Beiträge von Zrebna im Thema „Zen und Philosophie-Studium - passt das zusammen oder ein Widerspruch?“

    Mir noch nicht klar ersichtlich, wo sich Philosophie mit Zen widerspricht. Man studiert ja nur Philosophie und muss keine Konzepte übernehmen. Wenn es unheilsame Konzepte sind, die gelehrt werden, sollte man aber schon davon Abstand nehmen, von sowas habe ich aber noch nicht gehört, vielleicht gibt es die in der Philosophie. Im Studium kann man sich aber glaube ich schon freier auswählen, welche Themen man nimmt. Zumindest in der Abschlussarbeit, da kann man ja dann auch eventuell über Zen-Philosophie schreiben.


    Am besten probierst du es einfach mal aus, kann man ja immer noch abbrechen.

    Genau, also es muss sich ja nicht widersprechen und könnte einander bereichern - aber gewisse "Fallstricke" und Herausforderungen gibt es meiner Meinung nach schon. Gerade weil man eben mit einer Fülle von Konzepten und Vorstellungen konfrontiert wird, will man sich in diesen nicht verlieren und eben Maß halten.
    Das gesagt, ich denke auch, dass es ein Philosophiestudium eine gute Ergänzung sein kann, sofern man die, in dem Thread aufgeführten, Herausforderungen meistert.

    Ich kann es nachvollziehen, dass Ludwig Wittgenstein vor der Philosophie floh und zunächst als Volksschullehrer arbeitete und dann sogar als Gärtner der im Schuppen schlief:

    Die Arbeit als Gärtner rahmte nicht nur chronologisch, sondern auch psychologisch gesehen Wittgensteins Zeit als Volksschullehrer ein. Von der einfachen körperlichen Arbeit erhoffte er sich eine therapeutische Wirkung – was er vor und nach seiner Lehrtätigkeit bitter nötig hatte. Nach Abschluss der Lehrerbildungsanstalt ging er daher im Sommer 1920 als Gärtner ins Stift Klosterneuburg bei Wien. Im August schrieb er von dort an seinen Freund Paul Engelmann: „Die Gartenarbeit war gewiß das Vernünftigste, was ich in den Ferien habe machen können. Wenn die Arbeit am Abend getan ist, so bin ich müde und fühle mich dann nicht unglücklich

    Ich glaube es ist ein Unterschied, ob man den ganzen Tag denkt, oder ob man gärtnert.

    Das kann ich auch gut nachvollziehen. Hesse hat ja auch mal gesagt:


    Zitat
    Die meisten Menschen wollen nicht eher schwimmen, als bis sie es können. Ist das nicht witzig? Natürlich wollen sie nicht schwimmen! Sie sind ja für den Boden geboren, nicht für´s Wasser. Und natürlich wollen sie nicht denken; sie sind ja für´s Leben geschaffen, nicht für´s Denken! Ja, und wer denkt, wer das Denken zur Hauptsache macht, der kann es darin zwar weit bringen, aber er hat doch eben den Boden mit dem Wasser vertauscht, und einmal wird er ersaufen.

    Jedoch glaube ich, dass es eben schon einen gewaltigen Unterschied gibt das intellektuelle Denken exzessiv zu betreiben, wie es sicher bei Wittgenstein der Fall gewesen ist, oder eben in Maßen so ein bisschen nebenbei.

    Im Exzess wird aber Vieles, z.b. auch das Körperliche zum "Raub".
    Etwas Sport nebenbei oder leichte körperliche Tätigkeiten sind in mancher Hinsicht förderlich, dagegen stellen langfristig Leistungssport und schwere körperliche Berufe "Raub" am Körper dar und werden zu Problemen führen.

    Ich glaube, allmählich, dass die Eingangsfragestellung des Threads ("verträgt sich Philosophie mit Zen") am Ende wohl auch auf eine Frage des Maßes und der Dosis hinauslaufen könnte.

