelassen um und ging den Zen-Weg weiter (natürlich, dass kann man auch als Ignoranz auslegen). Die Tatsache, dass man seine Bedürfnisse offenbar nicht mit Freudenmädchen erfüllen konnte, sagt mir auch, dass er einen anderen Bezug zu den Frauen brauchte.


    In meiner Deutung ist es so, dass Menschen, die den Zustand dieser Manifestation des Selbst kennen, desöfteren ohne jegliche eigene Zweifel oder "Gewissensbisse" Dinge tun werden, die denjenigen, die ihn nicht kennen, unverständlich bleiben oder gegen den Strich gehen. Der Unterschied zu den anderen "Besessenen", die ich beschrieb, ist, dass es kein wirkliches Anhaften an dieses Verhalten gibt. Anhaften sieht so aus wie bei Leuten, die keine tiefe Einsicht hatten, wie der genannte Z., die gehen dann vor Gericht und wollen sich reinwaschen. Oder wie bei Genpo Merzel, der sich gewissermaßen nach Reuegeständnis vom Acker machte. Ich will damit nicht sagen, dass man sich genau so verhalten wird wie Sasaki, aber dass das manifestierte (Ur-)Selbst sich möglicherweise genau dort prägnant ausdrückt, wo das persönliche Selbst gewisse Macken (in den Augen anderer) hat, oder nicht gesellschaftsfähig ist. Ich möchte Sasaki von daher aus dieser Sicht beurteilen, genau wie ich auch auf den Achtfachen Pfad und Dogmen heute nur noch als geschickte Mittel schauen kann. Ich kann nicht so tun, als wüsste ich es nicht anders oder als hätte mir meine Praxis das nicht gezeigt. Aus diesem Grund zweifle ich auch an der Erkenntnistiefe von Leuten wie Malone, die die Archive von Shimano und Sasaki betrieben, oder sogar von Aitken, der im Hintergrund fleißig Material sammelte und sich selbst ja offenbar auch als Ethik-Experten sah, wie ein Buch von ihm zeigte.


    Weisheit kann nicht vom Standpunkt der sila aus beurteilt werden. Die sila sind vom Standard her unseren in Gesetzen verankerten Vorstellungen ähnlich, und neuerdings gehen Forderungen in der buddhistischen Szene ggf. noch darüber hinaus, wenn es um Sexualmoral geht. Es ist nicht viel damit gewonnen, wir haben solche sila bereits von Kindheit an verinnerlicht. Die Blickrichtung sollte genau anders herum sein. Dafür spricht das Herzsutra, das Shinjinmei, das Plattformsutra ("Verehrte Zuhörer, Meditation (ding) und Weisheit (hui) sind die Grundlagen meiner Lehre." //zitiert nach Wong Kiew Wit)

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    Speziell zu dieser Frage würde ich mir hier eine Frauenperspektive wünschen.

    Es gibt nicht DIE Frauenperspektive. Ich rede auch mit Frauen und habe eine Menge Literatur zu dem Thema gelesen. Aus dem allen bilde ich mir meinen Eindruck. Genau wie es Frauen gibt, die das Pendel mit MeToo und Cancel Culture zu weit ausschlagen sehen. Dazu gehören auch die ständigen rhetorischen Phrasen wie "Victim Blaming"usw., mit denen man die Gegenargumente vom Tisch wischen will, als sei man in der moralisch besseren Position.


    Ich kenne auch die Schilderungen aus Mount Baldy anders. Eine ganze Zeitlang wurden die Schülerinnen vorher über Sasakis Verhalten durchaus aufgeklärt und sind trotzdem rein. Ich glaube, Du vereinfachst zu sehr. Es gibt a) Frauen, die so etwas suchen (wenn auch wohl eine Minderheit), b) solche, die es nicht schreckt und die damit umgehen können. Die sind doch weiterhin gekommen, als das bekannt war.


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    Allerdings denke ich, dass Du an Deiner Armut dann selber Schuld sein wirst, wenn Du weiter nur olle Sachen von ihm rausbringst

    Ob ich etwas neben den frei zugänglichen Teisho (in Buchform) "rausbringe", weiß ich nicht, das werde ich mal mit seiner Sangha klären, zumal ich der Version, er habe das kurz vor seinem Ende so gewollt, skeptisch gegenüber stehe. Aber die Teisho kann man auf Englisch eh im Netz finden, und ich sehe das genau so: Es wird den ein oder anderen geben, der dadurch etwas lernen kann. Allerdings werden viele aufgrund ihrer Vorurteile (die sich wesentlich aus seinem Sexualverhalten ergeben) diese Chance verpassen.


