Beiträge von Dharma Buddy im Thema „Buddhismus und Homosexualität und Transsexualität“

    Wieso unglaubwürdig? Natürlich können wir unser Karma sehen: Gewohnheiten, Saṅkhāra, die endlosen Ketten von Ursache und Wirkung in unserem Geist usw. In jeder Meditation lernen wir mehr über uns selbst.

    Aber in diesem Thread hast Du ja eine andere Frage gestellt und ich habe Dir einige "klassische" Erklärungen geliefert, die karmische Wirkungen über mehrere Leben zum Thema hatten. Und selbst nach traditioneller Lehre sind diese Einsichten völlig außerhalb unserer Reichweite. Wir können sie glauben, sie ablehnen oder uns agnostisch verhalten. Aber wissen können wir es nicht, oder?

    Woher stammt Dein Wissen über Karma?

    Ich meine, dass es selbst im Buddhismus zum Thema unterschiedliche Positionen gibt. Im chinesischen Buddhismus gibt es Vorstellungen von "karmischer Vergeltung". In der letzten U&W gibt es einen schönen Artikel, wo beschrieben wird, wie ein Lehrer aus Taiwan erklärte, er habe Asthma, weil er einen Fisch ersticken ließ (ich weiß nicht mehr in welchem Leben). Die chinesische Vorstellung von Karma ist nicht so abstrakt wie die indische. Welche von beiden Vorstellungen ist nun richtig?

    Seine S.H. der Dalai Lama sage mal: „Die Lehre von der Leerheit – das ist eine der höchsten philosophischen Schulungen – das sei relativ zugänglich, aber Karma, das sei eine verborgene Wahrheit, die sei nur dem Buddha zugänglich.“


    Ich will hier einmal Werbung machen für eine Veranstaltung, wo das diskutiert wird: https://buddhismus-deutschland…or-alles-karma-ist-das-so

    Aber noch wichtiger ist die Frage, wie wir queere Menschen das Bodhisattva-Ideal leben können. Aber ich glaube, dass das den Rahmen des Themas hier sprengt.

    Mich würde durchaus interessieren, was du dazu meinst. Mir fällt jetzt im Zusammenhang mit dem Bodhisattva-Ideal nichts spezifisch queeres ein.

    Ich kenne keine Figur wie die Tara, die gelob, immer als Frau wiedergeboren zu werden, bis das Leid beendet ist.


    Viele queere Menschen lassen sich inspirieren durch Guan Yin, die ja in Indien männlich war und in China als weiblich dargestellt wurde.


    Aber natürlich gibt es queere Bodhisattvas. Issan Dorsey hat zum Höhepunkt der AIDS Krise an AIDS erkrankten Menschen geholfen und war maßgeblich für die Entstehung der Hospiz-Bewegung in den USA. Und wenn ich mir seine Biographie durchlese, konnte nur er so etwas machen, denn er kannte die Lebenssituation der Marginalisierten (Sexarbeiter:innen, Crossdresser...) sehr gut und verstand deren Probleme. Und da wirst Du viele andere finden, die Ähnliches geschaffen haben.

    Ich muss euch beiden danken. Ich habe hier die Beiträge gestern nur überflogen und über diesen Teil etwas länger nachgedacht bis ich draufkam, dass ich selbst mal an eine Kirche gepinkelt hatte. Mit meinem jetzigen Respektsempfinden ist das aber nicht mehr vereinbar und ich habe vergeben, mir selbst und um Vergebung im Geiste gebeten. Damit konnte ich Teile des schlechten Karmas reinigen. Muss aber auch sagen ich hatte bisher trotzdem noch wegen irgendetwas Schuldgefühle. Ich kam aber bisher nicht drauf wegen was. Auch wenn es im Buddhismus keine Heiligkeit gibt fühlte ich mich gestern dann trotzdem heiliger, entspannter, geerdeter und selbstsicherer. Vielleicht ist an der Passage schon was dran weil ich war öfters im unreinen mit meiner Sexualität. Aber vielleicht lags auch nur am Mobbing dem ich ausgesetzt war. Jedenfalls fand ich Sexualität immer wieder seltsam obwohl ich schon großteils hetero bin. Manchmal stell ich das aber in frage.

