Beiträge von Sudhana im Thema „Östliche Meditation und westliche Philosophie“

    Denn was evident ist, ist dass menschliche Praxis nichts bewirken kann und dies ist DER Gegensatz zur buddhistischen Lehre. Wer also versucht Gemeinsamkeiten zu finden in Christentum und Buddhismus und sich dabei auf Äußerlichkeiten beruft, der geht fehl. Denn das Merkmal des Christentums ist, das der Selbst-Wille, der im Buddhismus notwendigerweise die treibende Kraft des Pfades ist, nichts erreichen kann. Denn alles wird entweder von Gott gegeben oder nicht.

    Erstens - das ist alles andere als "evident". Zweitens ist das nicht das Christentum, sondern insbesondere Luthers (der seinerseits auf Augustinus zurückgriff) Gnadenlehre; im Calvinismus weiter zu einer strengen Prädestinationslehre radikalisiert

    Die haben dort in der Wüste wahrscheinlich auch eine Form der Versenkung oder Meditation praktiziert, um das Ego zu überwinden.

    Das halte ich für spekulativ - allenfalls würde ich an Stelle des "wahrscheinlich" ein "möglicherweise" setzen. Die am besten 'dokumentierten' Fälle (in Hagiographien und entsprechend zuverlässig), etwa der des Antonius Eremita ('Vater der Mönche') in Ägypten oder des Symeon Stylites in Syrien belegen zwar diverse asketische Praktiken - aber nichts darüber hinaus.


    Erste theoretische Ansätze für eine mystisch-meditative Praxis würde ich bei Pseudo-Dionysios Areopagites verorten, also frühes 6. Jahrhundert. Wobei der sich vor allem beim Neuplatonismus bediente, wie schon ein Jahrhundert früher (allerdings mE deutlich praxisfremder) Augustinus, der den Begriff 'Illumination' in die christliche Theologie einführte.

    Zitat

    Unter Meditieren ist Nachdenken oder ein methodisches Denken zu verstehen. - Das Meditieren muß alles Lesen und Lernen begleiten; und es ist hierzu erforderlich, daß man zuvörderst vorläufige Untersuchungen anstelle und sodann seine Gedanken in Ordnung bringe oder nach einer Methode verbinde.

    Immanuel Kant, Logik - ein Handbuch zu Vorlesungen, § 120

    Diese Auffassung von 'Meditation' geht - aus buddhistischer Perspektive betrachtet - grundsätzlich in die Richtung vipaśyanā, 'Einsichtsmeditation'. Wobei es insbesondere Kant nicht um intuitive Einsicht ging, sondern um logisches Begreifen, das Begreifen der Begriffe mit inbegriffen. Schopenhauer kritisierte diese Auffassung als zu reduktionistisch und sah dabei insbesondere das Element der Kontemplation vernachlässigt - also den śamatha - Aspekt.

    Zitat

    Wenn man, durch die Kraft des Geistes gehoben, die gewöhnliche Betrachtungsart der Dinge fahren läßt, aufhört, nur ihren Relationen zueinander, deren letztes Ziel immer die Relation zum eigenen Willen ist, am Leitfaden der Gestaltungen des Satzes vom Grunde, nachzugehen, also nicht mehr das Wo, das Wann, das Warum und das Wozu an den Dingen betrachtet; sondern einzig und allein das Was; auch nicht das abstrakte Denken, die Begriffe der Vernunft, das Bewußtseyn einnehmen läßt; sondern statt alles diesen, die ganze Macht seines Geistes der Anschauung hingibt, sich ganz in diese versenkt, und das ganze Bewußtseyn ausfüllen läßt durch die ruhige Kontemplation des gerade gegenwärtigen natürlichen Gegenstandes, sei es eine Landschaft, ein Baum, ein Fels, ein Gebäude oder was auch immer; indem man, nach einer sinnvollen Deutschen Redensart, sich gänzlich in diesen Gegenstand verliert, d. h., eben sein Individuum, seinen Willen vergißt und nur noch als reines Subjekt, als klarer Spiegel des Objekts bestehend bleibt; so daß es ist, als ob der Gegenstand allein da wäre, ohne Jemanden, der ihn wahrnimmt, und man also nicht mehr den Anschauenden von der Anschauung trennen kann, sondern beide Eines geworden sind, indem das ganze Bewußtseyn von einem einzigen anschaulichen Bilde gänzlich gefüllt und eingenommen ist; wenn also ... das Subjekt aus aller Relation zum Willen getreten ist, dann ist, was also erkannt wird, nicht mehr das einzelne Ding als solches; sondern es ist die Idee, die ewige Form... : und eben dadurch ist zugleich der in dieser Anschauung Begriffene nicht mehr Individuum; denn das Individuum hat sich eben in solche Anschauung verloren: sondern er ist reines, willenloses , schmerzloses Subjekt der Erkenntniß.

    Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung I, § 34

    Die Idee beim Sinnieren stehen zu bleiben ist prinzipiell eine gute. Was passiert, wenn man das nicht macht, sieht man ja am Beispiel von Thales von Milet, der als er die Sterne betrachtete in einem Brunnen fiel. Woraufhin er von einer thrakischen Magd ausgelacht wurde.

    Was natürlich eine völlig bescheuerte Geschichte ist, ursprünglich verzapft von einem Banausen, der nicht mehr Ahnung von Astronomie hatte als Thales' thrakische Putzfrau. Natürlich war Thales absichtlich in den Brunnen geklettert. Jeder, der sich schon einmal in Sternbeobachtung mit bloßem Auge versucht hat, hat festgestellt (wenn ihm denn nicht jegliches Talent für Empirie abgeht), dass der simpelste Kunstgriff dabei der ist, das Umgebungslicht nach Möglichkeit aus der Wahrnehmung herauszufiltern. Eine einfache Methode dabei ist, etwa die Beobachtung vom Grunde eines tiefen Schachtes auszuführen, was zwar mit zunehmender Tiefe des Schachtes das Blickfeld begrenzt, aber gleichzeitig dessen Sichtbarkeit deutlich verbessert. So lassen sich vom Grunde eines tiefen Schachtes aus selbst bei Tageslicht größere Sterne wahrnehmen. Zwar gilt Yongjia Xuanjues "du siehst nicht den Himmel, wenn du ihn durch ein Rohr betrachtest" - bei ein paar Sternen geht aber das schon.


    Wie das eben so ist mit dem Humor thrakischer Mägde - er ist häufig ohne Anlass. Der Spass sei ihnen trotzdem gegönnt, sie haben ja sonst nicht viel zu lachen ...