    Dass man Erwachen auch sexuell besser manifestieren kann als Sasaki sehe ich genauso. Nur wie gesagt bin ich kein Puritaner, ganz im Gegenteil, insofern ist ein Versagen auf diesem Gebiet nicht wesentlich, da ich z.B. von Sexualwissenschaftlern und Psychologen darüber viel gelernt habe, die wiederum nicht unbedingt zen-typische Erkenntnisse wie Sasaki hatten. Ich leite mal über zu Leonie:


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    ob es die "rechte Einsicht" ist oder war, erkennt man nur daran, wie einer fähig geworden ist, sich bei der Übung des Weges und da besonders der Silas immer weiter zu vertiefen. Die Silas sind deshalb von so großer Bedeutung, weil sie der einzige sichtbare Ausdruck des authentischen Erwachens sind.

    Erstmal, Du hast Recht, "Ausgangspunkt" ist nicht das ideale Wort für die Zeit ab dem Erwachen. Natürlich gibt es auch viele Schritte. Aber für mich ist das Schlüsselerlebnis von Bedeutung. Leider kommt dann der Allgmeinplatz von den sila, und da widerspreche ich erneut heftig. Das ist eine reine Floskel. In anderen Beiträgen, wie zum Brahmanetzsutra, habe ich ausführlicher diese sila beleuchtet. Es handelt sich um Dinge, die der Otto Normalverbraucher unabhängig von irgendeinem Verständnis des (Zen-)Weges gemeinhin zu verwirklichen trachtet. Es ist eben nicht typisch fürs Erwachen, dass einer nicht lügt, stiehlt oder tötet. Ich kenne Deinen Lehrer nicht, aber diesen Unsinn attackiere ich seit Jahrzehnten, und er ist nur allzu offensichtlich. Auch sind die Beispiele für das Versagen bekannter Zen-Lehrer dann sehr zahlreich, Dogen log über seinen Lehrer Ju-Ching, Ikkyu ging zu Huren, Linji prügelte usf. Man müsste eine lange Diskussion erst mal darüber führen, was einer denn mit sila meint und wer bitteschön sie denn beispielhaft verwirklicht. Da sind wir wieder bei der Illusion des perfekten Menschen, die da immer im Hintergrund schwelt und garantiert immer wieder zu Enttäuschungen führen wird.


    Ich möchte mal wissen, wie Du sila "vertiefst".


    Was Sasaki angeht, hast Du auch nichts Konkretes gesagt, aber wahrscheinlich meinst Du Ehebruch. Ich habe die Details nicht auf dem Schirm, bei Shimano war es so, aber ich denke, es waren auch Fälle bei Sasaki dabei, zumal er selbst verheiratet war (obwohl das streng genommen nicht in der sila drinsteckt). Allerdings habe ich dazu auch schon lange Ausführungen gemacht. Wenn Du sila nur wörtlich nimmst und das als Vertiefen verstehst, wirst Du vlt. keiner Mücke was zuleide tun und auch nicht akzeptieren, dass es Menschen gibt, die in ihrer Beziehung den Ehebruch zulassen oder die dadurch weitergekommen sind. Denn diese Geschehnisse sind viel komplexer als die sila.

    Und dann mangelt es in der Praxis an Weisheit, die, wie ich oft aufzeigte, im Zen den sila stets übergeordnet war, und nicht neben- oder gleichrangig, wie oft behauptet. Es gibt etliche klassische Zenlehrer (inklusive der frühen Chantexte), die das ebenso verdeutlichen.


    Darum ist es falsch, das Kriterium sila über das Kriterium Weisheit zu stellen, wenn man sich fragt, ob jemand als Zenlehrer etwas zu sagen hat. Das Problem ist, dass die sila relativ verständlich sind und die Menschen sich mit der Einschätzung von Weisheit schwer tun bzw. sie subjektiven Wertungen stärker ausgesetzt ist.

    Das Niveau des Argumentes, dass Schülerinnen (d.h. erwachsene bis sehr erwachsene Menschen) auch gehen konnten, zeigt sich darin, dass sich auch im Fall Zernickow nur wenige Betroffene als Zeuginnen zur Verfügung stellen wollten. Das ist nicht nur Scham, das ist das Wissen, das man sich nicht beizeiten besser zur Wehr setzte. Natürlich setzt das auch bestimmte Charaktere voraus, die ein Lehrer gezielt ansteuern kann, und dieses Verhalten, wenn es nicht aufgearbeitet ist (also diese "Ängste") führt später erneut dazu, dass man sich nicht wehrt, wenn die Chance da ist.