    Ich finde es gut, nicht nur Unterschiede zu betrachten sondern immer das, was wir gemeinsam haben. Wir haben alle in unserer Jugend (und auch danach) Dinge gemacht, derer wir uns im Nachhinein schämen. Und ich glaube auch, dass Sexualität immer verwirrend ist. Deswegen bestehen große Teile der Kultur aus Geschichten von Liebe und Liebesdramen.

    Ich glaube aber auch, dass die Praxis uns hilft, mehr Klarheit zu finden. Und dann werden wir erkennen, dass wir viel mehr Gemeinsamkeiten haben, als wir dachten.

    Sorry, aber für mich gehören Zitate von homophoben Äbten, Erklärungsnöten von Mönchen und Nonnen und pinkelnden Sündern zur dunklen Seite unserer Bewegung. Über diese dunkle Seite könnte man diskutieren, aber eine Diskussion, ob an deren Sicht etwas dran sein könnte, halte ich für aus der Zeit gefallen.

    Danke, dass Du das auf den Punkt gebracht hast. _()_


    Und ehrlich gesagt, die Diskussion finde ich schon immer schlecht. Im Mahayana-Buddhismus wissen alle, dass wir ständig Himmel und Hölle erzeugen. Und immer, wenn eine Gruppe von Menschen als gesellschaftlich und spirituell minderwertig definiert wird, werden Himmel und Hölle erschaffen. Und das meine ich nicht nur im übertragenen Sinn. Es wird Buddhist:innen eingeredet, sie bzw. ihre Familienangehörigen würden gegen Silas verstoßen. So etwas erzeugt Zerwürfnisse in Familien - in der Vergangenheit und leider teilweise auch noch heute.


    Ich finde auch, dass das die Fragen sind, die wir stellen sollten - und eben keine Fragen nach Ursachen von "Abweichungen von der Normalität". Die wichtigen Fragen sind meiner Ansicht: Wieso hat niemand erkannt, welches Leid erzeugt wird, wenn Gruppen von Menschen als minderwertig definiert werden? Wieso ist niemand auf den Gedanken gekommen, dass auch queere Menschen Bodhisattvas sind? Wieso werden stattdessen irgendwelche Absurditäten erfunden mit Wildpinkelei usw.?


    Aber noch wichtiger ist die Frage, wie wir queere Menschen das Bodhisattva-Ideal leben können. Aber ich glaube, dass das den Rahmen des Themas hier sprengt.

    Ich möchte Dir nochmal danken, dass Du es so gut auf den Punkt gebracht hast. _()_

    Aber dieser „halben-Ebene“ so eine halb festen Ebene, wo Bedürfnisse, Karma, Interessen, Evolution usw. fließt. Und wie ich beschrieb, alles vermischt, kollidiert mit vielem Zusammen.

    Ich bin nicht kompetent genug um über Ebenen zu sprechen. Aber ich habe es immer so verstanden, dass absolute und konventionelle Ebene identisch sind -- nur kann unser verblendeter Geist es nicht erkennen. Ich meine damit, dass es eine Lehre der Befreiung ist, dass wir uns von polaren Konzepten entfernen und langsam anfangen die "Zwischentöne" erkennen. Damit sind wir von einer Befreiung wahrscheinlich immer noch entfernt, aber die Richtung stimmt. Oder?

    SpektrumRot:
    Frage ich mich ob vermehrte Transsexualität usw. eine Folge davon sein könnte weil, mehr „weibliche“ blödes Wort „Energie“ Einzug erhält als es je zuvor passierte.

