Fisternis der Nacht.
Unabwendbar, rabenschwarz.
Das Ende nicht da.
Beiträge von Tilopa im Thema „H A I K U S“
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Axel Benz:
Ich will einen sehr schönen thread nicht mit OT-Krempel unterbrechen, aber vielleicht ist das ja jetzt der richtige Zeitpunkt für folgendes Zitat aus 'Haiku heute', einer sehr schönen Webseite, wie ich finde (vielleicht trauen sich dann ja mehr...):
ZitatPraktisch alle Haiku-Einführungen beginnen mit dem wohlbekannten Satz „Ein Haiku besteht aus drei Zeilen mit der Silbenfolge 5-7-5.“ Tja, wir müssen jetzt alle ganz tapfer sein, es heißt Abschied nehmen: Ein deutschsprachiger Text bestehend aus 5 Silben in der ersten, 7 Silben in der zweiten und 5 Silben in der dritten Zeile ist kein Haiku.
Was ich damit sagen will:1. Ein Text im 5-7-5-Silbenrhythmus kann ein Haiku sein, muss aber nicht. Ob's ein Haiku ist, hängt vom Inhalt ab.
2. Du musst dich nicht sklavisch an die Silbenzählung halten. Es ist unnötig, Worte zu verstümmeln oder künstlich zu verlängern, um die 17er-Vorgabe zu erfüllen. Von grammatikalischen Neuerungen und der Nutzung von Füllwörtern ganz zu schweigen.Nun magst du Punkt 1 noch einsehen, aber bei Punkt 2 lehnst du vielleicht dankend ab, weil das Kunststück, diese seltsame Regel einzuhalten, sehr faszinierend ist. Schließlich haben sich die Japaner Jahrhunderte lang daran gehalten. Abgesehen davon, dass dieses Kunststück auch Schulkinder vollbringen können, heißt es nochmal Abschied nehmen: Kein Japaner hat jemals Silben gezählt. Wenn sie überhaupt etwas gezählt haben, dann waren es die japanischen Laute ihrer Texte. Was soll das nun wieder heißen?
Die japanische Sprache hat einen festen Vorrat an Lauten bestehend aus Vokalen (a,e,i,o,u), unteilbaren Konsonant-Vokal-Verbindungen (shi, ka, wo u.a.) und dem Einzelkonsonanten N. Was in der transkribierten Form wie eine Silbe aussieht, hat nichts mit der Silbenbildung westlicher Sprachen zu tun. So hat zum Beispiel das Wort London zwei Silben, aber vier japanische Laute: Lo-n-do-n, und nur diese zählen beim japanischen Haiku. Wer also ehrwürdigen japanischen Traditionen folgen wollte, müsste Laute statt Silben zählen, mit fatalen Konsequenzen: „Ein Regentropfen“ hat fünf Silben, aber gnädig gezählt neun Laute.
Die scheinbar traditionellen Formen folgende Silbenregel ist ein Hilfskonstrukt, das vielleicht aufgrund von Missverständnissen, vielleicht aus Bequemlichkeit so ins Deutsche übertragen wurde. Die japanische Tradition, Gedichte in 5er- und 7er-Lautgruppen zu schreiben, ist gegründet auf den Eigenarten der japanischen Sprache. Das Deutsche hat völlig andere Eigenarten. Welche Form dem deutschsprachigen Haiku angemessen ist, bleibt eine offene Frage. Mein Vorschlag ist, drei Zeilen mit ungefähr (tendenziell weniger als) 17 Silben zu schreiben (dazu noch ein Anhang). Die Zeilenlängen sollten vom Sprachrhythmus abhängen, den der Text verlangt, nicht von der Silben-Imitation eines japanischen Lautfolge-Rhythmus, den es im Deutschen nicht gibt.
(Vollständiger Text: http://www.haiku-heute.de/Arch…iben/haiku_schreiben.html)
Vielen Dank, Axel! Sehr erhellend.
Und gut zu wissen als Antwort, falls irgendwann wieder mal so ein Buchstabenheini kommt und sagt:
"Aber das ist nicht 5-7-5, das gilt nicht."
(Hatte ich in der Vergangenheit nämlich auch schon...) -
Losang Lamo:
Oh. Verzählt. Ich wollt mich, ausnahmsweise, tatsächlich an das 5-7-5 halten.
Aber: Haikus schreib ich schon lange.
Und es kümmert mich einen Scheiss, ob's genau 5-7-5 ist.
Ich mag es, frei zu sein. -
Wogen der Ruhe
Fallend über Lamos Poesie
Im tosenden Meer -
Müde neigt sich tief
Der alte Apfelbaumast
Im Dunkel der Nacht -
Wogen des Dogen
Buch - (hier bitte nur Stille)
Oh - Es ist vollbracht!