    Wenn es also darum geht mit einem unverfälschten Anfängergeist an die Sache heranzugehen, dann kann ja eine breite Bildung genau dazu führen, dass man in seinem Kopf Kategorien hat, in die man das einordnen kann, und einem so das unmittelbare Staunen und die Verduztheit verwehrt bleibt.

    Ich denke der Kopf ist auch so ohnehin immer voller Konzepte und die Herausforderung beim Zazen besteht darin, trotzdem und immer wieder zu einem Anfängergeist zu kommen. Insofern sehe ich ein Studium der Philosophie, westliche oder östliche nicht als Hindernis sondern als Ergänzung. Sich das Studium der Philosophie zu versagen, weil man dem Zen folgen will, wäre für mich der falsche Ansatz.

    Das habe ich mir auch gedacht, als ich deinen Post void gelesen habe.

    Da ist zwar viel dran keine Frage. Aber als Mensch entkommt man im Laufe seines Lebens dem sechsten Sinn, also dem Kopf eben nicht.
    Intuitiv habe ich mir dann gedacht, dass wenn man eh schon quasi an Vorstellungen und Konzepten nicht drum herumkommt, dann doch lieber das "kleinere Übel" an Vorstellungen und Konzepten. Und hier scheinen mir die Vorstellungen, Ideen und Konzepte klassischer Philosophie auf jeden Fall im Schnitt "das kleinere Übel" zu sein, im Vergleich zum Beispiel zu unseren heutigen Medien (incl. digitaler und sozialer Medien) mit deren "Meinungsmache".
    Erinnert mich an diese Stelle von Suddhana's obigem Post:
    Es gibt schädlichere Arten, die verbleibenden Stunden des Tages zu füllen.


    Hier könnte man dann im Weiterem eben genau dies als Herausforderung begreifen und annehmen. Also zu üben auch sicher teils interessante Vorstellungen der Philosophie immer wieder (ein Stück weit) loszulassen, wenn man merkt, dass man sich hineinsteigert oder die Anhaftung groß wird.


    Wie aber schon vorher gesagt, ich teile deine ( void) Befürchtungen zu 100%, denn sonst hätte ich ja den Thread nicht gestartet. Ich glaube aber intuitiv, dass Zen und Philosophie sich trotzdem gut ergänzen könnten, solange man eben der Philosophie keine große Bedeutung beimisst und das eher distanziert betrachtet.
    Außerdem erscheint es mir halt, dass es zumindest vergleichsweise ein förderlicherer Zeitvertreib (auch auf dem persönlichen Zen-Weg) ist, als so viele Alternativen.
    Klar, das Beste wäre wohl, die extra Zeit in formale Zen-Praxis oder z.B. auch in achtsam ausgeübten Sport (nochmal zusätzlich zu dem täglichen Pensum der Zen-Praxis, die man eh schon täglich absolviert) zu stecken.
    Aber der Mensch ist schwach... :grinsen:

    Ja, sehe da ganz genau dieselben Gefahren und Herausforderungen.

    Helfen, um diesen "Fallen" nicht zu erliegen, könnte bei mir persönlich eine Art Unabhängigkeit, langsames Studieren und Distanz sein.
    Damit meine ich, dass ich eigentlich für den "Broterwerb" Informatik studiert habe und in der Softwareentwicklung arbeite, was mir auch Spaß macht und ein cooler Job ist.

    Falls ich mich wirklich dazu entschließen würde, Philosophie zu studieren, dann würde das an der Fernuni Hagen (M.A. Philosophie – Philosophie im europäischen Kontext) in sehr langsamer Teilzeit als Hobby geschehen (gibt keine Höchststudiendauer und kostet quasi fast nichts, da einzige staatliche Fernuniversität in Deutschland).
    Das heißt auch, dass ich damit keine externen Ziele verfolge, also jetzt nicht plane da irgendwas beruflich in die Richtung zu machen.
    Das heißt, dass wenn ich merke, dass ich da quasi zu viel Anhaftung entwickle, mich reinsteigere, o.ä., dann kann ich es auch jederzeit wieder sein lassen.

