Beiträge von void im Thema „Mitgefühl auch für Mörder?“

    crazy-dragon:


    Werter Void,
    normalerweise schätze ich Deine posts- aber Dein RAF-Loblied kann ich nicht teilen. Die Bader-Meinhof-Bande glaubte wie andere Revoluzzer, daß nur sie die Welt retten können. Die Bilder der Napalm-Opfer hatte auch ich im Kopf, trotzdem zog ich meinen Beruf durch und mußte durch eine Bombendrohung selbst spüren, wie diese Terrroristen " selbstlos " handeln. Dann erlebte ich einen Banküberfall bei unserem Institut, wo es zum Glück keine Verletzten gab- auch das waren sie...Und wenn sie Schleyer, Buback und Co. töteten, was hat das bitteschön mit den Amis zu tun? Die warfen doch das Napalm, die waren in Vietnam. Hätten sie mit Arbeitern gesprochen, wären sie vielleicht aus ihrem Wahn erwacht...Taten sie aber nicht, die waren abgehoben in ihrem Rausch, die Welt zu retten.
    Die waren kein bißchen besser als die Amis, die selben sind heute die Taliban.


    Der Kontext des Threads ist ja, wie man mit solchen Menschen Mitgefühl haben kann. Also den Blick gerade nicht auf die Aspekte zu richten, in denen sie sich in ihrer Vernageltheit und Radikalität und Herzlosigkeit ganz von uns unterscheiden, sondern auf ihre eigene Motivation. Und die war glaube ich durchaus auf die USA gerichtet und bildete sich ein im Namen der "Verdammten dieser Erde" zu sprechen. bei dem Versuch liefere ich doch notwendigerweise eine verzerrte Sicht. Denn man braucht schon eine sehr verzerrte Sicht, um sich da einfühlen zu können. Ginge es in dem Thread darum, wie um Himmels Willen man Mitgefühl mit Stalin, Saddam Hussein oder gaddafi haben kann, müsste man den Windungen ihrer Verblendungen folgen und irgendwo ganz drinnen in der Schnecke ein fühlendes Wesen entdecken, das auf verbelndete Weise Gut mit Böse, Glück mit Verderben verwechselt.


    Irgendwo schwirrt bestimtm auch eine Sicht von Kissinger herum, für den der Einsatz von Napalm in Vietnam wahrscheinlich selbstlos war. Die unagenehme Nebenwirkung eines Medikaments ist, mit dem ein armes Land vor der schrecklichen Bedrohung durch den Kommunismus und seine Gulags gerettet werden kann. Auch Kissinger sah sich als ein Opfer, das sich deswegen berechtigt fühlte, zu allen nur denkbaren Waffen zu greifen. Irgendwie war die RAF also sehr selbst das wogegen sie kämpfte.


    Das geht natürlich auch bei den Taliban. In ihrer Selbstsicht, handelt es sich um eine Gruppe von Koranschüler, die in einem bürgerkrieggeblagten Land versuchten Tugend durchzusetzten. Ihre ersten Handlungen waren Aktionen gegen Vergewaltiger die bis dahin straflos wüten konnten. Eben weil sie zunächste eine der wenigen Gruppen waren, die nicht zügellos und korrupt, sondern prinzipientreu , gradlinig und verlässilich waren , wurde ihnen bekamen sie von der Bevölkerung Zuspruch. In Nordpakistan sind die mit den Taliban verbundenen Koranschulen einige der wenigen institutionen, die ein funktionierendes Sozialsystem bieten können und den Kindern in den Koranschulen Lesen, Schreiben (und Frauenhass + Selbstmordattentate ) beibringen. So eine Besvhreibung hilft zu verstehen, wie sich ein Talib womöglich selbst sieht. Das ist aber natürlich auch eine sehr Verzerrte Sicht, weil eben da die komplemntäre Sicht der Opfer von Unterdrückung, Verstümmleung, Mord und Indoktrination fehlt. Die Opfersicht ist viel richtiger als die Tätersicht aber nicht so sehr dazu geeignet sich in den Täter einzufühlen.

    TMingyur:


    Ich denke es, dass die "Idee" im Mahayana, auf welches ich mit "in bestimmten buddhistischen Kreisen" natürlich angespielt habe, wiederum zum entscheidenden Momentum wird. "Ideen" zeichnen sich dadurch aus, dass der der darauf seinen Weg gründet, von bloßen Gedanken abhängt und deswegen unentwegt diese bloßen Gedanken verteidigen muss. Jeder Gedanke, der nicht konform geht, erscheint sofort als Bedrohung. Deswegen gehen Ideen notwendigerweise mit Anhaftung an Ansichten einher. Ansichten sind ja nichts anderes als Ideen.
    Bei Erfahrung ist dies ganz anders. Wird Erfahrung ausgedrückt geschieht dies zwar auch über das Medium von "Idee" und "Worten", aber gegenläufige Ideen werden werden nicht als Bedrohung wahrgenommen. Warum? Weil da die Erfahrung ist welche durch bloße Idee nicht erschüttert werden können.