    In taoistisch beeinflussten Asien glauben manche, wir seien im Yin-Zeitalter: Frauen sind in der Politik sichtbar und erfolgreich, K-Pop-Bands sind androgyn usw. Wissenschaftlich gesehen stellen wir fest, dass Testosteronlevel in den letzten Jahrzehnten fallen. Nur niemand weiß, warum. Es gibt viele Erklärungsansätze, aber kein Ansatz kann alles erklären. Ebenso glaube ich auch nicht, dass dies eine Erklärung für männliche Homosexualität ist. Es ist alles komplizierter als Hormonlevel.

    Die Frage ist doch, ob dies überhaupt mehr passiert oder ob die Phänomene jetzt das erste Mal seit vielen Jahren einfach sichtbar werden. Vorher war es nur eine Abweichung, die im jüdisch-christlichen Kulturkreis unterdrückt und später pathologisiert wurde. Seit 1969 ist Homosexualität in Deutschland nicht mehr strafbar nach einer beispiellosen staatlichen Verfolgung nach dem zweiten Weltkrieg. Zum ersten Mal erkennen jetzt Menschen, dass sie z.B. nicht-binär sind - vorher hätte man sie in die irgendwo in die Kategorie homosexuell verortet und verächtlich gemacht: "tuntig", "Mann-Weib" usw. Kann es nicht sein, dass die Welt schon immer sehr vielfältig war und die Menschen das einfach nicht begriffen, weil sie sie in einfach Kategorien pressen wollten wie polare Identitäten: "Sünde" vs. "Gottergebenheit "oder eben "Pandaka" vs. "Geschlechts-konform"?

    Im tibetischen Buddhismus gibt es eine Passage, die besagt, dass Menschen, die an eine Tempelwand pinkeln, als Homosexuelle wiedergeboren werden.

    :lol: :lol: :lol: das ist wohl die beste Erklärung

    Ich glaube, dass man dies nicht überbewerten sollte - es ist mit Sicherheit keine zentrale Aussage.

    Aber ich frage mich, wieso Du nach buddhistischen Erklärungen für Homo- und Transsexualität suchst? Darf ich Dich fragen, wieso?

    Ich persönlich interessiere mich nur für Erklärungen, die ich nachvollziehen kann und die mir helfen. Und ich glaube, das erste konnten buddhistische Traditionen nicht leisten. Der Grund ist: Es gibt keine Auseinandersetzung mit Homosexualität, sondern nur mit "Pandaka". Die Traditionen haben in der der Vergangenheit den Fehler gemacht, dass sie "Pandaka" und "Homosexualität" gleichsetzen. Und das ist ein Problem: Die Tradition nimmt also weder einen konkreten Menschen wahr noch sexuelle Orientierung auch auch nicht die moderne homosexuelle Identität, die Gleichberechtigung einfordert. All das wurde ignoriert und durch ein doktrinäre Brille gesehen. Nur wie soll eine Doktrin helfen, wenn sie Realität ignoriert?


    Und damit sind wir beim letzten Problem. Dadurch, dass die Tradition in der Vergangenheit queere Menschen ausgeschlossen hat, gab es auch niemanden, der ihnen erklären konnte, wie sehr sie auf dem Holzweg sind. Damit kann Doktrin gar nicht wahr sein - es ist (mit Verlaub) Papañca.

    Es wurde sehr viel geschrieben, aber vielleicht kann ich ein paar Aspekte hinzufügen.

    Wie geht der Buddhismus mit Homosexualität und Transsexualität um?

    Zuerst muss man sagen, dass in praktisch allen monastischen Traditionen queere Menschen ausgeschlossen wurden. Klar, es gibt immer Einzelfallentscheidungen und queere Menschen haben sich davon auch nicht abhalten zu lassen. Aber die Konsequenz, dass die Sichtweise und Erfahrungen queerer Menschen nicht einflossen. Was für Konsequenzen hat das?