    Ich kann Deinen Argumenten nun kaum noch folgen. Wenn es der Job eines Lehrers ist, die Denkfehler seiner Schüler in Bezug auf ihn auszuräumen und das erst dann geschieht, wenn sie sich enttäuscht infolge seiner Annäherungsversuche von ihm abwenden, hätte er ja sogar sein Ziel erreicht. Ich kann nur wiederholen, dass Sasaki das, was er lehrte, auch lebte, und dazu gehört dieses kritisierte Verhalten, und ich habe es oben erklärt. Sasaki hat den Menschen als notgedrungen immer wieder in die Egohaftigkeit fallend gesehen - und so war er auch. Die meisten erwarten hingegen einen relativ fehlerlosen Lehrer und sind dann enttäuscht. Sie haben ihm einfach nicht richtig zugehört. Und ja, die Sangha hätte seine Bedürfnisse auch anders befriedigen helfen können, wenn er selbst zu dumm dafür war. Aber nicht Sasaki hatte den Anspruch an sich, den Du hier unterstellst, sondern Du hast ihn (und mit Dir andere).


    Das andere Problem bei Deiner Argumentation ist - wo ist die Grenze? Wenn ich nichts von jemandem annehme, weil er sexuell auffällig ist, was wäre dann, wenn man vom Entdecker, dass die Erde rund ist und keine Scheibe und sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt, erfahren würde, dass er ein Grabscher war? Du würdest sicher nicht sagen: "Was der erkannt hat, ist nicht mehr zitierfähig." Dennoch hängt es irgendwie von dem Wissensstand über Charakterfehler eines anderen ab, ob Du dessen Erkenntnisse noch annehmen willst. Wehe, wenn dann über deine Vorbilder etwas zutage tritt. Ich habe das nie verstanden. Als ich schon SaWaki (den Kodo) schätzte, kamen Brian Victorias Auslassungen über die Kriegsbeteiligungen und Rhetorik zur Sprache. Was änderte das daran, dass Kodo Sawaki die Menschen ganz gut durchschaut hat (wahrscheinlich waren seine Kriegserlebnisse sogar prägend)?


    Ich weiß also nicht recht, wieso du von einem Zenlehrer ein Vorbild in Sachen Sexualität erwartest. Ich habe da nie eines gehabt, ich denke, jeder muss da seinen eigenen Weg finden und sollte sich an niemandem orientieren (okay, wenn man zu Minderheiten gehört kann es vielleicht helfen, im Rahmen von Emanzipationsbestrebungen).


    Persönliche Begegnungen würden auch meinen Eindruck bestimmen. Ich kenne von Shimano etliche Reden und ein paar Texte und was er zu einer Jakugo-Sammlung beitrug. Das hat durchaus Gewicht und ist mitnichten vergleichbar mit Polenski. Solche Leute in einem Atemzug zu nennen heißt nur wieder, dass ich den Schwerpunkt auf Erkenntnis setze. Polenski hat nicht im Ansatz Koan-Kenntnisse von Shimano und kann auch gar nicht auf dieser Ebene lehren. D.h. es mangelt ihm nicht nur an Erkenntnis, sondern schlicht an Ausbildung und Grundwissen.


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    Insofern wiederhole ich, dass die Verfehlungen von Sasaki und Co. eindeutig das Erwachen im Kern trafen, und nicht etwa bei MJ oder Wagner eine bloße Nebensache waren.

    Ich weiß nicht, wer mit "MJ oder Wagner" gemeint ist, oder stehe gerade auf dem Schlauch. Aber dann machen wir doch da weiter.

    Für mich ist Erwachen ein Schlüsselerlebnis, eine Erkenntnis (und damit mehr als oder auch gar nicht Zazen). Dass man diese Erkenntnis dann auch nochmal in Frage stellt und den Weg weiter geht, ist okay, aber in der ganzen Überlieferung finden wir Beispiele dafür. Selbst Dogen wollte ja unbedingt sein Verständnis des "Abfallen von Körper und Geist", das er aus dem Munde seines Meisters gehört hatte, hernach brieflich als Erwachen bestätigt haben. Dieses Erwachen - da folge ich meinem Verständnis von Sasaki oder anderen - ist kein permanenter Zustand im Sinne dessen, wie sich auch hier im Forum einige den Buddha vorstellen, also keine endgültige Vollendung. Fortan sucht der Übende also dieses Erlebnis zu manifestieren, und das gelingt mal besser und mal schlechter. Ausgangspunkt seines Lebens bleibt eine wesentliche ihn erschütternd habende Einsicht.


    Wie ich schon sagte, steht Sasakis Verhalten nicht im Widerspruch zu seiner wesentlichen Einsicht, auch wenn ich diese verständlich heruntergebrochen habe (er spricht gewöhnlich von plus und minus usw., und etwaige Schüler von ihm können mich ja ggf. korrigieren).


    Nun ist also die Frage, was Du als Erwachen siehst und inwiefern etwas dessen Kern trifft oder nicht.

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    Dass man Kindesmisshandlung im mittelalterlichen Japan anders gehandhabt hat, ist dabei natürlich kein Kriterium.

