Beiträge von Sudhana im Thema „Rechter Glaube ist vollkommenes Vertrauen (Dainin Katagiri)“

    Ich halte es grundsätzlich nicht für hilfreich, über 'Horizonte' anderer Menschen, die wir hier nur über den Filter einer schriftlichen Kommunikation per Internet "kennen", öffentlich Vermutungen anzustellen. Welcher Art Horizonte auch immer - intellektuelle, ethisch-praktische, soziale ... Trotzdem ist das eine häufig in Korrelation mit Glaubenseifer stehende Beobachtung. Was nicht überraschen sollte - Glaube ist nun mal formal Unterstellung ohne Evidenz. Er ist gekennzeichnet durch Nicht-Wissen, avidyā - insofern selbst ein Horizont.


    Die Frage ist nun, ob Glaube dieses Nicht-Wissen füllen kann. Die christliche Antwort ist 'ja' - wenn es der rechte Glaube ist; wobei Streitigkeiten über das 'rechte' des Glaubens implizit schon vorgegeben sind. Betrachtet man das buddhistische 'Gegenstück' śraddha, wäre die Antwort 'ja' - so weit sich dieses śraddha als transformativ erweist; avidyā zu vidyā transformiert.


    Dass es unter den Theologen auch intelligente Leute gibt, ziehe ich nicht in Frage. Ich habe zum Thema 'moderne' Theologie ja schon kürzlich etwas geschrieben - die tendiert dazu, den Gottesbegriff derart zu sublimieren, dass er zwar ungreifbar und damit unangreifbar wird (so jedenfalls die theologische Intention und Hoffnung), aber auch jeglichen Inhalt verliert, zur bloßen Worthülse wird - ein Zeichen für Undefiniertes/Undefinierbares. Solche "Zeichen" gibt es im Buddhismus auch (etwa tathāgathagarbha) - aber dass sie beide für Undefiniertes/Undefinierbares stehen heisst nicht, dass sie für dasselbe stehen. Sie tun das in völlig unterschiedlichen Kontexten.


    Man kann diese Kontexte - etwa christlichen und buddhistischen - vergleichen, wenn man einen gemeinsamen Maßstab nutzt. Etwa den sozialer Orthopraxie / śīla, was ja beliebt ist, weil es da unübersehbare Parallelen gibt. Oder den Maßstab geistiger Schulung, wobei sich (mal die moderne Anleihe beim Zen beiseite gelassen) etwa in der Mystik der Dominikaner, weniger der der Franziskaner oder der Jesuiten, vereinzelt parallele Ansätze zum bhavanā finden lassen. Bei prajñā wird es da schon deutlich schwieriger - da ist die (stets häresieverdächtige) negative Theologie vielleicht eine Parallele, aber doch eine in ziemlichem Abstand.


    Wozu solche Vergleiche gut sein sollen, ist eine andere Frage - die mich ganz bewusst zum interreligiösen Dialog auf kritische Distanz gehen lässt.

    Erst im Laufe der Kirchengeschichte haben sich Dogmen entwickelt, und längst nicht in jeder Tradition die gleichen. Religionen entwickeln sich. Vieles von dem, was im Mittelalter geglaubt wurde, spielt seit der Reformation zum Beispiel keine Rolle mehr.

    Da gebe ich mir die Mühe, in einem kurzen Abriss aufzuzeigen, welche Dogmen seit der ersten Hälfte des 2.Jahrhundert bis heute für alle christlichen Denominationen / "Traditionen" (einschließlich der reformierten) gleich geblieben sind und dann das.


    Was Deinen "Tipp" angeht - ich hatte erst vorgestern Gelegenheit, anläßlich der Beisetzung eines alten Freundes im Nachbarort (nach katholischem Ritus) ein paar Worte mit dem Priester zu wechseln und dann am Grab einige Worte zu sagen. Wie ich auch hier in unserer evangelischen Dorfkirche öfters zu Gast bin und mit dem Pfarrer ein von gegenseitiger Achtung und Respekt geprägtes Verhältnis habe. Einer meiner wichtigsten Lehrer war in seinem 'früheren Leben' Pfarrer und evangelischer Theologe gewesen.


