"So habe ich gehört . Einstmals, auf einer
Wanderung im Lande der Kosaler , gelangte der
Erhabene , von einer großen Schar Mönche
begleitet, vor eine Ortschaft der Kosaler namens
Dandakappa. Da bog der Erhabene vom Wege
ab, und am Fuße eines Baumes setzte er sich auf
bereitetem Sitze nieder . Die Mönche aber
gingen nach Dandakappa hinein , um eine
Unterkunft zu suchen .
Der ehrwürdige Ānanda jedoch , von einer
Anzahl Mönche begleitet, begab sich zum Flusse
Aciravatī, um sich die Glieder zu spülen .
Nachdem er sich die Glieder gespült hatte und
wieder ans Ufer gestiegen war, stellte er sich,
mit einem einzigen Gewande bekleidet, hin , um
die Glieder trocknen zu lassen. Da trat einer der
Mönche zum ehrwürdigen Ānanda und sprach
zu ihm:
» Sag', Bruder Ānanda , als der Erhabene von
Devadatta erklärte : 'Der niederen Welt, der
Hölle verfallen ist Devadatta, äonenlang und
unrettbar !' , hatte wohl damals der Erhabene
alles im Geiste erwogen oder wurde es von ihm
bloß in gewisser Hinsicht gesagt ?« -
» So hat dies freilich der Erhabene erklärt ,
Bruder (vergl . A .VIII. 7) .« Und der ehrwürdige
Ānanda begab sich zum Erhabenen und
begrüßte ihn ehrerbietig. Darauf setzte er sich
zur Seite nieder und berichtete dem Erhabenen,
was sich zugetragen hatte .
[ Der Erhabene :] »Dies wird wohl , Ānanda, ein
jüngerer Mönch gewesen sein, der erst kürzlich
in die Hauslosigkeit gezogen ist, oder aber ein
alter , unverständiger Tor . Wie kann man wohl
über das , was ich in unzweideutiger Weise
( ekamsena; vgl . A . III.68) erklärt habe, noch im
Zweifel sein? Nicht weiß ich, Ānanda, von einem
anderen Menschen , bei dem ich, vor einer
Äußerung über ihn , so sehr über alles
nachgedacht hätte , wie gerade bei Devadatta .
Solange ich nämlich , Ānanda , bei Devadatta
noch so viel wie eine Haarspitze des Guten
bemerkte , solange habe ich von ihm noch nicht
erklärt : 'Der niederen Welt , der Hölle verfallen
ist Devadatta , äonenlang und unrettbar !' Als ich
aber , Ānanda, nicht einmal so viel wie eine
Haarspitze des Guten bei Devadatta bemerken
konnte , da habe ich dieses von ihm erklärt .
Angenommen , Ānanda, es befindet sich da eine
Dunggrube , die der Eigentümer bis zum Rande
mit Kot gefüllt hat . Darin wäre nun ein Mann
bis über den Kopf versunken . Und es kommt da
ein anderer Mann daher, der jenem
wohlgesinnt , auf sein Heil und seine Rettung
bedacht ist und ihn aus jener Dunggrube
herauszuziehen wünscht. Doch während er um
jene Dunggrube ganz herumgeht, kann er bei
jenem Manne auch nicht einmal eine haarbreite
Stelle finden, die unbesudelt wäre vom Kote, wo
er ihn anfassen könnte , um ihn herauszuziehen .
Ebenso auch, Ānanda: als ich bei , Devadatta
nicht einmal soviel wie eine Haarspitze des
Guten bemerkte , da habe ich von ihm erklärt :
' Der niederen Welt , der Hölle verfallen ist
Devadatta , äonenlang und unrettbar !'