    Vielen Dank,
    Im Mahyana gab es ja anfangs eine sehr intektuelle Phase, in der sich die philosphischen Gedankengbäude weit auftürmten und eine Kaste Praxisfernen Professoren-Buddhisten enstand. Es ist keine Zufall, dass die heute dominiereneden Mahayana-Schulen (Vajrayana, Zen, Amida) genau als Gegenbewegungen gegen diese Theorielastigkeit entstanden und die Praxis wieder in den Mittelpunkt rückten. Von daher gibt dir die Geschichte sehr recht.


    Du siehst das nicht geglückt und den Mahayana nach wie vor abstrakten Ideen gegenüber der Erfahrung einen ungebührlich grossen Raum eingeräumt? Und das wo wir doch im Zen versuchen so schlicht und unitellektuell zu sein.


    Dein Beitrag öffnet mir wirklich die Augen, für eine grosse Gefahr. "Anhaften an Ideen" tritt ja sehr subtil auf.

    TMingyur:

    Jedoch wurde das Wort und ein damit einhergehendes Konzept (die "Idee") wie oben dargestellt "in bestimmten buddhistischen Kreisen zu einem kategorischen Imperativ entwickelt, und zur ethische Pflicht" gekürt. Deswegen die Bezeichnung "vorbelastet". Die Bezeichnung "klebrig" bezieht sich auf Anhaftung ("Haftung" kann "Kleben" bedeuten), Anhaftung an Ansichten in diesem Kontext.


    Ich glaube ich verstehe langsam, was du meinst:


    1.Unter dem Banner des "Mitgefühl", wird oftmals versucht die christliche Liebe (die immer eine tätige) ist und buddhitischem Metta (das immer auch mit Nichtanhaftung/Gleichmut verbunden ist) , unter einen Hut zu bringen.


    2.Während Metta sich im Buddhimus als Teil der eignen Praxis auf die eigenen Gefühle bezieht, ist die "christlche Nächtenliebe" jedoch ein "ethisches Gebot". Wirft man Metta analog als eine ethische Forderung in den öffentlichen Raum wird es so zu einer "Pflicht". Das entspiciht nicht mehr dem was Buddha unter Metta verstand und ist deswegen als ein Anhaften an Ansichten zu interpretieren.


    Habe ich mit dieser Zusammenfassung deine Gedanken angemessen verstanden? Entschuldige diese Umständlichkeit, aber sehr oft erfasst man wirklich nciht, was der andere sagt und was nicht.

    TMingyur:


    Bitte keine Quereinsteigerdiskussion. Berücksichtige den Gesamtkontext der Aussagen in diesem Thread.


    Ich habe den ganzen Thread gelesen. Aus ihm wird lediglich ersichtlich, dass du das Wort Mitgefühl für "klebrig vorbelastet" hälst. Daraus wird für mich leider nichts schlüssig ausser eine persönlche Abneigung gegen dieses Wort.

    TMingyur:

    Du darfst, liebe Onda, du darfst. Aber vielleicht kannst du ja nicht anders ...?
    Warst du achtsam dabei? Welche Gefühle (vedana) waren involviert?


    Sollten meine Worte deinem Objekt der Begierde (also der Idee "Mitgefühl") in deiner Wahrnehmung zu wenig Bestätigung verliehen haben?


    Du würdest "Mitgefühl" also als etwas sehen, was nichts mit der von Buddha im Metta-Sutta empfohlenden liebenden Güte zu hat, sondern als ein Tarnwort um dahinter begehrende Anhaftung zu verbergen. Das verstehe ich nicht, da ich unter "Mitgefühl" Metta, also ein Wohlwollen versteht, das anderen Wesen Glück wünscht.


    An welcher Stelle driftet deiner Meinung nach die "Idee Mitgefühl" mit der von Buddha propagierten Güte (Metta) auseinander?

    2dA:
    void:

    Was viele bei den Attentätern um Stauffenberg oder Elser als gerechtfertigt und heldenhaft sehen, während sie bei Attentäern wie Bin Laden oder dem norwegischen Spinner nicht den Idealismus und die wohlwollende Motiavation sondern nur das daraus hervorbrechende Blutbad sehen.


    Sieh es pragmatisch: während damalige Attentäter einen Massenmörder beseitigen wollten, werden heute einzelne Verblendete zu Massenmördern.


