Hallo Maha , 
vielen Dank für das Ansprechen dieses, wie ich finde, sehr bedeutsamen Themas! 
Ich habe manchmal in den buddhistischen Kreisen hier in unserer Gesellschaft den Eindruck, dass die Motivation zur eigenen Erleuchtung, dem Beenden des Daseinskreislaufs, so im Mittelpunkt steht, dass die aktive Nächstenliebe gar nicht so eine große Rolle spielt.
Mit diesem Eindruck stehst du nicht alleine...
Der Vorwurf des "Egoismus" haftet den Buddhisten im Westen ohnehin schon ein wenig an, Tenor: "Die sitzen da nur auf dem Kissen herum, während andere, z.B. Christen, die Ärmel aufkrempeln, sich organisieren und praktische Hilfe leisten...!"
(Z.B. "Grüne Damen" in Krankenhäusern, Besuche in Altenheimen, bei einsamen, kranken Gemeindemitgliedern, Gründungen von "Tafeln", etc.)
Wenn der Buddhismus seine Glaubwürdigkeit als "friedlichste Religion" mit Schwerpunkt "Mitgefühl für alle Wesen" behalten (und im Westen überleben) will, wäre es m.E. wichtig, nicht länger das Bild zu vermitteln, man "sitze" nur so für sich...
"An ihren "Früchten" werdet ihr sie erkennen.", ein Ausspruch Jesu -Mt 7,16- , der auch auf Buddhisten anwendbar ist...
Den gesprochenen Worten: "Mögen alle Wesen glücklich und zufrieden (frei vom Leid und den Ursachen des Leides) sein." auch entsprechende Taten der Sangha-Mitglieder folgen zu lassen, welche hilfreiche, heilsame Folgen für die "leidenden Wesen" hätten,
wäre eine Option, die möglicherweise auch mehr Menschen motivieren würde, sich für den Buddhismus zu interessieren.
Einige engagierte Buddhisten machen es bereits vor:
Erschöpft sich die tätige Nächstenliebe für uns in einer außerweltlichen Askese und Praxis? Wie seht und erlebt ihr das?
Nach meinem Dafürhalten: Bedauerlicherweise - derzeit - meistens schon, obwohl es auch hier und da positive Beispiele gibt (siehe oben: "Mitgefühl in Aktion")
Viele Menschen, die es zum Buddhismus zieht, sind allerdings, meiner Beobachtung nach, ziemlich stark (körperlich und/oder psychisch) Leidende und versuchen - vernünftiger- und verständlicherweise - zunächst mal, sich selbst zu helfen.
Die Initiative zu mehr wohltätigem Einsatz in der Gesellschaft, müsste daher wohl von den buddhistischen Zentren ausgehen, die u.a. Meditationskurse, Sesshins, usw. anbieten.
Durch die Praxis der meisten buddhist. Schulen, wird allerdings auch liebende Güte und Mitgefühl entwickelt und gefördert, was, beim Einzelnen, sicherlich (fast automatisch) Handlungen der "Nächstenliebe" im Alltag nach sich zieht.
Der Buddhismus bekämpft Gier, Hass und Verblendung. Was aber auch bedeutet dass er Grosszügigkeit, Geduld und Mitgefühl kultivieren kann. Nächstenliebe ist also erstmal eher eine Nebenwirkung.
Genau, aber dabei muss es ja nicht bleiben....
Zitat
...
Asanga wurde von einer heftigen und schier unerträglichen Empfindung des Mitgefühls überwältigt. Er schnitt sich ein Stück seines eigenen Fleisches aus dem Körper und gab es dem Hund zu fressen. .....
Aber während die christliche Nächstenliebe zur Gründung von Krankenhäusern führte, bleibt das ja ein Beispiel von extremen Mitgefühl ohne dass sich daraus eine Asanga Gemeinschaft gebildet hatte, die das Wohl der indischen Straßenhunde verbesserten. Auch hier steht die Verwirklichung des Bodhisattva Ideals im Vordergrund und nicht die Steigerung des Hundewohls in der Welt.
Ehrlich gesagt, erscheint mir diese Geschichte nicht als ein Beispiel für (extremes) Mitgefühl, sondern eher für eine (irrsinnige) Opferbereitschaft, aus der Überwältigung durch MitLEID heraus, die - in der Realität - dem betroffenen Tier nicht wirklich geholfen hätte...
Diese Erzählung/Legende sollte wohl nur demonstrieren, dass selbstloses Aufopern - aus "Liebe"/Mitgefühl - "belohnt" wird? 
Die angestrebte Verwirklichung von hohen Idealen hat ja immer ein leichtes "Geschmäckle" von Narzissmus - das Ziel, einst ein (großer) Boddhisattva zu sein, könnte u.a. Gefühle von Ehrgeiz hervorbringen, die das Ego fördern, anstatt es aufzulösen...
(Teilweise zu beobachtendes, fast verächtliches, Herabschauen von Mahayanas auf die Theravadins, deren Fokus/Ziel zunächst die "eigene" Befreiung ist, mag schon ein Ausdruck davon sein - von "Nächstenliebe" zeugt es jedenfalls nicht gerade...
)
Liebe Grüße
