Es wurde sehr viel geschrieben, aber vielleicht kann ich ein paar Aspekte hinzufügen.
Wie geht der Buddhismus mit Homosexualität und Transsexualität um?
Zuerst muss man sagen, dass in praktisch allen monastischen Traditionen queere Menschen ausgeschlossen wurden. Klar, es gibt immer Einzelfallentscheidungen und queere Menschen haben sich davon auch nicht abhalten zu lassen. Aber die Konsequenz, dass die Sichtweise und Erfahrungen queerer Menschen nicht einflossen. Was für Konsequenzen hat das?
- Kommentatoren (Tsongkhapa, Vasubandhu, Buddhaghosa...) definierten jede Form von Abweichung gegen sexuelle und geschlechtliche Normen als Verstoß gegen das 3. Sila.
- In den asiatischen Ländern hat Buddhismus die Funktion der Seelsorge. Das heißt, dass Laien mit allen Nöten und Sorgen zu Monastics kommen. Was soll denn nun ein Mönch oder eine Nonne der Mutter eines schwulen Sohns oder einem Transmann für Ratschläge geben? Woher soll die Kompetenz in solchen Dingen kommen? Wenn die Monastics streng nach der Doktrin antworten würden, dann würden sie sich diskriminierend äußern.
- Es gibt für queere Buddhist:innen auch keine "Vorbilder", wenn man mal von einigen wenigen queeren Monastics wie z.B. Ven. Kodo Nishimura (Jodo Shu) absieht. Ich finde seine Sichtweise aber extrem wichtig.
Sprich: Erst seit einiger Zeit (und wahrscheinlich durch gesellschaftliche Diskussionen) beschäftigen sich Buddhist:innen mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Minderheiten:
- In Taiwan, dem ersten Land Asiens, das die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubte, hat Ven. Shih
Chao-hwei zwei Frauen gesegnet. Sie gilt deswegen aber als "radikal", der buddhistische Mainstream hat sich aus der gesellschaftlichen Diskussion um die Öffnung der Ehe rausgehalten.
- Mal ein drastisches Beispiel: Ven. Akāliko Bhikkhu bekommt Todesdrohungen, da er sich für queere Menschen einsetzt. Er lässt sich davon aber nicht abschrecken.
- Westliche Gesellschaften sind nicht so konservativ wie asiatische - und so ist der Buddhismus auch inklusiver. Und es gibt auch Retreats und Bücher speziell für queere Buddhist:innen.
- Ein schönes Beispiel ist der Shin-Buddhismus - besonders im Westen. Shin-Buddhist:innen haben seit dem 2. Weltkrieg in Nordamerika ihre Tempel für Hochzeiten queerer Menschen geöffnet, auch wenn die Menschen gar nicht Mitglied der Gemeinde waren. Aber das ist die Doktrin der Jodo Shinshu (und auch der Jodo Shu): Buddha Amida hilft allen, die sich ernsthaft an ihn wenden - also wird niemand abgewiesen.
Was will ich damit sagen? Buddhismus ist immer ein Spiegel der Gesellschaft.
SpektrumRot:
Ich würde lieber wissen, was die buddhistische Erklärung ist woher sowas kommt?
Ich könnte sehr viele Erklärungsansätze zitieren, aber ich beschränke mich auf drei:
- Seung Sahn sagte einmal, Homosexualität würde daher kommen, dass zwei heterosexuelle Menschen eine starke (karmische) Bindung haben und einer im einem anderen Körper wiedergeboren wurde und ihre Beziehung fortsetzen.
- Im tibetischen Buddhismus gibt es eine Passage, die besagt, dass Menschen, die an eine Tempelwand pinkeln, als Homosexuelle wiedergeboren werden.
- Die modernen Reformer des Theravada haben sich in den 70er und 80er Jahren sehr auf das Abidhamma bezogen inkl. Kommentaren, die jede Form von Abweichungen mit "schlechten Karma" erklären. Das muss man auch vor dem historischen Situation (AIDS Krise) sehen: Im Westen wuchs zu der Zeit auch die Diskriminierung schwuler Männer.
Laut Vinaya wurde der Buddha mit Mönchen und Nonnen konfrontiert, die wir heute transgender nennen würden. Er hörte ihnen zu, urteilte nicht, hielt keinen Vortrag über Anatta, sondern entschied einfach, dass sie in die Sangha des Geschlechts wechseln können, dem sie sich zugehörig sehen. Übrigens: Deswegen können tibetische Monastics laut Vinaya bis zu 3x das Geschlecht wechseln.
Ich finde das, was der Buddha gemacht hat, am Besten. Ich überlasse es den Wissenschaften, Sexualität und Geschlechtlichkeit zu erklären - und frage mich eher, was ich tun kann, um Leid zu minimieren.