Wenn ihr es hören wollt , Ānanda, so will ich
euch des Vollendeten Erkenntnis der
menschlichen Fähigkeiten erklären . « -
» An der Zeit ist es jetzt , Erhabener , an der Zeit
ist es, Gesegneter, daß da der Erhabene seine
Erkenntnis der menschlichen Fähigkeiten
erkläre. « -
» So höre denn, Ānanda , und achte wohl auf
meine Worte !« - » Ja, o Herr !« erwiderte der
ehrwürdige Ānanda , und der Erhabene sprach :
» Angenommen , Ānanda, es seien da
unversehrte und unverdorbene Samenkörner ,
durch Wind und Sonne unbeschädigt,
kerngesund und gut erhalten ; die säte man auf
fette Erde , auf gut bearbeiteten Boden.
Wüßtest du da nicht , Ānanda, daß diese
Samenkörner gedeihen, wachsen und sich
entfalten werden?«-
» Gewiß , o Herr .« -
» Ebenso auch , Ānanda, erkenne ich , wenn ich
im Geiste eines Menschen Herz durchschaue: 'In
diesem Menschen befinden sich heilsame wie
auch unheilsame Eigenschaften . ' In der
Folgezeit aber erkenne ich, während ich im
Geiste sein Herz durchschaue: 'Die heilsamen
Eigenschaften dieses Menschen sind
geschwunden , unheilsame Eigenschaften
machen sich bemerkbar, doch die Triebfeder
zum Guten (kusala -mūla , wtl : die Wurzeln des
Heilsamen ) ist in ihm noch nicht zerstört. Aus
jener Triebfeder zum Guten wird in ihm
Heilsames in Erscheinung treten , und so wird
dieser Mensch in Zukunft dem Rückschritt nicht
mehr ausgesetzt sein. So, Ānanda, kennt der
Vollendete einen Menschen , wenn er im Geiste
sein Herz durchschaut . Und so , Ānanda , sind
dem Vollendeten die Fähigkeiten der Menschen
bekannt , wenn er sie im Geiste durchschaut .
Und so, Ānanda, kennt der Vollendete die
zukünftige Entstehung von Eigenschaften , wenn
er im Geiste des Menschen Herz durchschaut .
Angenommen aber, Ānanda, es seien da
unversehrte und unverdorbene Samenkörner ,
durch Wind und Sonne unbeschädigt,
kerngesund und gut erhalten ; die säte man auf
einen großen Felsen . Wüßtest du da nicht ,
Ānanda , daß diese Samenkörner nicht gedeihen,
nicht wachsen, sich nicht entfalten können?« -
» Gewiß , o Herr .« -
» Ebenso auch , Ānanda, erkenne ich , wenn ich
im Geiste eines Menschen Herz durchschaue: 'In
diesem Menschen befinden sich heilsame, wie
auch unheilsame Eigenschaften . ' In der
Folgezeit aber erkenne ich, wenn ich im Geiste
sein Herz durchschaue: 'Die unheilsamen
Eigenschaften dieses Menschen sind
geschwunden , heilsame Eigenschaften machen
sich bemerkbar; doch die Triebfeder zum
Schlechten ist in ihm noch nicht zerstört . Aus
jener Triebfeder zum Schlechten aber wird in
ihm Unheilsames in Erscheinung treten; und so
wird dieser Mensch in Zukunft noch dem
Rückschritt ausgesetzt sein . So , Ānanda , kennt
der Vollendete einen Menschen , wenn er im
Geiste sein Herz durchschaut . Und so, Ānanda,
sind dem Vollendeten die Fähigkeiten der
Menschen bekannt , wenn er sie im Geiste
durchschaut . Und so, Ānanda, kennt der
Vollendete die zukünftige Entstehung von
Eigenschaften , wenn er im Geiste des Menschen
Herz durchschaut .
Angenommen aber, Ānanda, es seien da
verdorbene und verfaulte Samenkörner , von
Wind und Sonne beschädigt; die säte man auf
fette Erde , auf gut bearbeiteten Boden.