    Ich will hier erst mal etwas wiederholen und deutlich machen: Damals waren diese Knabenlieben KEIN Kindesmissbrauch - den gab es sicher auch, aber nicht, wenn sich Personen zusammenfanden, die beiderseits Interesse bekundeten. Das ist heute per Definition schon anders, weil es Schutzaltersgrenzen gibt. Später sprichst Du von "Macht" - also damals waren diejenigen, die an der Macht waren, nicht daran interessiert, das zu bestrafen, wohl weil die Gesellschaft es tolerierte. Ein "Machtgefälle" zwischen Samurai und Zögling wurde aber hingenommen. Ich finde es wesentlich, sich ganz klar zu machen, dass unsere heutigen Standards schon bald nicht mehr gelten können und nicht immer gegolten haben.


    Hat Bhagwan (Osho) nicht offen seinen Sex-Kult betrieben? Und ich muss zugeben, auf der Pfanne hatte der auch was. Dann aber auch wiederum diesen Besitzeifer (die Autos z.B.). Bei mir ist es dann so, wenn ich zufällig auf so einen wie den Sadhguru auf Youtube stoße und höre, was der zuweilen für einen Scheiß erzählt, da interessiert mich schon kein Buch mehr von ihm, egal, ob der besitzlos ist und monogam lebt etc. Also ich entscheide rein nach dem, was ich als Erkenntnistiefe empfinde, und darum hab ich mir früher mal zwei Bücher von Osho gegönnt, obwohl ich ihn da bereits für einen Verirrten hielt - der aber eben auch etwas Wesentliches erkannt hatte. Wir sagen ja, dass Genie und Wahnsinn oft nah beieinander liegen, und er war m.E. ein Beispiel dafür.


    Ein Vorbild habe ich nicht gebraucht, ich hatte einen guten Vater. Was dann noch? Aber das kann nicht jeder von sich behaupten, und dann muss womöglich ein anderer her. Nach meiner Erfahrung wird man früher oder später irgendwelche menschlichen Schwächen bei jedem entdecken, und sogar, um genauer zu sein, man wird feststellen, dass man dies und jenes auch anders sieht, anders als der weise Lehrer. Für mich ist es wichtiger, Suchenden diese Illusion gleich von vornherein zu nehmen. Meines Erachtens hat die Nachfolge im Zen auch nie zum Ziel gehabt, große Vorbilder hervorzubringen, sondern Erwachte. Heutzutage gerät dieser Aspekt vor allem durch den Einfluss der Dogen-Adepten in den Hintergrund, da ist das Sitzen wesentlich und um Erwachen bzw. - so würde ich das lieber nennen - Erkenntnis macht man einen Bogen (oder man sagt, von der Erkenntnis müsse man auch noch lassen, lässt aber natürlich niemals vom Zazen ...). Vorbilder sind die, die lange und unbeweglich sitzen können. Also die, die entsprechend lange "trainiert" (geübt) haben. Früher schien mir zwar das Erwachen mit einer Weisheit einherzugehen, die aber keinesfalls den allgemeinen Normen entsprechen musste. Tatsächlich haben die Meister oft einen Eindruck hinterlassen, weil sie gewisse Charakterstärken hatten, aber auch, weil sie Regeln verletzen konnten. Das fing ja schon bei der Ausbildung an, bei der die japanische Höflichkeit flöten ging und man schrie und prügelte. Früher hätte man sich m.E. auch weniger um sexuelle Eskapaden geschert, denn es wird sie gegeben haben, wir erfahren aber fast nichts davon. Diese Aufregung ist also auch ein Zeichen unserer Zeit. Doch, Moment, mir fällt sogar ein Beispiel ein, der lebte wohl bis in die 60er-Jahre, angesehener Meister, zeitlebens stark sehbehindert, ein Säufer und Frauenheld, das verhinderte aber nicht seinen Rang in Japan (ich hab den Namen gerade vergessen, er steht im alten Zen-Lexikon), ich glaube sogar, er war der Lehrer von Zenkei Shibayama.


