Beiträge von erbreich im Thema „Wie mit Alter, Krankheit und Tod umgehen?“

    Padma:

    Wer um die Leerheit von Sinneseindrücken bzgl. "schön", "angenehm" oder auch "hässlich" und "unangenehm" weiß, für sind Begriffe wie "Genießen" oder auch "Ekel" nur Ausdruck von Unwissenheit und Verblendung.


    Das theoretische Wissen darum sagt noch gar nichts darüber aus, wo der Mensch steht. Wirklich frei von Sinnenlust und von Ekel an Sinnenobjekten ist erst der Anagami. Und darüber kommt dann immer noch die Lust an (das Begehren nach) feinkörperlichen und unkörperlichen Erlebensbereichen. Auch dort gibt es wiederum Lust und Unlust. So argumentiert müsste festgestellt werden, dass erst der Arahant frei ist von "Geniessen" (in Deinem, nicht in Peters Verständnis). Aber das "Geniessen", wie es Peter definiert (als Freude), dürfte selbst dem Arahant nicht fremd sein. Die feine Freude, ja, Belustigung, des Buddha spricht ebenfalls dafür:

    * hasituppāda citta* wörtl. ‘Das Heiterkeit erzeugende Bewußtsein'.


    So nennt der Abh. S. das als karmisch-unabhängige Funktion (siehe kiriya-citta) bloß im Arahat aufsteigende freudige Geistbewußtseins-Element (manoviññāna-dhātu) der Sinnensphäre (s. Tab. I. 72).


    Es ist hier gemeint der beim Sicherinnern an gewisse merkwürdige Kontraste Lächeln veranlassende Bewußtseinszustand, wie es z.B. in M. 81 heißt »Und der Erhabene bog vom Wege ab, und an einer gewissen Stelle zeigte er ein Lächeln (sitam pātvākāsi) usw.«


    Ich denke, wir sind keineswegs gezwungen, den Begriff "Genuss" mit der Vorstellung des Anhaftens zu verbinden. Vor allem jetzt nicht mehr, da uns Peter sein Verständnis erklärt hat. Über Begriffe Streitgespräche zu entwickeln lohnt sich nicht. Sie sind, wie gerade vorher im andern Thread gesagt, reine Konvention. Hier noch einmal zur Wiederholung:


    Abhidhammattha-Sangaha:


    §211
    Der Begriff, der, aufgrund des Wortgeräusches im Hörbewusstseinsprozess entstanden, das Objekt des unmittelbar darauf aufsteigenden Geisttors bildet, durch das die Bedeutung desselben erkannt wird, dieser Begriff muss betrachtet werden als durch Übereinkunft der Menschen festgelegt.


    Konvention, die Begriffe, nichts anderes. Wir können sie mit Bedeutung füllen wie wir wollen. Sie sind keine Warheiten an sich. Wenn wir uns also verstehen wollen, dann versuchen wir gegenseitig, die Bedeutungen unserer verwendeten Begriffe zu erfassen. Wenn wir dazu keine Bereitschaft haben oder nicht in der Lage sind, dann erübrigen sich auch Gespräche, denn sie hätten, da wir ja schon die Bedeutung der verwendeten Worte nicht verstehen, keinerlei Sinn.


    Peter spricht also von Freude und Dankbarkeit, deren Erleben er als "Genuss" bezeichnet. Kein Problem. Inwieweit er diesem Erleben gegenüber frei ist, nicht angehangen, das lässt sich von uns hier (und schon gar nicht im virtuellen Raum) nicht feststellen. Ist aber auch nicht unsere Aufgabe, sondern seine. Ich denk' mal, ich hab' noch genug zu tun mit meinen eigenen Anhaftungen.


    Gruss, erbreich

    Also. Du kennst schon zwei Denksysteme, eigentlich drei Denksysteme. Hm? Das eine ist das normale Denken. Wenn wir miteinander reden, wie jetzt auf Hochdeutsch oder auch in ‘Schwyzerdütsch’, da hat man hinter der Sprache ein System, das alle kennen und sich darüber einig sind. Hm? Alle haben es, auf der Strasse und an der Uni, das ist gleich. Ein Denksystem. Dann gibt es das Denksystem der Buddha-Lehre, hm? das du gut kennst. Und das ist eben schon etwas Besonderes. Das muss man den anderen erklären. Da sind nicht alle einverstanden. Und das dritte ist das ‘hochtechnische’ Abhidhamma-System. Hm? Das ist so, wie wenn man sich in der Buddha-Lehre über Wasser und Salz unterhalten würde und über H2O und CO oder sowas im Abhidhamma. Also. Und was fällt dir dazu ein? (Ayukusala Thera)


    Na ja, mir fällt dazu ein, dass ich im ersten Denksystem äussere: Ich geniesse jeweils die eineinhalb Stunden die ich mir am Morgen Zeit nehme, bevor ich aus dem Haus gehe. Ich geniesse die Dusche, ich geniesse das Frühstück und ich geniesse die anschliessende Erleichterung bei der Darmentleerung.


    Beim zweiten Denksystem sage ich vielleicht etwa so: Achtsam und wissenklar verbringe ich die eineinhalb Stunden am Morgen, bevor ich aus dem Haus gehe. Achtsam und wissensklar dusche ich, achtsam und wissensklar frühstücke ich und achtsam und wissensklar entleere ich anschliessend meinen Darm.


