Beiträge von Klee im Thema „Referat über das Thema Buddhismus und Behinderungen“

    Guten Morgen in die Runde,


    und noch ein paar Morgengedanken von mir:
    mein Eindruck ist auch, dass die Frage nach dem "Warum" in den Hintergrund rückt, je mehr die Behinderung angenommen, akzeptiert und ins Leben integriert wird.
    D.h. je mehr man sich auch (z.B. im Fall bei der Geburt eines behinderten Kindes) vom eigenen Konzept, wie man z.B. seine Familie gerne gehabt hätte (mit gesunden Kindern) ablöst und die "Ist"-Situation realistisch sieht und gelassen ("geschehen lassen") annehmen kann.


    In dem Moment, in dem ich etwas als unabänderlich und gegeben akzeptiere, zerbreche ich mir auch den Kopf nicht mehr, warum "es" passiert ist.
    Allerdings halte ich es auch für wichtig hinzugucken, ob es sich um eine gesunde Akzeptanz handelt oder um Resignation, die zur Lethargie / Depression führen kann.
    Ich habe auch schon erlebt, dass ein Mensch, der resigniert hat, nicht mehr nach dem "Warum" fragt und den Eindruck vermittelt, er habe alles akzeptiert und alles im Griff.
    Stattdessen befindet sich dieser Mensch hinter einer dicken Mauer, an der er festklebt.


    Aber das kann wirklich schwierig sein zu unterscheiden.

    Hallo Lillitschka,


    Zitat

    Also mit "Strafe" hat Karma nun gar nichts zu tun.
    Karma ist Ursache und Wirkung, nichts anderes.


    ja - das kann oft leicht mißverstanden und als "Strafe" aufgefasst werden. Wobei mich das nicht wundert - in unserem Kulturkreis sind ja die im Glauben aufgewachsen, im "Himmel" für gute Taten belohnt und in der "Hölle" für schlechte Taten bestraft zu werden.
    Wir als Buddhisten sehen es als Ursache-Wirkung-Prinzip und da halte ich es für wichtig, dass man sich nicht den Kopf darüber zerbricht, weshalb ein behinderter Mitmensch nun diese Behinderung hat.



    Zitat

    Bei allem worunter wir leiden liegt es an uns, wie wir damit umgehen.


    So empfinde ich es auch.
    Nun bin ich ja nicht nur als (Pflege)mama von dem Thema betroffen, sondern ich arbeite ja auch beruflich bei Familien, die entweder Kinder mit Behinderung haben oder bei denen ein Elternteil von Behinderung betroffen ist.
    Was ich im Laufe der vergangenen Jahre oft mitbekommen habe, sind oftmals große Schuldgefühle bei den Müttern ("Habe ich etwas in der Schwangerschaft falsch gemacht? Warum ist mein Kind behindert?....") .
    Viele Eltern stehen erst mal unter Schock und entwickeln teilweise auch unbegründete Ängste ("Was werden die anderen über uns denken?", "Falle ich jetzt auf?"....).


    Ich versuche dann -auch durch mein Erleben mit meiner Kleinen- zu ermutigen, ganz offen(siv) mit der Behinderung umzugehen. Wobei ich dazu sagen will, dass wir sehr gut darauf vorbereitet waren und auch "nein" hätten sagen können.
    Leibliche Eltern trifft das oft unvorbereitet, umso größer ist der Schock, umso intensiver die Trauerarbeit, dass das Kind nicht das gesunde Kind ist, das man sich ursprünglich gewunschen hatte.


    Wichtig empfinde ich aber, dass man die Eltern unterstützt die Trauer über die Behinderung des Kindes auch erst mal lernt zu akzeptieren ohne das "Dogmatischer-Positivismus"-Brett über den Kopf des Trauernden zu hauen.
    D.h. wenn ich in einer Familie bin, die ganz offensichtlich noch unter Schock und Trauer steht, halte ich mich zurück mit Bemerkungen, dass es an ihnen liegt wie man damit umgeht --- egal wie gut und positiv wir mit der Behinderung unserer Kleinen umgehen.


    So eine Bemerkung ("Wie Sie damit umgehen, liegt nur bei Ihnen...") kann da leicht als Zynismus aufgefasst werden oder am Ende noch mehr Schuldgefühle auslösen und auch die Vertrauensbeziehung empfindlich stören.


    Was ich aber gemerkt habe ist, dass es etlichen Eltern hilft, wenn man einfach über das eigene (Er)leben erzählt. Ich versuche durch Erzählungen und Berichte zu ermutigen, beispielsweise, dass wir mit unserer Kleinen überall hinfahren können, dass sie gerne mit dem Zug unterwegs ist, dass sie das Meer liebt, dass ich sie fast überall hin mitnehmen kann (ich hatte sie auch beim Weltfriedenstreffen mit dabei oder gelegentlich ist sie auch mit im Kloster dabei - sie freut sich immer, wenn wir vorher einkaufen gehen, um Essensspenden zu besorgen und da sucht sie gerne mit aus, welche Leckereien man mitnehmen kann. Sie war schon auf Elternsprecherabenden mit dabei, bei Vorträgen usw...und wir wurden noch nie "doof angeschaut" oder doof angemacht. Ganz im Gegenteil.).


    Ich habe den Eindruck, dass es viel mehr unterstützt, ganz authentisch über Alltäglichkeiten zu berichten. Das entdramatisiert scheinbar.

    Guten Morgen,


    ich wühle mich gerade weiter durch das Forum hier und bin gerade auf dieses Thema aufmerksam geworden.
    Für mich ist das Thema ein alltägliches Thema, weil unsere Pflegetochter geistig behindert ist.


    Offen gesagt, mache ich mir herzlich wenig Gedanken, ob sie in ihrem vorherigen Leben ein ganz schrecklicher Mensch war, der nun die karmischen Folgen ausbaden muss.
    Wir haben sie mit dem Hintergrund ihrer Schwerbehinderung aufgenommen und angenommen --- und sie ist eben so wie sie ist.
    Für mich macht es keinen Sinn, würde ich mir über die möglichen Bedingungen den Kopf zerbrechen, die sie aus vorherigen Leben mit sich bringt.


    Wichtig ist uns, dass sie sich "hier und jetzt" in ihrem Körper wohl fühlt.
    Wir sehen uns auch nicht als Wohltäter oder "besonders gute Menschen", weil wir uns für sie entschieden haben. Es hat für uns nur keinen Grund gegeben, sie aufgrund dessen, was sie mit sich gebracht hat und mit sich bringt, nicht aufzunehmen.
    Bei uns hat es nie einen Wunsch nach "Garantie auf gesunde Kinder" gegeben.



    Hätten wir uns entschieden, leibliche Kinder in die Welt zu setzen, statt Kinder anzunehmen, hätte es genauso passieren können, dass ich mit einem behinderten Kind schwanger geworden wäre. Meine us-amerikanische Freundin würde sagen: "That's life..." - oder wie John Lennon mal sagte: "Leben ist das was passiert, während du dabei bist, Pläne zu schmieden."


    Uns macht es ganz viel Freude, mit ihr zu leben, auch wenn es manchmal sehr anstrengend und herausfordernd sein kann.