    Für einen verrückten Massenmörder auch nur das geringste Mitgefühl aufzubringen ist nicht leicht. Wie man das trotzdem kann ist Thama dieses Threads. Mein Ansatz war der, dass man sich leichter mit Mördern identifzizieren kann, deren Ideen man ansatzweise teilt. Das um Mitgefühl zu entwicklen. Deswegen die Vergleiche.


    2dA:


    Niemand, der solche Mittel anwendet, handelt wohlwollend.Was für eine Rolle dabei ein Abstraktum wie Idealismus spielen soll erschließt sich mir nicht.


    Nein, wohlwollend gegenüber den Opfern sicher nicht. Die meisten Terroristen rechtfertigen ihre Taten vor sich und anderen damit, für ein höheres Wohl zu kämpfen. Und der Gegner ist dann schlchtweg jemand, der den eigenen Utopien und Träumen im Weg steht. Sind diese wohlwollend? Denkt der tötende Soldat daran, es für die Frau und die Kinder zuhause zu tun? Für ein blühendes Vaterland? handelt der Kommunist für eine gerechte Gesellschaft?

    Beth:

    Jesus sagt: Liebet Eure Feinde! Buddha lehrt das Mitgefühl allen Wesen gegenüber.


    Ist es wirklich möglich, einen Mann wie den norwegischen Massenmörder zu lieben bzw. ihm gegenüber Mitgefühl zu empfinden?


    Ich glaube es ist nicht richtig, "falsch" zu fühlen. Also wenn man Wut fühlt, diese künstlich zu unterdrücken und dann Mitgefühl für jemand zu heucheln, den man eigentlich verabscheut.


    Wenn so eine unbegreifliche Tat passiert, dann ist es naheliegend im anderen eine Art Monster zu sehen, das in Mordgier wütet. Das ist aber nicht unbedingt der Fall.


    Ich muss dabei immer an Georg Elser denken. Der Einzelgänger, der im dritten Reich erkannte, dass Hitlers Herrschaft in Verderben und Krieg führt. Und der dann, weil er merkte, dass niemand sonst handelte, beschloss Hitler auf eigene Faust zu töten. Wäre der Anschlag geglückt, hätte der Holocaust und der zweite Weltkrieg veilelicht nicht stattgefunden. Deswegn fällt es mir schwer, ihn zu verurteilen. Ein sympathischer ,mörderischer Attentäter, der aus Gewissenhaftigkeit und Verantwortungsgefühl handelte. Mit dem habe ich durchaus Mitgefühl und Sympathie.


    Während Elsers Sicht der Dinge wohl zutreffend war ( Hitler war wirklich eine schreckliche Bedrohung, und Millionen menschen könnten leben, wenn Else Erfolg gehabt hätte) ist das Weltbild des Attentäers von Norwegen wirr und falsch. Er handelte jedoch unter der Prämisse, das es richtig ist. Er sagt, ihm gehe es nicht um egoistische, persönliche Motive, sondern darum die Zukunft Europas zu sichern. In seinem Denken vollführte er seine Tat aus Mitgefühl und Opferbereitschaft für uns und unsere Kinder, damit wir nicht on moslemischen Marxisten oder sowas beherrscht werden. Bis auf das sein Weltbild vollkommen bizarr und falsch ist, mordete er aus ähnlichen Gründen wie Elser, oder? Um die Zukunft seines Landes vor einer schrecklichen Bedrohung zu retten. ( die allerdings nur in seinem eigenen Kopf existierte )


    Die RAF Terroristen entsagten ihrem ganzen bürgerlichen Leben, gaben Heim, Familie, Hobbies und jegliche Sicherheit auf. Weil sie das Gefühl hatten, nicht ihren egoistischen Bedürnissen nachgehen zu dürfen, sondern der Gesellschaft zu dienen.Sie hatten damals dauernd die Bilder von sterbenden, napalmverbrannten Kindern im Kopf und versuchten die imperialistische Maschinerie, die dort Kinder töte, zu stoppen. Das hatten sie mit Thich Nhat Hanh und Martin Luther King gemeinsam. Bei Terroristen handelt sich also um ursprünglich idealistisch und verantwortungsvoll denkende Menschen. Der grosse Unterschied ist der, dass sie an einem bestimtmen Punkt beschliessen, das das Ziel so hehr ist dafür zu sterben und zu töten.


    Was viele bei den Attentätern um Stauffenberg oder Elser als gerechtfertigt und heldenhaft sehen, während sie bei Attentäern wie Bin Laden oder dem norwegischen Spinner nicht den Idealismus und die wohlwollende Motiavation sondern nur das daraus hervorbrechende Blutbad sehen. Wie leicht kann jeder von unter bestimmten Umständen an einen solchen Punkt kommen? ich denke da an die französische Resitance, wo auch ganz normale Menschen, um die Deportation ihrer jüdischen Mitbürger zu verhindern, plötzlich Züge entgleissen liesen.