Wüßtest du da nicht , Ānanda, daß diese
Samenkörner nicht gedeihen , nicht wachsen,
sich nicht entfalten können ?« - » Gewiß, o Herr .«
-
» Ebenso auch , Ānanda, erkenne ich , wenn ich
im Geiste eines Menschen Herz durchschaue: 'In
diesem Menschen befinden sich heilsame, wie
auch unheilsame Eigenschaften . ' In der
Folgezeit aber erkenne ich, wenn ich im Geiste
sein Herz durchschaue: 'Auch nicht einmal so
viel wie eine Haarspitze des Guten befindet sich
in diesem Menschen . Mit äußerst finsteren,
unheilsamen Eigenschaften ist dieser Mensch
behaftet . Beim Zerfall des Körpers , nach dem
Tode , wird er in niedere Welt gelangen, auf
eine Leidensfährte , in die Daseinsabgründe , zur
Hölle . ' So , Ānanda , kennt der Vollendete einen
Menschen , wenn er im Geiste sein Herz
durchschaut . Und so, Ānanda, sind dem
Vollendeten die Fähigkeiten der Menschen
bekannt , wenn er sie im Geiste durchschaut .
Und so, Ānanda, kennt der Vollendete die
zukünftige Entstehung von Eigenschaften , wenn
er im Geiste des Menschen Herz durchschaut .«
Auf diese Worte nun sprach der ehrwürdige
Ānanda zum Erhabenen also:
» Kann man wohl , o Herr, noch drei weitere
Menschen anführen als Gegenstück zu jenen
dreien ?« -
» Das kann man wohl , Ānanda« , erwiderte der
Erhabene .
» Angenommen , Ānanda, man streute da
brennende, feurige, glühende Kohlen auf einen
großen Felsen. Wüßtest du da nicht , Ānanda ,
daß dieses Kohlenfeuer nicht weiter anwachsen,
nicht stärker werden und sich nicht ausbreiten
wird ?«-
» Allerdings , o Herr. « -
» Oder wenn da, Ānanda, am Abend die Sonne
untergeht , weißt du da nicht , daß dann das
Licht schwinden und Dunkelheit eintreten
wird ?« -
» Gewiß , o Herr .« -
» Oder wenn es, Ānanda , auf die zweite
Nachthälfte zugeht (*1) , zur Essenszeit (*2 ),
weißt du dann nicht , daß dann das Licht
geschwunden und Dunkelheit eingetreten ist ?« -
» Gewiß , o Herr .« -
» Ebenso auch , Ānanda, erkenne ich , wenn ich
im Geiste eines Menschen Herz durchschaue: 'In
diesem Menschen befinden sich heilsame, wie
auch unheilsame Eigenschaften . ' In der
Folgezeit aber erkenne ich, während ich im
Geiste sein Herz durchschaue: 'Die heilsamen
Eigenschaften dieses Menschen sind
geschwunden , unheilsame Eigenschaften
machen sich bemerkbar, doch die Triebfeder
zum Guten ist in ihm noch nicht zerstört. Doch
auch sie gelangt ganz und gar zum Schwinden.
Daher wird dieser Mensch in Zukunft dem
Rückschritt ausgesetzt sein .' So, Ānanda, kennt
der Vollendete einen Menschen , wenn er im
Geiste sein Herz durchschaut . Und so, Ānanda,
sind dem Vollendeten die Fähigkeiten der
Menschen bekannt , wenn er sie im Geiste
durchschaut . Und so, Ānanda, kennt der
Vollendete die künftige Entstehung von
Eigenschaften , wenn er im Geiste des Menschen
Herz durchschaut .
Angenommen aber, Ānanda, man streute
brennende, feurige, glühende Kohlen auf einen
Haufen trockenes Gras oder auf einen Haufen
Brennholz . Wüßtest du da nicht , daß dieses
Feuer weiter anwachsen, stärker werden und
sich ausbreiten wird ?« -
» Gewiß , o Herr .« "