Danke Igor07
Hendrik
Und da wünsche ich mir auch eine differenzierte Angabe darüber was Religionswissenschaftler erklären.
So ist es mehr eine Vereinnahmung des Namens 'Religionswissenschaftler' und der Versuch der eigenen Meinung damit Nachdruck zu verleihen. Wissenschaftlich also seriös ist das nicht.
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Das hatte ich bereits getan. Schau den dritten oder vierten Post von mit in diesem Thread.
Wenn Du dazu noch etwas lesen möchtest, dann gern das hier - vieles davon stammt von Prof. Zimmerman, Zentrum für Buddhismuskunde an der Uni Hamburg, mit dem ich mich kürzlich, ich glaube es war Anfang des Jahres, unterhalten habe:
Es gibt bereits eine Lücke zwischen der Aufnahme einer mündlichen Überlieferungstradition und dem tatsächlichen Geschehen. Buddha soll immerhin 40 Jahre lang gelehrt haben und er habe in Opposition zu den Brahmanen nicht gewollt, dass seine Lehren aufgeschrieben werden. In so einer Lücke kann viel verloren gehen.
Erst nach seinem Tode habe sein Schüler Ananda auf dem ersten Konzil alle Lehrreden des Buddha aus 40 Jahren auswendig hersagen können, so der Gründungsmythos. Aus 40 Jahren(!) Auswendig (!). Daraus sei der Kanon entstanden. Das weckt in mir Zweifel. Wer kann denn sowas? War Ananda zufällig ein hochbegabter Asperger-Autist? Da haben wir aber Glück gehabt!
Ananda habe dann beim ersten Konzil die Lehrreden hergesagt, so dass andere Mönche sie ebenfalls auswendig lernen konnten. Ob es das erste Konzil überhaupt gegeben hat, weiß niemand. Meines Wissens ist erst das Konzil unter Ashoka (253 oder 250 v.u.Z.) historisch gesichert. Möglicherweise ist diese ganze Geschichte erst im Nachinein zusammengezimmert, um die Authentizität der Texte zu belegen.
40 Jahre lang Lehre kann auch bedeuten, dass Buddha in den 30igern, als junger Asket, etwas anderes gelehrt hat, als als Greis. Zumal er sich wohl auch immer wieder an Streitgesprächen mit anderen Gruppen und Gurus beteiligt hat. Wenn man da nichts dazu lernt, wäre das ja traurig. Was ist in diesem Szenario dann authentisches Buddhawort? Das des jungen Asketen oder das des greisen erfahrenen Religionsgründers? Wird sich nach 40 Jahren überhaupt noch jemand an die Lehren des jungen Buddha erinnern und nicht doch ausschließlich an die letzten Lehren des greisen, etablierten Buddha (...außer vielleicht Ananda-Superhirn)?
Buddha hat wohl in einem altindischen Dialekt gesprochen. Bis zur schriftlichen Fixierung musste es mindestens zwei Übersetzungsszenarien gegeben haben: Vom Ursprungsdialekt in einen uns unbekannten Dialekt und dann in Pali (lt. dem Linguisten Oskar von Hinüber). Bei so einem Szenario müssen wir mit deutlichen Bedeutungsverschiebungen vieler zentraler Begriffe aus der Ursprungslehre rechnen.
Die Texte wurden etwa 20 Generationen mündlich überliefert, 20! Wenn sich da an den Texten nicht irgendwas verändert hat, würde mich das doch sehr wundern. Zumal es meines Wissens ganz zu Anfang im frühesten Buddhismus noch keine Klosterinfrastruktur gab, die institutionalisiert eine authentische Übertragungstradition hätte sicherstellen können. Wir können nicht sagen, ob es eine kontrollierte Überlieferungstradition gab, oder jeder halt das weitererzählt hat, wie er meinte, das es richtig sei. Man kann an vielen Texten sogar zeigen, dass es verschiedene Versionen und Entwicklungsstufen gibt. Ein Beispiel: Frauwallner, glaube ich, war es, der schrieb, dass die Lehre von den 12 Gliedern des bedingten Entstehens auf zwei verschiedene Versionen zurückgeht, eine 5-gliedrige und eine 7-gliedrige. Die hat irgendwann halt mal irgendjemand zusammengefasst und als authentisches Buddhawort verkauft. Auch die Vier Edlen Wahrheiten gelten bei einigen Buddhologen als komponiert und nie in dieser Form von Buddha gelehrt.
400 oder 500 Jahre dauerte es bis zu den ersten Texten. Versetzen wir uns heute so weit zurück, wären wir im 15. Jahrhundert. Das wäre, als hätten wir uns bis heute die Abenteuer eines Martin Luther lediglich erzählt, bis gestern dann plötzlich jemand auf die Idee gekommen ist, die mal anzufangen aufzuschreiben. Liest man heute alte Kirchenbücher aus dem 17. Jahrhundert, sind die schon fast unverständlich. Wenn man sie verstehen will, muss man eine umfassende Interpretationsarbeit leisten. Wird man alles so rekonstruieren können, wie es mal gemeint war?
Durch die späte Fixierung der Pali-Schriften, muss davon ausgegangen werden, dass sie nicht nur die Lehren einer Schule enthalten, sondern von vielen frühen Gruppen, die das Buddhawort in ihrer eigenen Weise, zum Teil sich widersprechend, interpretiert haben. So finden wir im Palikanon viele historische Schichten nebeneinander – sogar einzelne Sutten können aus mehreren Überlieferungschichten unterschiedlicher früher Traditionen bestehen. Wer will entscheiden, was davon authentisches Buddhawort ist und was nicht? Welche Gruppe hatte in ihrer Interpretation recht?
Religionsgeschichte ist immer auch Mentalitätsgeschichte. Man kann nach 2.500 Jahren schlicht nicht mehr sagen, was genau gemeint war. Ein Beispiel dazu: Während der deutsche Kulturkreis explizit ist, d.h., bei uns gilt es als notwendig, die Dinge auszusprechen, möglichst konkret zu benennen, wie sie sind, sind andere Kulturen implizit, "kontextreich" nennt man das. Da werden die wichtigen Informationen zwischen den Zeilen transportiert. Das ist im Zusammenhang von rein müdlicher Kommunikation, mündlicher Lehre, wie sie Buddha zugeschrieben wird, besonders wichtig. Hier transportieren Gestik, Mimik und Tonfall die Botschaft mindestens mit. Auf die Frage, "Geht es Dir gut?" Kann man immer antworten, "Ja, danke, sehr gut!". Durch die Betonung der Worte und andere, nonverbale, Zeichen, kann aber das genaue Gegenteil gemeint sein und der Gesprächspartner der selben Kultur weiß dies zu deuten. Ein Kulturfremder aber nicht. Schreibt man das dann auf, bleiben alle möglichen Bedeutungsnuancen auf der Strecke. Du kannst nur die explizite Bedeutungsebene aufzeichnen.
Manchen Buddhologen gelten die Palitexte als rein hagiografisch, d.h. als den Religionsgründer verherrlichend. Johannes Bronkhorst meint, dass die Palitexte nicht Buddhawort seien, aber Buddhawort enthalten. Wer will da entscheiden, was authentisches Buddhwort in einer Sutta sein könnte und was Hagiografie?