    Das mit dem "sogar Deinen Horizont erweitern" - offensichtlich fällt es Dir ungeheuer schwer, auf solche Unverschämtheiten als persönliche Angriffe zu verzichten. Ist das nun christlicher Glaubenseifer oder etwas tiefer sitzendes? Denk mal drüber nach.

    unterschiedliche Ebenen

    Ja, ich habe über die religionswissenschaftliche Ebene geschrieben. Was - neben der historischen - für einen Nichtchristen mE der einzige angemessene Zugang zum Christentum ist.

    das Verständnis des christlichen Glaubens, das Theologen auf Konzilen beschlossen haben.

    ... und das in der gemeinschaftlichen religiösen Praxis regelmäßig von der Gemeinde nachgebetet wird.


    Kleine Anmerkung: da ja hier gelegentlich Bezüge zwischen Praxis und Theorie des Buddhismus hergestellt werden - wie sieht es da eigentlich mit der Beziehung zwischen Theorie und Praxis, also der "Glaubenspraxis" bei solchen 'Neochristen' aus? Ich habe manchmal den Verdacht, dass da die wuchernde Theorie (gerade auch moderner Theologen) vor allem das Fehlen einer Praxis verdeckt - wofür man sich dann z.B. beim Buddhismus bedient. Christliche Praxis ist nicht nur Nächstenliebe - sie ist konkret die regelmäßige sakramentale Bindung an Jesus in der gottesdienstlichen Gemeinschaft. Wie schaut's denn damit aus? Nicht weit her damit, vermute ich.

    Unter Christen wird das oft genau umgekehrt gesehen.

    Erst seit dem Hochmittelalter; die Gegenposition zu Tertullian / Augustin* (credo ut intelligam, "ich glaube, damit ich erkennen kann") fand erst in Anselm von Canterbury einen Vertreter. Hier setzte dann die Scholastik an - Philosophie als "Magd der Theologie".


    *Tertullian: "Gottes Sohn ist gestorben: es ist ganz glaubhaft, weil es ungereimt ist [sich nicht begreifen lässt]; er ist begraben und wieder auferstanden: das ist ganz sicher, weil es unmöglich ist.“ SchonPaulus spricht im 1. Korintherbrief von der "Torheit der Verkündigung".

    Nun - der Kern des christlichen Glaubens ist der, dass Gott die alleinige Ursache der Welt ist, zur Erlösung der Menschen in seinem Sohn Jesus Christus Gestalt angenommen hat und für sie den Opfertod am Kreuz erlitt - wonach er von den Toten auferstand und leiblich in den Himmel auffuhr, um dereinst am Tag des Zorns wiederzukehren und Gericht zu halten über die Lebendigen und die Toten, die Gläubigen und die Ungläubigen.


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    Das findest Du in allen christlichen 'Konfessionen' (= Bekenntnisse), wobei diese Glaubensdefinition oben älter ist, als alle diese verschiedenen 'Bekenntnisse'; sie findet sich schon in der regula fidei im 2. Jahrhundert (beim Kirchenvater St. Irenäus und seinem Zeitgenossen Tertullian, dem 'Vater des Kirchenlatein') - direkt aus der Lehre der Apostel abgeleitet. Das ebenfalls aus dem 2. Jahrhundert stammende symbolum apostolicum (altrömisches Glaubensbekenntnis) schweigt sich noch über die Erlösung aus, weicht aber hinsichtlich der anderen Punkte (insbesondere des Gerichts) nicht davon ab.


    Das betrifft übrigens auch die 'Jungfrauengeburt' und den 'Heiligen Geist', die ich weggelassen habe, weil sie eher nebensächliche Punkte betreffen, die insbesondere seit der Reformation zunehmend (und unterschiedlich) metaphorisch gedeutet bzw. rationalisiert und verstanden werden - wie sicherlich auch andere Punkte dieser Glaubensformel, wenn auch in geringerer Diversität.


    Diese Aussagen der regula fidei findest Du in allen späteren Bekenntnissen christlicher Glaubensgemeinschaften wieder - von dem des ersten ökumenischen Konzils 325 in Nicäa über das Nizäno-Konstantinopolitanum (das symbolum nicaenum, 451 auf dem Konzil von Chalcedon beschlossen). Dieses Glaubensbekenntnis wird von der römisch-katholischen Kirche sowie den anglikanischen und lutherischen Kirchen geteilt - bei den orthodoxen Kirchen und der altkatholischen Kirche wird lediglich das 'filioque' weggelassen aufgrund unterschiedlicher (hier unwesentlicher) trinitarischer Auffassungen. Die evangelisch-reformierten halten sich dagegen an das alte, oben genannte symbolum apostolicum - mit dem Zusatz 'Vergebung der Sünden' am Schluss.