    Und beim dritten System sage ich beispielsweise: Am Morgen, bevor ich aus dem Haus gehe, nehme ich den zweiten Bewusstseinszustand gemäss Abhidhammattha-Sangaha war, nämlich den freudigen, mit Wissen, vorbereiteten karmisch heilsamen Bewusstseinszustand der Sinnensphäre. Dieser Bewusstseinszustand stirbt jeden Moment um jeden Moment neu geboren zu werden, dies während der eineinhalb Stunden, bevor ich aus dem Haus gehe. Beim Duschen, beim Frühstück und bei der Entleerung von Kot und Urin. Mit diesem Bewusstseinszustand verbunden sind jeweils die 5 primären allgemeinen Geistesformationen und einige der 6 sekundären allgemeinen Geistesformationen sowie alle 25 primären edlen und 3 der sekundären edlen (nämlich die 3 Enthaltsamkeiten) Geistesformationen.


    :lol:


    @ ungläubiger peter


    Geniessen in Deiner Definition von Freude plus Dankbarkeit finde ich etwas Wertvolles und Schönes.
    In diesem Sinne frei von Gewissensunruhe geniessen zu können ist zweifellos nicht nur karmisch unbedenklich, sondern heilsam.


    Nyanaponika schreibt in seinen Betrachtungen zu den vier erhabenen Weilungen (in "Im Lichte des Dhamma"):


    "Nur der Geist des Freude-Erfüllten, nicht des Leid-Verstörten, vermag jene heitere Ruhe zu finden, die zur Sammlung führt. Und nur ein ruhevoller, gesammelter Geist vermag zur erlösenden Weisheit durchzudringen."


    Gruss, erbreich

    ungläubiger peter:

    Ich hätte es wissen müssen, dass ich mit meiner Antwort an stella eine Lawine der Entrüstung lostrete. (Und wenn ich es genau betrachte, dann wollte ich da auch wider den Asketen-Geist sticheln, sonst hätte ich wohl nur eine PN geschrieben.)


    Ich kann jetzt nur von mir her sprechen, ich sehe jedenfalls weder bei mir noch bei andern eine Entrüstung gegenüber Deinen letzten Beiträgen. Jedoch andere Ansichten des Themas als die Deine. Was mich betrifft, habe ich Deine Beschreibung überhaupt nicht in Frage gestellt in meinem Beitrag, sondern ihm nur eine Beschreibung meines eigenen Erlebens zur Seite gestellt. Fühlst Du Dich dadurch persönlich angegriffen oder in Frage gestellt? Allerdings: Wenn es so ist, wie Du sagst, und Du wider den Asketen-Geist (also wider den Geist der 'Übenden') sticheln wolltest, ja, dann lässt sich Deine jetzige Wahrnehmung des Gesprächs einfach erklären. Wie man in den Wald ruft, so hört man es auch zurücktönen... was eine grosse Chance bedeutet, die eigene Haltung zu erkennen...


    Gruss, erbreich

    ungläubiger peter:

    Jetzt sehe ich dieser Tatsache mit Gelassenheit ins Auge und lebe nur noch so, wie ich leben würde, wenn ich wüsste, dass ich morgen sterben muss.


    Wie man die Dinge unterschiedlich erleben kann: So lebte ich mit zwanzig. Ich dachte: No future! Morgen fliegt dieses ganze Ding hier in die Luft und Ende. Also lebe ich. Lebe hier und jetzt, wie ich vermeinte. Und das rechtfertigte jeden Hedonismus und führte mich in verschiedenste Süchte (Alkohol, Drogen, Sexualität). Wenn das Leben so oder so mit dem Tod zu Ende ist und der Tod tatsächlichen jeden Augenblick eintreten kann, warum dann also nicht in Vergnügen, Lustgewinn, Rausch und Betäubung leben? Ist auch ein Form von Ekstase...


    Ich war einundzwanzig, als ich bereits an einem Tiefpunkt meines exzessiven Lebens angelangt war und das Büchlein Buddhismus - Ein Weg der Geistesschulung von meinem späteren Edlen Freund und Dhamma-Lehrer Mirko Frýba (heute Ayukusala Thera) in die Hand gedrückt erhielt. Die Vier Edlen Wahrheiten leuchteten mir auf einen Schlag ein und ich wusste, wenn es einen Ausweg gibt, dann ist es der Edle Achtfache Pfad, nicht der Tod. Der Tod beendet gar nichts, ausser dass er den Abschluss bildet einer einzelnen Szene (oder gar nur einem einzelnen Bild) aus einem nicht enden wollenden kontinuirlich weiterlaufenden Film. Dass die nächste Szene zwar nicht die Wiederholung der vorherigen ist (also keine Ich- oder Substanz-Wiedergeburt) ändert nichts an der Tatsache, dass die vorherige die Bedingungen für die nächste geschaffen hat. Das Ende - der Tod - der einzelnen Szene bringt den Film nicht zum Stoppen. Nur wenn die gesamte Handlung (die "Gestaltungen") des ganzen Films in dieser jetzigen Scene ihren Abschluss findet, nur dann ist mit dem Ende dieser jetzigen Scene auch der Film zu Ende.


    Ich bin jetzt 51 und sehe dem Tod auch (einigermassen) gelassen entgegen. Dies, weil ich das Ende des Films zu erspähen vermag. Aber ich strebe weiter auf dem achtfachen Pfad in der Zuversicht, dass das Ende dieser Scene auch das Ende des ganzen Films sein möge.


    Gruss, erbreich