    Generell sehe ich aber dieselben Gefahren und potenziell Probleme wie du, als auch die potenziellen Chancen, die Sudhana und auch du genannt haben - wichtig wird auf jeden Fall sein, ehrlich zu beobachten, ob ich mich dann da reinsteigere, etc... und ggf. dann eben es wieder sein zu lassen...

    Vielen Dank Sudhana für deinen weiteren sehr hilfreichen Post.

    Ich hätte es rein instinktiv "aufs Geratewohl" genauso gesehen wie du.
    Das heißt, solange die Zen-Praxis im Vordergrund steht und bleibt, und man die "intellektuelle Übung" nur "leicht hält" (weder übertreibt noch zu viel Bedeutung beimisst), sollte so ein akademisches Philosophiestudium wohl der Zen-Praxis zumindest schon mal nicht schaden - im besten Fall erkennt man evtl. sogar paar interessante Wechselbeziehungen oder wie du sagst, man versteht eher, warum es einem zum Zen-Weg oder einfach zu "mehr verstehen wollen" hinzieht.

    Auch vielen Dank für die Lektüreempfehlungen :)

    Heinrich Lethe, ZEN und die großen Fragen der Philosophie.


    Kann ich empfehlen.

    Auf welche Philosophen bezieht sich der Autor in der Gegenüberstellung?

    Geht er z.B. auf die Philosophie Heideggers oder später dann auch Sartres ein?
    Das heißt, auf eher "neuere" (19tes Jahrhundert bis heute) Philosophien, die Gemeinsamkeiten zum Zen und insbesondere zum Buddhismus beinhalten, wie z.B. Heidegger's Phänomenologie?
    Oder bezieht er sich auf länger zurückliegende Epochen der Philosophiegeschichte?

    Jedenfalls, Danke schon mal für den Buchtip :)

    Hi!


    Mich würde interessieren, wie erfahrene Zen-Praktizierende die Frage im Titel-Betreff für sich beantworten würden.
    Es geht hier insbesondere darum, ob ein Philosophiestudium im akademischem Sinne (also an der Uni) in unseren Breitengraden für den persönlichen Zen-Weg eher hinderlich ist/sein kann oder gar förderlich ist/sein kann?

    "Hinderlich" z.B. ggf. deswegen, weil Philosophie am Ende doch "nur" wieder hauptsächlich diskursiv über die Ratio abläuft und in Worten limitiert ist.
    Außerdem liefert (westliche) Philosophie einen großen Haufen neuer Konzepte, Meinungen, Vorstellungen, Ideen, etc.


    Auf der anderen Seite haben doch zahlreiche erfahrene Zen-Praktizierende einen akademischen philosophischen Background. Zwar mag ihnen Philosophie nicht die vollständige Erfüllung gebracht haben, aber evtl. hat es doch das Verständnis breiter gemacht und gewisse erste Erkenntnisse geliefert.
    Vielleicht können sich sogar beide, also Zen und Philosophie gegenseitig fördern, solange man gerade Philosophie mit so wenig Anhaftung wie möglich "betreibt" und daraus keine große Sache macht...


    Mich würde einfach mal interessieren, wie dieses Thema in dieser Community gesehen wird, denn in erster Instanz scheinen sich Zen und westliche Philosophie teilweise entgegenzustehen.
    Gerne auch Meinungen und Erfahrungen von Leuten, die im besten Falle Einblicke in beide "Welten" haben.
    Also aktuell oder in der Vergangenheit eine akademische Laufbahn in der Philosophie und aktuell seit vielen Jahren Zen praktizierend.

    Viele Grüße

    Zrebna