Beiträge von Bebop im Thema „Antai Ji und die Toten Hirsche oder „muss ein Mensch überhaupt so lange leben““

    Und Satori hat mir die Angst vor dem Sterben genommen, und mich den Universum an sich wieder mehr begegnen lassen.

    Das ist mir zu hoch gegriffen. Du kannst das nicht wissen, aber ich höre das oft. Da man m.E. nur einmal stirbt, wird man erst in diesem Moment erfahren, ob man Angst hat oder nicht. Auch wenn ich diese Angst selbst für störend halte, finde ich sie natürlich und frage mich, weshalb darum so viel Tamtam gemacht wird. Ich habe auch andere Ängste, durch die ich manchmal durch muss (ich erwähnte hier mal Turbulenzen im Flugzeug). Solange die nicht einen Herzinfarkt verursachen (was beim Sterben ja eher eine Ironie wäre), sind die aber auch irgendwie tolerierbar. Andere Situationen lassen sich meiden, und wenn das Nachteile bringt, dann vlt. im Sinne von etwas dann nicht haben können. Jedenfalls ist es etwas verwunderlich, dass auch im Zen das coole Sterben so gefeiert wird. Denn der Zennie ist danach ja auch bloß tot wie alle anderen. Nun ja. Ob diesbezüglich der Aufwand im gesunden Verhältnis zum Nutzen steht?


    Was das "Universum an sich" ist, weiß ich nicht. Habe gerade bei Muhos Kanal, der eine Zuschauerfrage in diese Richtung beantwortete, einen entsprechend sarkastischen Kommentar hinterlassen. Klar fühle ich mich den Wesen und der Natur verbunden. Aber nicht anderen Galaxien. Davon hab ich gar keinen rechten Schimmer. Das Universum ist eine große Unbekannte für mich, und zum größten Teil nach meinem Wissensstand nichts, dem ich begegnen möchte, denn es ist kalt und lebensfeindlich.


    Worauf ich raus will ist Folgendes: Natürlich helfen Meditationsmethoden im günstigen Fall, den Kopf klar zu bekommen. Es ist auch anzunehmen, dass sich das eine Zeit lang im Alltag hält. Dann kommen aber Situationen, wo Entscheidungen gefällt werden und unangenehme Dinge getan werden müssen. In der Regel wird sich erst genau DANN die Übung anwenden lassen, eine Vorratskammer an samadhi-Versenkung gibt es aber so wenig wie für Schlaf, und auch wer 10.000 Stunden Zazen gemacht hat, kann in einzelnen Situationen noch danebenhauen, wie wir ja an zahlreichen Beispielen sahen.


    Für mich war die entscheidende Erkenntnis, dass nicht im Zazen selbst, sondern in den jeweiligen Situationen Loslassen und Nicht-Werten zu praktizieren effektiver ist als "auf dem Trockenen". Und ich glaube, dass wir einige Fehltritte von Lehrern genau der Tatsache verdanken, dass sie zu viel auf dem Trockenen (im Zazen) übten und zu wenig im Alltag.

    Weil Du früher oder später ohne ZaZen im Alltag wieder ins Schleudern kommst.

    1) Das bedeutet: Zazen erfüllt üblicherweise einen Zweck.

    Ich stimme da zu, nur wird das von vielen rhetorisch anders dargestellt. Im Grunde wollen sie mittels Zazen ihr Leben so gut wie möglich in den Griff bekommen.


    2) Aber was bedeutet "ins Schleudern kommen"? Was daran ist so bedrohlich, dass jemand meint, Zazen sei nötig, um es zu verhindern?

    Es halten sich doch auch manche Nicht-Buddhisten an buddhistische Tugenden. Es sind auch Nicht-Buddhisten zuweilen unerschütterlich. Wie kann sich ein "Meister" nicht an Macht klammern, wenn er sich "Meister" nennt oder nennen lässt? Was soll "selbstlose Hilfe" sein, wenn sie darin besteht, dass der Meister definiert, was für andere hilfreich ist?