    Ich stimme deshalb auch Deiner modernen Deutung des Machtgefälles usw. nicht zu. Man kann ein Sesshin und Dokusan jederzeit verlassen. Dort begegnen sich erwachsene Menschen, und sowohl bei Shimano als auch bei Sasaki wunderte ich mich sogar über das Alter vieler "Betroffener". Und wenn Sasaki nichts zu lehren gehabt hätte (wie dieser Thay oder Polenski etc.), dann würde ich sagen, das Ganze ist nur wegen Kommerz oder anderer Interessen aufgezogen worden. Wenn aber Sasaki fürs Zen lebt, also Sesshin um Sesshin gibt, und in diesem begrenzten Lebensrahmen Sex sucht, dann ist das zweite eher die logische Folge des ersten. Sasaki hätte ja auch nach Thailand reisen können und es einfacher und sauberer geklärt haben können. Mag zwar sein, dass ihn das nicht reizte, aber Deinen Umkehrschluss kann ich nicht nachvollziehen. Bestenfalls war er schon immer Zen- UND Sex-Besessen. Und im Zen sehe ich da eben keinen Widerspruch, solange er damit so umgehen konnte, wie er es tat - nämlich die ziehen zu lassen, die nicht wollten, die Sache einzuräumen, als er damit konfrontiert wurde, und ansonsten gelassen und nicht-anhaftend sein Zen-Ding weiterdurchzuziehen (denn das hat er gemacht, als Totgesagter wieder schlucken gelernt usw.). Sein Verhalten in den Dokusan betrachte ich zwar als falsch, aber auch die Reaktion vieler, die nicht weggingen. Es ist mir zu einfach, diese Verantwortung der anderen Beteiligten kleinzureden. Ganz einfach, weil da mit hoher Wahrscheinlichkeit einige dabei waren, die sich insgeheim einen Sonderstatus und sogar Sex mit dem Meister erhofften. Ich habe so etwas selbst in der Szene speziell im tibetischen Buddhismus beobachtet. Und das kommt von dem gleichen Fehler, der Illusion, der Meister habe etwas Besonderes. Und wenn einer ausdrücklich davor warnt und die Frauen können dann doch nicht einfach ihm eine scheuern oder weggehen, dann sind sie mitverantwortlich, auch wenn er den Schwarzen Peter als Initiator behält. Wer allein als Frau zu einem "fremden" Mann in ein Zimmer geht (und dort bleibt), trägt Mitverantwortung. Alle diese Frauen haben gelernt, das man das nicht macht.


    Es gibt ja auch Sender, die Michael Jackson nicht mehr spielen. Aber seine Musik klingt für denjenigen, der sie mag, nicht anders als früher, es sei denn, man meint, seine Sexualität würde es einem moralisch verbieten, diese zu genießen. So ist das auch mit Sasaki. Niemand außer den Schülern - und NICHT Sasaki - hat gefordert, da müsse ein Vorbild sein. Das ist immer der Irrsinn der Adepten. Und das ist heute noch so, wenn sie zu Lehrern rennen, in der Hoffnung, das große Vorbild zu finden.


    Wofür soll denn ein Zenmeister noch als Vorbild taugen, außer für seine Einsichten (oder für sein Zazen)? Wenn man z.B. meinen Lieblingslehrer aus der Schule entlassen hätte, weil er sich an Schülerinnen rangeschmissen, hätte ich das zwar verstanden, aber auch bedauert und wäre nach wie vor dankbar für das gewesen, was er mir beigebracht hat. Denn das war seine Aufgabe, mir sein Fachwissen zu vermitteln. Und ich hätte ggf., da wir die letzte Jungenklasse waren - dafür plädiert, dass er uns doch weiter unterrichten könne. Genauso wird man auch einem Meisterkoch, wenn er wegen Kindesmissbrauch im Knast sitzt, den Zugang zur Küche nicht verbieten und als Insasse noch von ihm lernen können.

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    Das mit Sasakis Erbe hätte ich so heute auch nicht mehr geschrieben. Warum genau er keine Nachfolger genannt hat, weiß ich tatsächlich nicht und es ist mir ehrlich gesagt vollkommen Wurscht. Seine Linie ist aus meiner Sicht genauso tot wie die von Shimano, mit oder Nachfolger.

    Okay, ich werde mich - mit anderen - bemühen, dass das im Fall Sasaki nicht so ist, und was Shimano angeht, vielleicht nochmal ein Buch von ihm auflegen. Gerade weil die beiden tot sind, stellt sich die Frage nicht, ob ich sie als persönliche Lehrer aufsuche, sondern bestenfalls die, ob ich von ihren Texten oder Reden etwas lernen kann - was ja für alle bedeutenden Zenlehrer gilt, von Dogen über Linji bis Sawaki usw. Das ist der Punkt, wo wir uns grundlegend unterscheiden. Ich will meine Argumente mal anführen.


    1. Die Kategorie "Von wem habe ich etwas gelernt". Demzufolge sind mir diese Lehrer wichtig. Für TNH gilt dies nicht. Es hat zunächst also nichts mit dem Lebensstil der Lehrer zu tun, sondern damit, was sie vermitteln und wie sie es vermitteln. Ein anderer mag das genau umgekehrt sehen. Diese Kategorie ist dennoch von Bedeutung. Ich frage nicht, ob Laotse auf Lolitas stand. Wenn ja, hätte er einfach Glück gehabt, dass es niemand notierte.


