Ich stimme Ji'un Ken zu! Dem Buddhismus wird deswegen oft vorgeworfen, eine nihilistische Einstellung zu vertreten. Aber wie Ji'un Ken schon schrieb, verlischt ja nichts Reales, kein Ding; es hat nie ein Ich gegeben, es ist die Illusion eines Ichs, die vernichtet wird.
Ajahn Brahm:
Eine sinnlose Frage: Wohin geht das reine Citta?"
Als der Wandermönch Vacchagotta fragte, was nach dem Tod eines Arahat mit dem befreiten Geist geschehe, zog der Buddha zur Antwort den Vergleich mit einem Feuer (MN 72,19). Ein Feuer ist von seinem Brennstoff abhängig. Es ist bedingt. Ist das Brennmaterial aufgebraucht, erlischt (nibutta) das Feuer. Es hat keinen Sinn zu fragen, wohin das Feuer gegangen ist. Ebenso wenig hat es Sinn zu fragen, wohin das befreite Citta geht, wenn der Arahat erloschen ist. Die berühmte Arahat-Bhikkhnu Patacara kam, wie ich weiter oben schon einmal erzählt habe, zu ihrer tiefen, in die Erleuchtung einmündenden Einsicht, als sie eine Öllampe erlöschen sah (Thig 116). Sie erkannte die Wesensgleichheit von Flamme und Citta: Beide entstehen aufgrund von Bedingungen, und wie die Flamme erloschen war, so muss auch Citta erlöschen.
Das befreite Citta, etwas bei einem Arahat, lässt sich mit einer Sternschnuppe vergleichen. Für ungezählte Jahrmillionen hat irgendein kosmischer Eis- oder Gesteinsbrocken seine Runden in unserem Sonnensystem gedreht, mal im Hellen, mal im Dunklen. So haben auch der Bewusstseinsstrom, der Erkennende und der Macher über unzählige Leben ihre Kreise als ein Stück kosmischer Leere im Samsara gezogen und sind mal in lichten, mal in finsteren Welten geboren worden und gestorben. Dann trifft das Stück Eis oder Gestein auf unseren Planeten, tritt in die Atmosphäre ein und verglüht mit gleißendem Licht als Sternschnuppe, für immer ausgelöscht. Genauso trifft das, was wir "Person" nennen, auf den wahren Dhamma, es taucht ein in die tiefe Einsicht, dass der Erkennende und der Macher leer sind, und Citta verglüht in blendendem Strahlen, wohl wissend, dass es bald für immer erlöschen wird.
oder etwas anders formuliert:
Ajahn Brahm:Alles anzeigen
In der Zeit des Buddha wussten selbst einfache Menschen, was Nibbana ist. Es war nämlich auch das Wort, mit dem man das Erlöschen eines Öllämpchens bezeichnete (siehe Ratana-Sutta, Sn 235). Wenn das Öl aufgebraucht oder der Docht zu ende war oder der Wind die Flammenhitze davontrug, sagten die Leute, die Flamma sei "nibbana-t" erloschen. "Nibbana" war um alltäglichen Sprachgebrauch das Wort, mit dem das restlose Aufhören natürlicher Vorgänge umschrieb, sei es einer Flamme oder dieses komplexe Zusammenspiel von Körper und Geist.
Oder eben einer Spieldose der besonderen Art. Irgendwo habe ich erfahren, in den späten Siebzigerjahren sei es in Kalifornien in gewesen, einen Scherzartikel in Gestalt eines kleinen Metallkästchens auf dem Kaffeetisch stehen zu haben. Es war ringsum völlig glatt, nur an der Vorderseite befand sich ein Schalter. Fragte ein Gast, was das sei, wurde er aufgefordert, den Schalter zu betätigen. Kaum war das geschehen, ertönte aus dem Inneren des Kästchens das Summen eines kleinen Elektromotors, gefolgt vom Schnurren und Rasseln irgendeiner Mechanik. Dann hob sich der Deckel, und ein mechanischer Arm kam zum Vorschein. Er streckte sich, langte nach unten und betätigte den Schalter. Daraufhin zog er sich in sein Gehäuse zurück, der Deckel klappte zu, und alles war wieder Still. Der ganze Zweck des Apparätchens bestand also darin, sich selbst abzuschalten. Ich sehe das als ganz wunderbare Metapher des Nibbana.
Diser Prozess, den wir "Körper und Geist" nennen, hat den einzigen Zweck, sich selbst abzuschalten. Und dann herrscht endlich Frieden.
Für die köstliche Treffsicherheit dieser Metapher wird man natürlich nur dann Sinn haben, wenn man die totale Leerheit dieses "Körper und Geist" genannten Prozesses selbst unmittelbar erfahren hat. Dazu bedarf es der tiefen Einsicht, dass weder hier drinnen noch da draußen, noch sonst irgendwo ein Jemand ist. Der Macher (Wille) und der Erkennende (Bewusstsein) sind einfach Naturerscheinungen. Wer bis zum Kern dieser Einsicht vorgedrungen ist, der weiß, dass es überhaupt nichts zu verlieren gibt und nichts da ist, was vernichtet werden müsste oder könnte. Nur wenn so etwas wie eine dauerhafte Wesenheit überhaupt vorhanden wäre, könnten wir das Wort "vernichten" benutzen. Aber für das restlose Ende eines leeren Naturvorgangs verwenden wir das Wort "aufhören" oder "erlöschen". Wenn der leere Naturvorgang von Körper und Geist sein Aufhören erreicht, sprechen wir von Nibbana.
Nur Leid ist da, aber keiner der leidet.
Taten sind da, doch kein Täter.
Nibbana ist, aber keiner, der in es eintritt.
Der Weg ist, doch man sieht keinen Wanderer auf ihm.
(Vsm 16,90)