    Meines Erachtens sollte man annehmen, dass "den Weg gehen" - im Sinne des Befolgens von Dogmen des Achtfachen Pfades - nicht reicht, sobald man von Erleuchtung spricht. Ich hörte kürzlich von einer Frau auf Tiktok, die ihre Erfahrungen mit einem Froschgift beschrieb, das momentan in Rede ist (Bufo). Drei Merkmale ihres "Trips" entsprachen den üblichen Schilderungen von Erleuchtungserfahrungen: 1) Der Beobachter (Ego) war weg. 2) Raum und Zeit stellten sich nicht mehr so dar wie zuvor. 3) Insgesamt ist dem Erlebnis mit Worten schwer beizukommen.

    Für mich wesentlich war, dass sie dann darauf verwies, dass ihr Leben nun nicht mehr so sei wie früher und nie mehr so sein könnte. Dieser vierte Punkt geht in Deiner Beschreibung unter, er wurde kürzlich auch von einer Ex-Neo-Advaita-Anhängerin in einem Gespräch auf YouTube mit einem Soto-Lehrer hervorgehoben: Es gäbe keine Erleuchtung, weil diese große Veränderung gar nicht stattfände, das Ganze sei viel banaler.


    Nun stellt sich also die für mich entscheidende Frage, ob diejenigen, die ständig vor Erwartungen von Erleuchtung warnen, tatsächlich nichts weiter als ein allmähliches Verändern (ihrer Körperhaltung, ihrer Gelassenheit usw.) erfahren, oder ob es nicht richtiger wäre zu behaupten, dass da dann noch etwas fehlt, gemäß der Zen-Tradition. Man könnte immer noch der Ansicht sein, dass diese Tradition dann vlt. aus einer großen Lüge besteht - wie offenbar diese Ex-Advaiterin. Was aber, wenn nicht?


    Und so verstehe ich Dogen: Zazen ist ein Koan. Wenn das Koan durchschaut/gelöst/durchgekaut etc. ist, kann man sich - so man nicht einer Koan-Schulung anhängt, die ein ganzes Leben das immergleiche Koan bearbeiten möchte - einem anderen Problem zuwenden. Mit der Reduzierung Dogens meine ich das, was Tenbreul und andere machen: Lebenslanges Sitzen, weil das Koan Zazen nicht aufgelöst werden kann. Sie verwechseln da einfach das entscheidende Erlebnis Dogens in China ("Körper und Geist abgefallen") mit seinem folgenden Berufsleben als Priester - und imitieren den Priester. Und dieser Priester machte dann, alternd, noch so viele komische Bemerkungen, dass er sich im Grunde "nicht mehr daran hielt" und - wie Du schriebst - "nicht mehr erleuchtet war" - denn am Ende erzählte er allen, wie wesentlich ein Klosterdasein sei, und nicht, dass nach dem Abfallen von Körper und Geist zig Optionen für den weiteren Lebensverlauf bestehen, von denen er sich schlicht für eine entschieden hatte, weil er eben auch ein Mensch mit eigenen Vorlieben blieb.

    Deine Idee da einen idyllischen Naturzustand anzunehmen, wo einen der Tod keine Angst gemacht hat, ist eine romantische Idee.

    Ich denke, auch seine Vorstellung von Dôgen ist etwas "romantisch". Der hat sich durchaus bei einigen Gönnern eingeschleimt und versucht, seine Schule durchzusetzen, mit entsprechend geförderten Klöstern. Also mehr "genommen" als nötig. Der hatte Sendungsbewusstsein und hat sich nicht einfach in den Wald verkrochen. Dabei hat er es selbst gesagt:


    „Eine Einsiedelei oder eine einfache Hütte Sôan 草庵 sind die Orte, wo früher herausragende Zen-Meister lebten.“ – Shôbôgenzô Gyôji, 1.

    Mir fällt dazu auch noch Dogens „Halbschöpferkelle“ ein:


    Er hat nur soviel Wasser dem Fluss entnommen, wie er wirklich brauchte und dem Rest dem Fluss zurück gegeben…

    Für mich ist es wesentlich, Dôgen nicht als vollständig erwacht anzusehen. Es gibt ein einfaches Kriterium dafür: seine selektive Kritik an wesentlicher Mahayana- und Chan-Tradition (wie an Vimalakirti, Linji oder bestimmten Lesarten von Huineng) sowie das Erfinden einer Gleichung "Erleuchtung entspricht Zazen", die dann ja bei ausgedehntem Zazen nichts weiter als ein Anhaften an der Erleuchtung "erweist" (wovor er an anderen Stellen warnt). Es fehlte ihm an der völligen Freiheit eines Erwachten, wie sie in einem ähnlichen Bild wie deinem aufgezeigt wird:


    "Je tiefer ein Bergfluss ist, desto länger muss die Schöpfkelle sein."