    2. Die Kategorie "Eine Linie ist dann nicht tot, wenn du sie aufleben lässt". Ich habe das auch in Bezug etwa auf die von Yunmen etc. gesagt: Wer sich Yunmen zu eigen und zu seinem Lehrer macht, belebt seine Linie. Ein "tote Linie" ist also - neben einer rein akademisch-historischen Festlegung - auch eher eine subjektive Wertung.


    3. Die Kategorie "Leid verursachen": Im Falle Sasakis und Shimanos habe ich mir die Archive ganz genau angesehen, und für mich bleibt da nichts Justiziables übrig, also bewegen wir uns hier auf dem Feld einer weniger allgemein gültigen Moral (wie es das Gesetz wäre), sondern spezifisch buddhistischer oder anders motivierter Betrachtungen. Um welches Ausmaß von Leid geht es da, dass jemanden nicht mehr "zitierfähig" machen soll? Sasaki hat schon sehr früh in den USA davor gewarnt, ihn auf einen Sockel zu stellen. Und er hat später nicht nur seine sexuellen Neigungen eingeräumt, sondern seine Sangha hat weibliche Neulinge ausdrücklich auf diese Eigenart hingewiesen. Deshalb gibt es auch eine gestanden Psychologin, die sich z.B. auf ein Verhältnis mit ihm bewusst einließ und dies in einem Buch beschreibt. Es ist jedenfalls kaum vorstellbar, dass irgendjemand, der sich sexuell auf welche Art auch immer austobt, kein Leid erzeugt. Es muss also einen Maßstab geben für diese von Dir genannte Ausgrenzung. Einer wäre ein Gesetz, wie es Döring zum Verhängnis wurde. Dann aber könnte man - auch im Sinne dieses Gesetzes - nach Haftstrafen die Sache als abgebüßt betrachten. Döring hat also eine neue Chance verdient. Selbst Shimano und Sasaki wurden auf ihre Weise abgestraft, teils materiell und durch Wegbrechen von Teilen ihrer Sangha.


    4. Das leitet über zur Kategorie "Wer darf Dharma-Nachfolger werden?" Du unterstellst z.B., dass ein Pädosexueller überhaupt kein Dharma-Erbe antreten solle. Dazu kenne ich keine stich- und standhaltige Regel. Sehr wahrscheinlich wurde sogar in Japan, wo ja unter den Samurai eine ganze Zeitlang Knabenliebe praktiziert wurde, auch von Zen-Meistern nichts dergleichen verurteilt, bis es eben der Zeitlauf und die Gesellschaft anders sahen und ggf. noch Gesetze es verboten haben. Aus einer bestimmten feministischen Ecke (Schwarzer etc.) wäre auch Ikkyus Gang zu Prostituierten heute so zu werten. Ein Dharma-Erbe sollte also keiner werden, wenn er sexuelle Schwächen wie diese hat? Was ist mit den anderen Schwächen, welche sind noch erlaubt? Ist das nicht genau der übliche Fallstrick, den Meister auf einen zu hohen Sockel zu stellen?


    Mit anderen Worten: Was uns unterscheidet ist meine Auffassung, dass ein Zenlehrer dann für mich Sinn macht, wenn er etwas erkannt hat, was mich weiterbringt und was er mir vermitteln kann. Am Besten per Text oder Rede. Diese bleibt auch dann zitierfähig, wenn sein Verhalten zu wünschen übrig lässt. Bei dieser Verhaltenskritik sollte mir aber bewusst sein, wo ich selbst Ansprüche stelle und was mich etwas angeht. Das Sexualleben anderer geht mich im Grunde nicht viel an. Besitzverhältnisse oder die ungerechte Verteilung von Reichtum allerdings schon. Ich habe festgestellt, dass ich als jemand nahe an der Armutsgrenze durchaus einen Weg finden kann, ohne das schmierige Getue dieser Zenmeister eine gewisse Befriedigung zu erreichen. Tatsächlich könnte ich mir sogar einreden, dass es wahrscheinlich nur wenige Reiche gibt, die ein besseres Sexualleben haben als ich. Und dass ich sogar sexuell leben kann, während ich loslasse, also Zen praktiziere. Ich glaube allerdings - aufgrund meiner eigenen Praxis -, dass Besitz von Ländereien, Immobilien, Materiellem diesem Loslassen eher hinderlich ist. Darum ist bei meiner Kritik dieser Punkt moralisch bedeutsamer. Und natürlich die unter 1. erwähnte Erkenntnis. Es ist also so, dass TNH zwar mehr Erkenntnis und Wissen besaß als der Thich von Phat Hue, aber sie geben mir beide als Lehrer nix. Beide streb(t)en zwar auch nach Materie. Doch sind sie für mich bereits als Lehrer erledigt, noch bevor ich ihre Charakterfehler feststelle. Ob dann noch einer dazukommt (sexuelles Fehlverhalten), ist ggf. nicht sehr bedeutend, denn sie sind nicht "zitierfähig", weil sie in meinen Augen Dünnschiss lehren. Eine weitere wichtigere Kategorie als das Sexualleben ist für mich die Glaubwürdigkeit, mit der sie das dokumentieren, was sie behaupten zu sein (TNH ein autorisierter Thien-Lehrer usf.). Denn damit wollen sie sich ja als Lehrer ranschmeißen. Hier beginnt bei sehr vielen von mir zuvor Genannten bereits die Heuchelei, und die ist von ganz ähnlicher Natur wie die derjenigen, die ihre sexuellen Eskapaden unter den Teppich kehren wollen.