    • Kommentatoren (Tsongkhapa, Vasubandhu, Buddhaghosa...) definierten jede Form von Abweichung gegen sexuelle und geschlechtliche Normen als Verstoß gegen das 3. Sila.
    • In den asiatischen Ländern hat Buddhismus die Funktion der Seelsorge. Das heißt, dass Laien mit allen Nöten und Sorgen zu Monastics kommen. Was soll denn nun ein Mönch oder eine Nonne der Mutter eines schwulen Sohns oder einem Transmann für Ratschläge geben? Woher soll die Kompetenz in solchen Dingen kommen? Wenn die Monastics streng nach der Doktrin antworten würden, dann würden sie sich diskriminierend äußern.
    • Es gibt für queere Buddhist:innen auch keine "Vorbilder", wenn man mal von einigen wenigen queeren Monastics wie z.B. Ven. Kodo Nishimura (Jodo Shu) absieht. Ich finde seine Sichtweise aber extrem wichtig.

    Sprich: Erst seit einiger Zeit (und wahrscheinlich durch gesellschaftliche Diskussionen) beschäftigen sich Buddhist:innen mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Minderheiten:

    • In Taiwan, dem ersten Land Asiens, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubte, hat Ven. Shih Chao-hwei zwei Frauen gesegnet. Sie gilt deswegen aber als "radikal", der buddhistische Mainstream hat sich aus der gesellschaftlichen Diskussion um die Öffnung der Ehe rausgehalten.
    • Mal ein drastisches Beispiel: Ven. Akāliko Bhikkhu bekommt Todesdrohungen, da er sich für queere Menschen einsetzt. Er lässt sich davon aber nicht abschrecken.
    • Westliche Gesellschaften sind nicht so konservativ wie asiatische - und so ist der Buddhismus auch inklusiver. Und es gibt auch Retreats und Bücher speziell für queere Buddhist:innen.
    • Ein schönes Beispiel ist der Shin-Buddhismus - besonders im Westen. Shin-Buddhist:innen haben seit dem 2. Weltkrieg in Nordamerika ihre Tempel für Hochzeiten queerer Menschen geöffnet, auch wenn die Menschen gar nicht Mitglied der Gemeinde waren. Aber das ist die Doktrin der Jodo Shinshu (und auch der Jodo Shu): Buddha Amida hilft allen, die sich ernsthaft an ihn wenden - also wird niemand abgewiesen.

    Was will ich damit sagen? Buddhismus ist immer ein Spiegel der Gesellschaft.

    SpektrumRot:

    Ich würde lieber wissen, was die buddhistische Erklärung ist woher sowas kommt?

    Ich könnte sehr viele Erklärungsansätze zitieren, aber ich beschränke mich auf drei:

    • Seung Sahn sagte einmal, Homosexualität würde daher kommen, dass zwei heterosexuelle Menschen eine starke (karmische) Bindung haben und einer im einem anderen Körper wiedergeboren wurde und ihre Beziehung fortsetzen.
    • Im tibetischen Buddhismus gibt es eine Passage, die besagt, dass Menschen, die an eine Tempelwand pinkeln, als Homosexuelle wiedergeboren werden.
    • Die modernen Reformer des Theravada haben sich in den 70er und 80er Jahren sehr auf das Abidhamma bezogen inkl. Kommentaren, die jede Form von Abweichungen mit "schlechten Karma" erklären. Das muss man auch vor dem historischen Situation (AIDS Krise) sehen: Im Westen wuchs zu der Zeit auch die Diskriminierung schwuler Männer.

    Laut Vinaya wurde der Buddha mit Mönchen und Nonnen konfrontiert, die wir heute transgender nennen würden. Er hörte ihnen zu, urteilte nicht, hielt keinen Vortrag über Anatta, sondern entschied einfach, dass sie in die Sangha des Geschlechts wechseln können, dem sie sich zugehörig sehen. Übrigens: Deswegen können tibetische Monastics laut Vinaya bis zu 3x das Geschlecht wechseln.


    Ich finde das, was der Buddha gemacht hat, am Besten. Ich überlasse es den Wissenschaften, Sexualität und Geschlechtlichkeit zu erklären - und frage mich eher, was ich tun kann, um Leid zu minimieren.


    _()_