    Tani-fukakushite-shakuhei-nagashi 溪深杓柄長 (Futo-roku)


    Dies ist freies Handeln jenseits unterscheidenden Denkens. In diesem freien Handeln KANN (muss aber nicht) auch der Hirsch erlegt oder ein langes Leben angestrebt werden.


    Auch Taisen Deshimaru (auch wenn manche ihn „hassen“) macht einen Unterschied zwischen Erwachen und Erleuchtung bzw. sagt das DT Suzuki in „Zen die große Befreiung“ Erwachen und Erleuchtung verwechselt hat.

    Ich hasse ihn nicht. Aber er war im Dogen-Zen. Und was du weiter oben sagst, Erleuchtung sei ein Ereignis mit Folgen, hat Dogen selbst oft genug erwähnt. Die Frage ist, warum manche meinen, ihn auf Zazen verkleinern zu müssen und ob sie dann darunter "nur" Erwachen verstehen. Man kann nicht jahrelang in Dogens Schriften lesen, ohne zu kapieren, dass es ihm auch um Erleuchtung ging.


    Und damit ich ans Thema anschließe - man kann karmische Vergeltung in folgenden Leben und Bodhisattva Gelübde auch so verstehen, dass diese Adepten tatsächlich "überhaupt so lange" wie möglich leben wollen.

    Auch wenn es einen Erleuchteten im Westen geben sollte, wird er mit absoluter Sicherheit nicht erkannt

    Zuletzt hörte man das öfter aus gewissen Kreisen, es gäbe keine Erleuchtung. Ich finde es dann schon besser, davon zu sprechen, es gäbe keine Erleuchteten. Damit klar ist, dass es auch keine "Zen-Meister" gibt. Das behaupten diese Leute aber seltsamerweise nicht. Im Gegenteil, sie bezeichnen sich gegenseitig als "Meister". Früher galten die Zen-Meister jedoch als Menschen, die Erleuchtung erfahren hatten. Auf welche Meisterschaft berufen sich heute also diese "Nichterleuchteten"?


    Man müsste erst mal definieren, was man darunter versteht. Im Zen gibt es eine These der Erleuchtung von Natur aus (hongaku). Demnach wären wir alle erleuchtet. Damit hat letztlich auch Dogen gerungen. Und irgendwie kriegen das einige seiner Adepten nicht auf die Reihe.

    die Tiere werden anscheinend hauptsächlich nur getötet und dann „dem Wald überlassen“.

    Das wäre doof, denn in Japan, vor allem in Okayama, wird hinreichend gern Wild gegessen, die diesbzgl. Küche (jibie) bietet also eine Verdienstquelle, man sollte, was man nicht selbst ist, verkaufen. Der YouTube-Kanal "Abroad in Japan" berichtet gelegentlich über solche kulinarischen Genüsse wie Bärenfleisch etc.


    Tja, die neue Äbtissin hat doch irgendwie einen diabolischen Blick ;) Jedenfalls hier noch einmal ein klassischer Ausdruck aus dem Zen, damit die Illusionen übers Tieretöten flöten gehen : Kisu-zanja歸宗斬蛇 Bezieht sich auf ein Kôan im Gotô-egen, wo ein Meister einem Mönch zeigt, dass das Töten einer Schlange das absolute Wirken/Handeln jenseits von grob und fein ist.


    Es ist ja bekannt, dass damit viele Zennies nicht klarkommen, ganze Bücher verfasst haben über das Versagen der Ethik, weil sie nicht begreifen, dass im "Bereich jenseits des Dualismus" nicht mehr Moralregeln, sondern Einsicht/Weisheit und Versenkung entscheiden, da die Regeln ja immer noch auf dualistischen Ansichten beruhen. Darum ist in diesem Bereich Töten möglich, wenn es nötig erscheint. Und wenn man dadurch seine eigenen Nahrungsgrundlagen schützt und kein friedliches Miteinander möglich ist, ist ein solches Handeln vertretbar.