Das erinnert mich an ein Seminar im Kamalashila-Institut, welches einen bestimmten Teil des Ngöndro beinhaltete.
Wie sich nachher herausstellte, litt einer der Teilnehmer augenscheinlich an Tourette-Syndrom Tourette-Syndrom – Wikipedia , mehr brauche ich dazu nicht zu erklären. Jedenfalls entsprach sein Verhalten ungefähr dem, wie bei Wikip. beschrieben. der Teilnehmer war offensichtlich von seinem Neurologen darauf geschult, was er machen muss, wenn ein "Anfall" aufkommt: er machte dann so rhythmische Bewegungen mit den Armen/Händen. Das irritierte zunächst die anderen Teilnehmer, wurde aber akzeptiert. Ich hatte es nach Hörensagen auch so verstanden, dass er von seinem Neurologen eine schriftliche Erlaubnis erhalten hatte, an dem Kursus teilzunehmen.
Nun war aber dieser Teilnehmer, wie wir alle, auch zum Küchendienst eingeteilt. Und in dieser Küche war eine ehrenamtliche Mitarbeiterin tätig, um den Ablauf des Abwaschs usw. zu überwachen und evtl. einzugreifen. Sie kommt schon ein paar Jahre zum Kamalashila-Institut als ehrenamtliche Helferin und ist älteren Semesters, ungefähr Mitte Siebzig. So, wie ich sie kenne, ist sie ein Mensch von eher grobschlächtiger Natur und wenig einfühlsam.
Nun war es so weit und der besagte Teilnehmer war zum Küchendienst dran, während ich noch, am Ende der Mahlzeit, doch die Allgemeinheit schon im Aufbruch begriffen, etwas länger bei Tisch saß, da ich noch mit Anderen im Gespräch war. Der Küchendienst-Teilnehmer aber befand sich zu dem Zeitpunkt schon in der Abwasch-Küche.
Plötzlich ein furchtbares Gepolter und Gebrüll vonseiten der Ehrenamtlichen! Es schallte bedrohlich laut aus der Küche bis in den Speiseraum. Vor Schreck fuhren wir zusammen. Mit furchtbar bösen und beleidigenden Worten warf die Ehrenamtliche den armen Teilnehmer aus der Küche und schimpfte laut, dass er sich nie wieder dort blicken lassen dürfe.
Ich habe keine Ahnung, was passiert war. Absolut keine Ahnung!
Der arme Teilnehmer tat mir unsäglich Leid. Diese Krankheit, für die er nichts konnte, und dann seine Einsamkeit und Verletzung, die daraus resultiert. Noch weniger kann ich verstehen, dass die Ehrenamtliche auch an dem Kursus teilnahm (Ehrenamtliche dürfen immer kostenlos an Kursen teilnehmen). Dadurch hatte sie den besagten Teilnehmer schon eine ganze Weile beobachten können, und falls er sich in der Spülküche schräg verhalten hatte, hätte sie das doch zuordnen können!
Am nächsten Tag saß ich mit dem leitenden Lama beim Frühstück. Weil er weiß, dass ich einen medizinischen Beruf habe, fragte er mich, was mit dem Teilnehmer denn los sei und welche Krankheit er habe. Der Lama hatte absolut keine Ahnung vom Tourette-Syndrom. Ich erklärte es. Aber ich bin überzeugt (aus Erfahrung), dass der Lama die Ehrenamtliche ganz sicher nicht beiseite genommen und ihr die Leviten gelesen hat. Da ist dann vielleicht wieder so eine Scheu da, dass sie darauf ihr Ehrenamt aufgeben könnte. Das Ganze hing also wie eine riesige Frage im Raum und keiner sprach es mehr an. Diese Atmosphäre fand ich bedrückend.
Leider sind die Lamas überhaupt nicht auf Psychologie und neurologische Störungen geschult, sie haben da keinen blassen Schimmer. Obwohl es heißt, dass sie in ihrer modernen Ausbildung doch das Fach Psychologie absolvieren müssen. Fragt sich nur wie, und mit welchen Inhalten. Jedenfalls wahrscheinlich so, dass es keinesfalls - bei Zwischenfällen - ausreicht.
Aber auch der persönliche Neurologe des Teilnehmers, der ihm schriftlich die Erlaubnis zur Teilnahme gegeben hat, scheint keinen blassen Schimmer zu haben.
Das Ganze liegt jetzt vielleicht 5 Jahre zurück, genau weiß ich es nicht mehr. Und ich muss noch oft daran denken und es macht mich sehr traurig.
Verdrängung scheint an der Tagesordnung zu sein, egal ob es sich um sexuellen Missbrauch oder um den Umgang mit neurologisch Erkrankten handelt.