    Mit dem symbolum nicaenum grenzte man sich endgültig gegen die 'Nestorianer' (antiochenische Theologie - deren mono- oder miaphysitische Christologie schon 351 in Ephesus verurteilt wurde) ab. Die formulierten als ostsyrische Kirche oder Chaldäer im persischen Sassanidenreich in der Synode von Ktesiphon / Seleukia 486 ein eigenes Glaubensbekenntnis auf Basis des Apostolicum. Heutige Nachfolger sind die Assyrische Kirche des Ostens (mit dem 'Ableger' der indischen Thomaschristen, diverse autokephale Kirchen) sowie die seit dem 16. Jhdt.abgespaltene und mit Rom uniierte chaldäisch-katholische Kirche (Patriarchat von Bagdad), zu dem auch der thomaschristliche Ableger der syro-malabarischen Kirche gehört.


    Religionswissenschaftlich betrachtet ist das gemeinsamer christlicher Glaube, wie er von den Aposteln, den Kirchenvätern und den ökumenischen Konzilen formuliert, von den Glaubensgemeinschaften angenommen wurde und auch in jedem Gottesdienst bestärkend rezitiert wird. Das ist der Glaube, der "Christentum" als Religion (also ein System von Überzeugungen und Praktiken) definiert. Natürlich bleibt jedem belassen, das alles nun mehr oder weniger tatsächlich zu glauben oder persönliche Vorbehalte zu haben und 'picking and choosing' zu betreiben. Und ich wäre der letzte, es zu tadeln, wenn jemand selbst entscheidet, was er davon alles glauben will oder nicht. Aber dass er das glauben soll, ist schon ziemlich klar. Bei manchen selbstdeklarierten Christen kommt mir unweigerlich in den Sinn, was Hans Henny Jahnn über Klopstocks 'Messias' sagte: "Mein Erstaunen über soviel heidnisches Kristentum ist sehr groß". Das ist dann wohl doch eher eine Privatreligion aus verschiedenen Versatzstücken (darunter auch christlichen) - und so etwas ist selten konsistent. Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie glauben ...

    Manche buddhistische Autoren neigen dazu, für westliches Publikum eine Brücke des Verständnisses zu bauen, indem sie zentrale Begriffe der christlichen Religion als Verständnishilfe aufgreifen und sich ihrer bedienen. Glaube (wie hier), Liebe (wie gerade im Theravada-Bereich) - fehlt nur noch die Hoffnung ...


    Geschieht dies allzu unreflektiert - wozu dann speziell bei Autoren aus Ländern mit traditionell buddhistischer Kultur manchmal noch das Problem tritt, dass dem Autor die Konnotationen (insbesondere die religiösen) dieser Begriffe unzureichend vertraut zu sein scheinen - ist das dem korrekten Verstehen der Bedeutung dieser Begriffe durch den Leser abträglich. So etwas mag sicherlich Zugänge öffnen - aber es befördert auf Grund solch begrifflicher Unschärfe auch Missverständnisse.


    Die Bedeutung (Semantik) von 'Glaube' im christlich-theologischen Sinn deckt sich mit der von śraddhā / shin (信) nur in einem begrenzten Teilbereich und ist notwendig als Übersetzung reduktionistisch - wie auch die Übersetzung 'Vertrauen'. Die ich dessenungeachtet vorziehe, weil sie auf den Unterschied von śraddhā zu 'Glaube' im christlichen Sinn verweist. Letzterer muss bedingungslos sein, 'blind', notfalls wider alle Vernunft bis hin zum credo quia absurdum - ich glaube, weil (nicht obwohl) es absurd ist. Vertrauen hingegen muss sich als berechtigt erweisen, 'bewähren' - es erfüllt sich im hier und jetzt, nicht in einem transzendenten Jenseits. Oder eben nicht, dann verliert man es. Dass Glaube auch im 'Diesseits' transformative Kraft entfalten kann, will ich dabei gar nicht in Abrede stellen - aber aus theologischer Sicht ist das nur ein Sekundäreffekt.