    Der Vollständigkeit halber will ich zwei Dinge ergänzen, zum einen, dass ich vor einigen Jahren im Schlussspurt der Förderungen von der Robert-Bosch-Stiftung einen Antrag stellte, TNHs Vorleben in Vietnam zu recherchieren, u.a. auch nach jenem Kind zu suchen und seine Verwicklung in die kommunistische Strategie und die Verantwortung von Mönchen für das Massaker in Hue (wo auch Deutsche starben). Der Antrag wurde nicht bewilligt, und dann kam ja auch Corona. Jedenfalls würde ich sagen, das ist ein Thema für einen investigativen Journalisten, so wie es im Kleinen damals auch der Fake-Shaolin-Tempel in Otterberg war und der Thay aus Frankfurt, was die Presse ggf. etwas spät erkannte. Ich hoffe, dass sich da nochmal jemand dahinterklemmt. Für mich sind ist der Kommunismus ein Krebsgeschwür, das insbesondere in Ostasien weiter wuchert, und ich würde jeden, der dazu beitrug, auch unter den Verdacht des "Leidverursachens" stellen. Diese subjektiven Kategorien spielen dabei eine Rolle, wen man am liebsten an den Pranger stellt. Aber die kann man ja diskutieren.


    Zum anderen glaube ich, dass Du - wie viele in Sasakis Sangha - seine Lehre nicht auf die gleiche Weise verstehst wie ich und deshalb "sich an eigenen Schülerinnen zu vergreifen" (ich ergänze: an erwachsenen Frauen) "seine angebliche Erkenntnis im Kern" träfe. Ich will deshalb kurz skizzieren, was Sasaki z.B. über uns als Menschen und auch über sich sagte: a) Wir bewegen uns von Egolosigkeit zu Ego und wieder zurück, mit anderen Worten: Es ist völlig abwegig, dass einer, auch ein Sasaki, keine Fehler hat oder permanent selbstlos ist. b) Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, Liebe oder Zuneigung zu zeigen, dann ergreife sie. c) Glaube bloß nicht, der Lehrer sei etwas Besonderes. - Wenn ich allein diese drei Dinge - als Ausschnitt seiner Lehre, wobei a) ein wesentlicher Kern ist - geschluckt habe, inwiefern ist dann die sexuelle Annäherung an erwachsene Frauen in seiner Sangha ein Widerspruch zu seiner Erkenntnis? Es ist mehrfach bestätigt worden, dass Sasaki eine Frau nicht weiter behelligte, wenn sie klar Abneigung gegen sein Verhalten zeigte. Natürlich können wir uns wünschen - und hoffentlich selbst praktizieren -, dass er auch noch erkannt hätte, d) in der eigenen Sangha wildere ich nicht. Wer das will, der kann sich eine Sangha mit einer solchen Regel suchen und schauen, ob es dort funktioniert.


    Ich komme auf den Fehler "Lehrer auf den Sockel stellen" zurück: Man sollte auf Lehrer also nicht projizieren, was sie gar nicht gelehrt oder erkannt haben. Sasaki hat das Menschsein als genau so fehlerhaft erkannt wie er es selbst lebte und wir es - auf unsere je eigene Art - auch tun. Das ist für mich einer seiner Augenöffner. Andere mögen zwar glauben, insbesondere mit Bezug auf die Buddha-Figur, ein Lehrer habe moralisch einwandfrei zu sein. Aber das ist zumindest nicht, was Sasaki lehrte, sondern eine Wunschvorstellung, vor der er selbst schon früh warnte. Sasaki kannte sich, er war in Japan u.a. auch deshalb wegen Veruntreuung von Tempelgeldern verurteilt worden, weil er das Geld mit einer Geisha durchbrachte. Schon damals hat Sasaki ohne Zögern vollumfänglich gestanden. Das heißt, er hat auch im Versagen - und später im Knast - Zen praktiziert.

    Auch ich kannte Christophers "Geschäftemacher"-Beitrag noch nicht oder hatte ihn nicht mehr auf dem Radar. Ein paar Worte dazu.


