Beiträge von Wu° im Thema „Shinjin“

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    Shinjin beschreibt nach Shinran das zentrale spirituelle Ereignis im Leben, welches ein Akt des totalen Vertrauens in das Gelübde Amida Buddhas ist. Es ist dabei jedoch kein Akt einer Entscheidung des Menschen, der zu diesem Ereignis führen würde, sondern eine spontane Realisierung von Vertrauen, die der Mensch ohne eigene Berechnung quasi als geschenkt erfährt. Dieses geradezu mystische Ereignis gilt im Shin Buddhismus als der Schlüssel zur Seinsfrage, da in diesem Moment die Andere Kraft (jap.: tariki) gänzlich die der menschlichen Natur eigene egoistische Berechnung (jap.: hakarai) durchbricht und dem Menschen eine Sicherheit zugänglich macht, die er selber durch eigene Kraft (jap.: jiriki) nicht erreichen kann.


    Shinjin wird oft mit Glauben übersetzt, was zu einer unzulässigen und unglücklichen Gleichsetzung shin-buddhistischer Spiritualität mit theistischen, hier besonders christlichen, Vorstellungen geführt hat. Die Übersetzung als ‘vollkommenes Vertrauen’ ist angemessener und adjektivisch hat shin die Bedeutung von ‘wahr und aufrichtig’.


    Weil Shinjin nicht nur ein wichtiger Begriff unter vielen ist, was Shinrans Lehren betrifft, sondern das zentrale Anliegen seines historischen Wirkens als buddhistischer Denker gewesen ist, ist es um so wichtiger, diesen Begriff nicht mit Vorstellungen zu verbinden, die ihm in seinem buddhistischen Kontext nicht zukommen. Durch die Übersetzung mit dem Begriff Glauben wurde es von vorneherein unmöglich Shinran zu begreifen und es führte zur aktuellen Situation, wo eine völlige Unkenntnis über seine wahren Lehren herrscht, die eine der größten und wichtigsten buddhistischen Traditionen hierzulande zum Nischendasein verurteilt hat.



    Quelle: http://shinbuddhismus.wordpress.com/2009/03/11/shinjin/

    Zu Shijin:


    Zitat

    Im Japanischen gibt es drei Worte, die alle mit Glauben oder Vertrauen übersetzt werden. Betrachten wir, was sie jeweils bezeichnen, ist leicht zu erkennen, dass sie sehr unterschiedliche Erfahrungen ausdrücken. Shinnu das erste Wort, bezeichnet eine Form von Glauben, die im Alltag eine große Rolle spielt. Wir können die entsprechende Haltung mit folgenden Wendungen wiedergeben: "Ich gehe davon aus" oder "So bin ich es gewöhnt". Man verlässt sich darauf, dass Dinge unserer bisherigen Erfahrung entsprechen, auch wenn man sich dessen letztlich nicht sicher sein kann. Wir gehen davon aus, auch morgen zu leben, obwohl es keine Garantie dafür gibt. Dieser Glaube gründet auf der Wahrscheinlichkeit: Bin ich heute jung und gesund, darf ich mit einiger Berechtigung annehmen, morgen noch zu existieren. Bin ich dagegen alt und krank, sind die Aussichten anders. Doch wahre Gewissheit spielt dabei keine Rolle, denn die Wahrscheinlichkeit muss nicht zwingend eintreffen: Trotz blühender Jugend und bester Gesundheit kann ich morgen schon tot sein. Und mancher, dem die Arzte nur Tage gaben, lebte noch viele Jahre.

    In unseren Beziehungen zu anderen ist Shinrai bedeutend, lernten wir einen Menschen im regelmäßigen Umgang kennen, sind wir bestimmte Reaktionen und Handlungsweisen von ihm gewohnt. Er wurde für uns einschätzbar, und wir rechnen für die Zukunft mit ähnlichem Verhalten. Doch können wir nie ganz sicher sein, dass sich fortsetzt, was vergangenen Eindrücken entspricht.

    Dieser auf Wahrscheinlichkeit basierende Glaube ist wichtig, denn niemand könnte existieren, hätte er in jedem Augenblick die gesamte Wirklichkeit neu einzuschätzen. Wir müssen im täglichen Leben davon ausgehen, dass Dinge und Wesen uns in gewohnter Weise begegnen.


    Shinko, das zweite Wort, steht im religiösen Zusammenhang. Shinrans Lehrer Honen und andere buddhistische Meister seiner Zeit wie Nichiren und Dogen, der Soto-Zen in Japan einführte, verwendeten dieses Wort, um bestimmte Erfahrungen auszudrücken. Neben dem gleichen Shin wie im ersten Begriff findet sich hier die Silbe Ko, die "emporblicken" bedeutet. Im Shintö, dem vorbuddhistischen "Weg der Götter", blickt man zu diesen Göttern als höheren Wesen auf. Entsprechend werden die Begriffe "Gott" und "Oben" im Japanischen gleich ausgesprochen: kami. Dies verdeutlicht die Ansicht, wie man zu etwas oder jemand Höherstehendem aufblickt. Der Gläubige kann nicht wissen, ob sein Gott wahrlich existiert, und er fragt in seinem Glauben auch gar nicht danach. Shinko fordert keine Beweise oder vernünftige Erklärungen. Es ist die Haltung, dass zweifellos etwas Höheres und meiner Erfahrung Unzugängliches über mir steht.


    Shinjin ist von Shinko und Shinrai völlig verschieden. Es bezeichnet eine Sicherheit, die der Hingabe an Buddha Amitabha und sein Gelöbnis, alle Wesen zu allen Zeiten zu befreien, entspringt. In dieser Hingabe gibt es weder Subjekt noch Objekt. Es hat nichts mit dem Empfinden oder Wissen zu tun, an etwas zu glauben. Es ist eine reine Erfahrung, für die das Sanskritwort Prasada steht: Klarheit, Reinheit, Ruhe. Cittaprasada bedeutet: Geist und Herz wurden vollkommen rein und klar. Für Shinran drückte das Wort shinjin diese Erfahrung am besten aus: Man erlebt die reine Wahrheit des eigenen Herzens und Geistes.

    Wir dürfen diese Reinheit nicht missverstehen. Keine moralische Makellosigkeit ist gemeint, die im lassen bestimmter Dinge besteht, die als unschicklich gelten. Reinheit in Shinjin reicht tiefer: Ich erlebe mich frei von egoistischer Berechnung und sehe mich als genau das, was ich wahrhaft bin. Es geht weder um weltliches Vertrauen in das Gewohnte, noch um den religiösen Glauben an etwas Höheres.

    Shinjin weist zwei Aspekte auf, Erfahrung und Weisheit. Man erfährt sein eigenes Herz, das zugleich wahrhaftig wird. Solches Erfahren bezeichnete man im Sanskrit als Prajna, ein Wort, das auch Weisheit ausdrückt. Diese Weisheit, Erkenntnis des Herzens, das dabei Läuterung erfährt, ist die Dynamik in Shinjin. Prajna und Cittaprasada, die Weisheit und das reine Herz, bilden als Wirken und Wesen von Shinjin eine nicht trennbare Einheit.

    Buddhistische Sanskrittexte verwenden das Wort Cittaprasada auch gleichbedeutend mit Samadhi, dem gesammelten Geist, der die Wahrheit schaut. Cittaprasada führt zur Fähigkeit, "den Buddha zu sehen", zum "Erwachen" (satori) und der "Geburt im Reich des Buddha".


    (Aus"Sogar der Gute wird erlöst, um wieviel mehr der Böse: Der Weg des buddhistischen Meisters Shinran")