Beiträge von Sudhana im Thema „Achtsames Gehen/ Gehmeditation“

    Das Gehirn ist eine Holografie, aber keine digitale.

    Nun - ich finde, zumindest den Unterschied zwischen Sitzmeditation und Gehmeditation ziemlich digital: zazen = 0 / kinhin = 1. Oder Ruhe (jetzt nicht im schlafmützigen sondern physikalischen Sinn) / Bewegung. Weswegen man beim kinhin darauf achtet, dass die Bewegung des Herz/Geist (shinjin 身心) linear horizontal ausgeführt wird. Also kein unnötiges auf und ab (wenn es denn schon sein muss, wenigstens eine saubere Sinuswelle), sondern lediglich das rhythmische Pulsieren des Tempos, der wechselnden Gewichtsbelastung der Beine beim Gehen folgend. Das ist, um Menzan zu paraphrasieren, Würdigung "der Tugend des Ortes" durch Bewegung in ihm.


    Man sollte mE vorsichtig sein mit der Entscheidung, sich formal freierer Übung zu widmen - die verliert dann leicht ihren Übungscharakter. Da empfiehlt sich zumindest regelmäßige Überprüfung / Supervision. Wird die Übung reduziert - etwa auf die digitalen Zustände 'Ruhe' und 'Bewegung' - wird die Form / das Prinzip von Ruhe und Bewegung deutlich. Das wirkt dann auch in den sog. Alltag hinein - wie der kühlende Schatten des Feigenbaums.

    Achtsames Gehen und Gehmeditation sind meiner Meinung nach so ziemlich das Gleiche. Und der Unterschied liegt vielleicht darin inwieweit man im Alltag achtsam geht oder es als formelle Meditation praktiziert wie das Kinhin im Zen.

    Wobei ich bestreite, dass sich kinhin nach dem Schema formal / nicht formal in eine Kategorie 'Achtsames Gehen' bzw. 'Gehmeditation' sinnvoll einordnen lässt. Zweifellos ist kinhin ausgesprochen formal (die Feinheiten der Form erlernt man mit der Zeit durch Übung), aber bekanntlich ist Form Leere und Leere Form. Und das gilt für die Form 'kinhin' wie für die Form 'zazen'.


    Zitat

    Buddha sprach: "Zuerst sitze ich am Übungsplatz, betrachte in Kontemplation den Baum und übe kinhin aus." Dies ist eindeutig der Ursprung von kinhin, als Teil der Sitzmeditation. Dieser Weg von kinhin wurde überliefert von der Zeit Tiantong Rujings [Jap. Tendō Nyojō] zu unserem ersten Vorfahren [Eihei Dōgen], von Angesicht zu Angesicht, vor fast einem halben Jahrtausend.

    So beginnt Menzans kinhinki, ein Leitfaden für die Übung von kinhin. Im kinhinkimonge, Menzans Autokommentar, steht zu dieser Stelle Folgendes:

    Zitat

    Der Buddha sagte: "Zuerst sitze ich auf dem Übungsplatz, kontempliere den Baum und übe kinhin aus." Dies sind zwei Verse aus dem Kapitel "Zweckmäßige Mittel" des Lotus-Sutra [Upāyakauśalya, das 2. Kapitel]. Im Kommentar [dem Miaofa lianhua jing wenju von Zhiyi, T.1718] heißt es, der Hauptgrund für das "Zuerst sitze ich auf dem Übungsplatz" sei, dass es sich um ein informelles Ereignis handle, nicht um eine bestimmte Zeit, und dass es vordringlich der Unterweisung der Menschen diente. "Übungsplatz" wird so übersetzt, weil er beim ersten Mal, als er an diesem Ort übte, den Weg erlangte. Er saß unter diesem Baum und erlangte das Erwachen, deshalb wird er der Baum des Erwachens genannt. Er erkannte den Einfluss des Baumes an und betrachtete ihn daher achtsam. Er war sich der Tugend des Ortes bewusst, und so übte er kinhin aus.


    Es gibt im Grunde keine Trennung zwischen dem Baum und dem Ort, aber man muss ihre Ursprünge respektieren. Wie es in der wunderbaren Lehre heißt: "Die Ursprünge zu respektieren bedeutet, die Menschen zu lehren und den Dharma zu übertragen.'' Die Betrachtung des Geistes ist wie der große Baumstamm der zwölf Bedingungen* des Baumes. Wenn man das bedingte Entstehen tief betrachtet, wird man auf natürliche Weise Erwachen erlangen. Es wird Kontemplation des Baumes genannt, weil er den Wunsch hatte, den Menschen mit der Lehre des Erwachens zu nützen wie der Schatten, den der Baum wirft. Kinhin gehört zu den Praktiken des Großen Fahrzeugs, es ist die Geh-Praxis, und man nimmt diese Art der Praxis ganz natürlich an. Der Ort, an dem man sie ausübt, ist dort, wo man den Buddha-Weg erlangt. Diese Praxis wird aus dem Wunsch heraus geübt, Menschen zu retten.


    *die 12 Faktoren (nidāna) bedingten Entstehens (pratītya-samutpāda).

    Ich hatte meinen Dharmavorfahren Menzan, glaube ich, das letzte Mal vor ziemlich genau vier Jahren zitiert, damals das kinhinki:

    https://www.buddhaland.de/forum/thread/18994-vertiefung

    Der Thread ist zwar nicht gerade Anfängerniveau (wie, so unterstelle ich mir mal, auch dieses Posting) aber mE lesenswert und mit 45 Postings auch nicht zu lang. Wie hoffentlich auch dieses hier. _()_