    Es werden plakativ und passend zu dem Thema dieses Threads materielle und sexuelle Gelüste von Zenmeistern in Verbindung gebracht und die üblichen Beispiele genannt. Dagegen gesetzt werden bekanntere und unbekanntere Zenlehrer, denen man Bescheidenheit und keine sexuellen Skandale nachsagte. Ich finde das zu unterkomplex. Zum einen wissen wir, dass manches Fehlverhalten nie entdeckt wird. Wir können nicht sagen, nur weil wir es von bestimmten Menschen nicht wissen, ob sie ihre Ehefrauen betrogen usf. Wir wissen im Einzelfall nicht einmal, ob sie dazu körperlich überhaupt in der Lage waren. Was wir wissen ist, dass auch ein in diesem Licht anständig dastehender Shunryu Suzuki mit Richard Baker einen luxusgeilen Nachfolger wählte. Warum? War Suzuki ein lieber Kerl, aber nicht weise genug? Jedenfalls hat der Baker Roshi, wenn ich mir anschaue, was ich von ihm lesen kann, nicht so Ansprechendes hinterlassen wie der mit ihm verglichene Eido Shimano. Demzufolge gibt es keinen zwingenden Zusammenhang von Erkenntnistiefe und mangelndem Fehlverhalten. Ein recht gescheiter Zenlehrer kann sich danebenbenehmen, ein schlichter Geist auch, und beide können auch eine relativ saubere Weste haben. Da kann man mit allem rechnen.


    Das wird noch deutlicher am Beispiel Joshu Sasaki, dessen Unermüdlichkeit bis ins hohe Alter ja auch bedeutet, dass er sich 50 Jahre länger als Suzuki ins Zeug warf. Und die meisten Dinge, die ihm vorgeworfen wurden, stammten aus einem Alter, das Suzuki gar nicht erreichte. Etwas schwierig finde ich da auch die Vermutungen zu Motiven, warum da niemand zum Nachfolger ernannt wurde, denn Sasaki hatte wie Shimano eine Ehefrau (die im Falle Sasakis nach seinem Tod noch lebte), und wenn man nicht weiß, wie das materielle Erbe geregelt wurde, dann sollte man da vorsichtig sein. Jedenfalls scheint seine Sangha sich durchaus seiner "Immobilien" bedienen zu können.


    Der umtriebigste unter allen war aber Thich Nhat Hanh, niemand kommt an dessen Einnahmen und Spenden heran. Während Sasaki all seine Schriften bis auf ein Heftchen zerstörte (das kümmert seine Nachfolger natürlich wenig ...), schrieb der TNH einen Kommentar nach dem anderen (oder ließ ihn schreiben). Es scheint, er hat eine saubere Weste in sinnlichen Dingen, allerdings habe ich mehrfach von Vietnamesen gehört, er habe ein Kind in Vietnam, und zwar mit seiner Dauergefährtin in Plum Village, die nun auch die Finanzen kontrolliert. Dies wurde auch von dort nie dementiert, als ich sie damit öffentlich im Web konfrontierte. Nehmen wir mal an, das stimmt - was ist da nun eigentlich verwerflicher? Welches Ausmaß an Akkumulation von Ländereien, welche Art von Heuchelei etc.? Jedenfalls ist DAS DER Multimillionär unter den "Zen"-Lehrern und sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden, zumal etliche Prominente wie Luther King ihm aufsaßen.


    Und noch wichtiger: Es gab andere, die zwar kleine Brötchen buken, aber doch in "Skandale" verwickelt waren (ich würde Katagiri dazuzählen). Also das eine hat mit dem anderen nur bedingt zu tun, auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand, der zu Geld kommt (falls das nicht sowieso sein Motiv ist), das dann nicht auch für sinnliche Genüsse in der Mehrheit der Fälle ausgibt.


    Und dann der Polenski, der der von mir als "Rei-Bande" bezeichneten Gruppe (Hatlapa und Co.) von den Wurzeln her nahesteht. Die gingen zu einem Zenlehrer, der auch die 100 erreichte und mit Geld um sich warf (das bestätigte mir sogar Muho). Ebenso freigebig und naiv war er mit "Lehraufträgen", wobei sich die Beauftragten nicht sicher sein konnten, welchen Rang sie eigentlich hatten, und sich dann überwiegend kurzerhand zu Roshi erklärten. Soweit ich weiß, ging es da nicht wesentlich um Sex, der japanische Lehrer hatte einen ganz guten Ruf (Freigebigkeit ist ja an sich auch nichts Übles), aber was ist da nun bei herausgekommen?


    Wie gesagt, im Umkehrschluss würde ich fragen: Egal wie charakterfest die Meister waren, wenn sie sich solche Leute als ihre Stellvertreter heraussuchten, mangelte es ihnen wohl doch etwas an Weisheit und damit auch an "Meisterschaft".