Beiträge von Brücke im Thema „H A I K U S“

    Wie in Zeitlupe
    die Blüte der Nachtkerze
    öffnet sich schweigend


    Ganz frisch geöffnet
    die Blüte der Nachtkerze
    verströmt ihren Duft


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    ... nicht dass ihr meint, ich hätte nur Unordnung zu hause ;))

    Nein, das ist nicht so einfach, die alten Meister haben immer wieder um Klangeinheiten oder Zeilen gerungen. Manchmal auch längere Zeit...
    Das entscheidende ist eben, die formale Vorgabe zu erfüllen (wobei deutschsprachige Haiku-Meister mittlerweile weniger Silben verwenden) und gleichzeitig die Frische des Augenblicks nicht zu verlieren.


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    Brücke

    So, und damit ich nicht immer nur über fremde herfalle:


    Ganz zerknittert liegt
    das kurze Hemd vom Tanz noch
    am Rand der Wanne.



    Sind bestimmt auch Schwächen drin, aber so in etwa: Ein Anblick, eine Jahreszeit - das kurze Hemd, also ist es Sommer. Der Betrachter hat den Abend und die Nacht getanzt und erkennt sich jetzt schlaglichtartig im Hemd wieder, das er nur noch schnell über den Rand der Badewanne abgelegt hat, bevor er müde ins Bett gefallen ist. Jetzt, am Morgen ist er auch etwas zerknittert und die Melodien des Tanzabends schweben noch in seiner Erinnerung...


    Brücke

    Haikus im traditionellen Sinne beschreiben nicht die vier Jahreszeiten sondern den Augenblick des Eins-Seins.
    Zumindest in der Zen-Tradition.
    Was andere Silbenschmiede aus dieser Form machen, ist vielleicht auch nett, aber hier — dachte ich — kommen die Haikus als Zen-Weg daher... oder irre ich?


    dieses Haiku:

    Zitat

    Frühes Tageslicht
    aufgeschreckt fliegen Spatzen
    bunte Blätter dort.


    Ist schon sehr schön, der Fokus des Betrachters des Haiku wird auf eine Tageszeit eingestimmt, dann sieht er die kleine Schar des Spatzen aus einem Gebüsch (an einem Weg - oder an einem Platz in Stadt oder Dorf... da kommt der Betrachter in's Spiel und malt das Bild weiter).
    Doch dann schweift der Blick ab und verliert die Spatzen wieder und folgt dem herbstlichen Laub im Wind. Wo sind die Spatzen?
    Das Haiku enthält Zwei Augenblicke nacheinander, keine Einheit.
    Ist der Betrachter im Spatzenschwarm ? Ist er innerlich aufgeschreckt?
    Fliegt er mit den Blättern? Beides gleichzeitig ist schwerlich möglich.


    Vielleicht bin ich zu orthodox, was das betrifft, aber ein Haiku ist für mich eben ein Zen-Moment, kein romantisches, "hach, wie ist das Leben schön"-Gedicht.


    Brücke

    Hmm... die meisten Haikus hier sind wirklich nur 5-7-5 Silben, aber die anderen Merkmale der Haiku-Kunst fehlen.
    Da wir hier ja im Zen-Bereich sind, wäre es doch schön, wenn die Haikus nicht ganz so dualistisch und ein wenig mehr Haiku wären.


    Herbstnacht -
    das Loch in der Tür
    spielt Flöte.


    Issa (1763-1827)


    Da pfeift der Wind und jeder kann es hören, unwillkürlich zieht man den Kragen zu, um sich zu wärmen...
    Da ist dann auch der jahreszeitiche Bezug, der regulär im Haiku offen oder versteckt auftaucht, und kaum einmal ein ich!


    Brücke