Apropos Liebe. Oft wird ja geschrieben oder gesagt, Liebe setze unbedingtes Vertrauen voraus. Erst dann könne man sich "fallen lassen". Das Risiko ist dann: Der andere "missbraucht" mein Vertrauen, indem er oder sie Dinge macht, die mich enttäuschen. Meist bestehen diese Enttäuschungen darin, dass sich der andere verändert und Dinge tut, die nicht in mein Bild passen, das ich mir von der anderen Person gemacht habe. Und mit all diesen Querelen und Missverständnissen kann der Buddhismus wunderbar aufräumen, sodass Platz für Liebe entsteht:
1. Vertrauen, das darauf basiert, dass der andere sich nicht verändert, sondern so bleibt, wie ich ihn oder sie haben möchte, ist kein Vertrauen, sondern Angst vor Veränderung – und das in einer Realität, in der sich ständig alles verändert. Wenn ich jemanden liebe, so werde ich keine Angst davor haben, dass er oder sie sich verändert, sondern Veränderungen eher unterstützen und willkommen heißen.
2. Enttäuschung hat vorwiegend damit zu tun, dass zuvor eine Täuschung da war, eine Vorstellung oder ein Bild, wie der oder die andere zu sein hat. Eine Enttäuschung kann da eine sehr heilsame Wirkung entfalten, denn Liebe beginnt da, wo ich den anderen nicht mehr in meine Bilder oder Vorstellungen einsperre.
3. Was heißt es, wenn ich sage, "ich kann mich fallen lassen"? Ich kann schwach sein, mich gehen lassen, und der andere wird mich halten und tragen? Das mag in Krisenzeiten vorkommen. Eher verstehe ich aber unter Liebe, dass ich zumindest den größten Teil der Zeit stark und autonom genug bin, um den anderen nicht zu meinen Zwecken instrumentalisieren zu müssen – eben kein Mangelwesen. Und letzteres ist wahrscheinlich eine der Kernkompetenzen des Buddhismus: Nicht dauernd irgendetwas oder irgendwen zu (miss-)brauchen, um dem ständigen Gefühl der Frustration und der Unbefriedigung zu entkommen.