    Da die Übung des Zazen nicht im Vertrauen auf einen Nutzen (insbesondere einen 'diesseitigen') ausgeübt werden soll, als eine Bedingung für etwas anderes (es ist in diesem Sinn eine 'sinnlose', vielleicht sogar absurde Übung), mag im speziellen Kontext Sōtō-Zen 'Glaube' sogar der passendere Begriff für das die Übung begleitende shin sein. Aber so, wie die korrekte Zazen-Übung nicht aus dem Vertrauen auf einen Sinn und Zweck der Übung erwächst, erwächst sie auch nicht aus dem Glauben an einen Nutzen. Vor allem ist vollkommenes shin kein unbedingter Glaube, wie er im Christentum gefordert wird. "Gelingt euch diese Rückkehr [zur Stille], dann [erst] stellt sich vollkommenes Vertrauen ein" - das ist die Bedingung. Wobei in dieser Stille kein Raum mehr für irgendetwas ist - auch nicht für shin. Das unvollkommene shin verschwindet, löst sich in der Stille auf - seine Vollkommenheit zeigt sich erst in seinem Verschwinden.

    Alles gemeinsam mit Allem. Meditation ist möglich, selbst mit einer unbegreiflichen Lautstärke und unbedingtem, Zwang des Körpers sich zu bewegen.

    Danke. Aber ich ziehe die kontinentale, zivile Variante vor.

    Bagad Cap Caval - Kan An Erer
    🔈🎶Besoin d'un bol d'air ? Le bagad Cap Caval au paradis des surfeurs ! 🌊🏄‍♂️☀️🎥Clip tourné au spot de la Torche - Plomeur (29) - Pays Bigouden - Août 20...
    www.youtube.com


    Und dem Marschieren den Tanz ... :)

    Deuit Da Zansal
    Iffig Cloarec, President du Cercle Celtique Brug ar Menez de Spezet, invite dans la danse Iffig Com fondateur du Groupe.
    www.youtube.com


    Sorry wegen dem privaten (und etwas offtopic - Austausch). Wer erwartet, dass ich zum Thema komme, kann sich den Rest auch noch sparen. Jedenfalls trieb mich da eine assoziativ ausgelöste Reminiszenz an den Juni, da war ich zuletzt in Spezet. Nicht wegen der Musik (da fuhr ich zu einem Fest-Noz im Poher) sondern wegen der Glasmalereien aus dem 16. Jahrhundert in der nahegelegenen Wallfahrtskirche Notre-Dame du Crann. Großartig restauriert von den Spezialisten der Dombauschule Chartres - was übrigens für mich auf dem Weg liegt, als Etappe. Chartres lernte ich schon als Schüler durch die Städtepartnerschaft kennen, wo ich später (für eine andere Stadt) ehrenamtlich für den Schüleraustausch arbeitete. Was mich wiederum mit der Bretagne und ihrer (von der französischen durchaus unterscheidbaren) Kultur erstmals in Kontakt brachte. Nun ja - und das erste Video ... Diese Bands (Bagads) sind lokale Identifikationsobjekte wie bei uns Fußballklubs oder in Wales Rugby-Clubs. Mit diversen Ligen, Matches, Turnieren usw. usf. Und als Gelegenheitsbretone bin ich Fan von Bagad Cap Caval. An der Bigoudenküste, wo das Video gedreht wurde (die Bagad kommt aus Ploemeur, etwas im Inland) war ich das letzte Mal 2016.

    In diese Verzweiflung am Vertrauen gibt man sich auf, mit all der Wut, die es schon erzeugt hat und erfährt, dass gerade dieses rechte Vertrauen missverstanden, an die Leere, an die Gewächse das größte Hindernis war.

    Mir scheint die Anmerkung sinnvoll, dass der oft beschworene 'große Zweifel' Hakuins nach meinem Empfinden als Werkzeug vor allem für Menschen geeignet ist, zu deren Ausgangsbedingungen für den Weg der 'kleine Zweifel' gehört. Der kann dann gehegt und gepflegt werden, so dass er groß und stark wird, bis der große Zweifel und das große Vertrauen (shin 信) aneinander zerbrechen.


    Das shin, von dem Katagiri Rōshi hier schrieb, ist allerdings ein anderes. Es ist "vollkommenes Vertrauen" und damit ohne den Keim des Zweifels.


    Ob das Vertrauen nun zerbricht oder abfällt und man es auf dem Weg verliert - es hat sich dann so oder so erledigt. Vertrauen kann man nur auf das Unbekannte; das Bekannte ist vertraut.