Beiträge von Simo im Thema „Artikel: Thomas Moser - Icchantika“

    Thomas Moser


    Icchantika


    Der Praxis Aspekt in der Jodo Shinshu Tradition



    Obwohl Vertrauen und Hingabe in allen Traditionen von Bedeutung sind, spielen sie doch nirgendwo eine so zentrale Rolle wie im Buddhismus des Reinen Landes. An Stelle einer theoretischen Erörterung bringen wir einen inspirierenden Text von Thomas Moser, der einen Geschmack von der Praxis des Jodo Shinshu vermittelt.



    „Der Nembutsuweg ist ein Paukenschlag. Das Nembutsu keimt wie eine Same des Lichts in mir. Nembutsu, das ist Tathagatagarbha. Der Urgrund allen Wissens, der weglose Weg. Meine Praxis ist demnach eine Nichtpraxis, weil alle Notwendige bereits geschehen ist.
    Meine tägliche Meditation und Rezitation ist keine Bitte, kein Hinschreiten zur Selbstfindung durch die Lehre Buddhas, sondern sie ist Dank für die Zusicherung der Befreiung. Wenn es heißt, Amida empfängt uns im Moment des Todes und geleitet uns in sein ´Reines Land´, dann ist dieser Moment hier und jetzt der Tod der Unwissenheit. In anderen buddhistischen Traditionen würde man sagen, der ´Stromeintritt´.
    Diesen Zustand, den wir ´Shinjin´ nennen, erreichen wir nicht durch Übung, sondern durch das Wirken der ´anderen Kraft´ (Tariki), die als Synonym für den Begriff des ´Absoluten´ (Dharmakaya) im Mahayana steht.
    Dieses ´Erwachen´ wird uns geschenkt - es keimt in uns als Tathagatagarbha. Das heißt nicht, dass ich als Jodo-Shin-Buddhist sofort nach meinem körperlichen Tod von Wiedergeburt befreit bin. Im Gegenteil. Teil des Erwachens (Shinjin) im Shin-Buddhismus ist die sofortige Wiedergeburt in ein neues menschliches Leben, um dazu beizutragen, dass alle Lebewesen (ich würde sogar sagen, alles Leben) vom Leidenskreislauf befreit werden. Wir nennen das ´Genso Eko`
    Diese Zusammenhänge sind wichtig, um unsere tägliche Praxis zu verstehen. Wie kann eine Praxis aussehen, die keine Pflichtübungen enthält, die nicht einmal ein Ziel hat ?
    Wie praktizieren ich ´meinen´ Buddhismus, wenn ich in dem Bewusstsein lebe, unfähig zu sein, der Befreiung aus eigener Kraft auch nur einen Schritt näherkommen zu können? (Alle eigenen Bemühungen enden in den Verstrickungen von Hass, Gier, Verblendung).
    Ich gehe den vielleicht schwersten aller Wege, den weglosen Weg.
    Meine morgendliche Andacht ist Dank an Amida, gibt mir Kraft für den Tag, ist heilsam für mein Gleichgewicht - aber sie ist gleichzeitig völlig unbedeutend. Die Meditation öffnet mir den klaren Blick für das, was bereits in mir und vor mir liegt. Sie ist gleichzeitig völlig unbedeutend.
    Ich stehe morgens auf, zünde Räucherstäbchen an, spreche die Zuflucht und anschließend Namandabu Namandabu Namandabu - die Kurzform von Namu Amida Butsu. In dieser Zuflucht zu Amida Buddha bekräftige ich mein ´Vertrauen´, meine Hingabe in ´scheinbarer´ Eigenkraft. Ich danke dafür, auf dem Weg zu sein, und ich bekräftige meine Erkenntnis, ein ´Icchantika´, ein Hoffnungsloser, zu sein. Jemand, der von Amida so angenommen wird, wie er ist. Der Myokonin Saichi sagt: ´Komm wie du bist!´
    Aber wie bin ich?
    Habe ich mich geändert, seit ich mit der Lehre Buddhas in Berührung kam? Wenn ich zurückblicke, sehe ich all das, was Shinran uns in der Jodo-Shinshu-Lehre dargelegt hat, bestätigt.
    Die Basis meines Lebens hat sich verändert.
    Im Bewusstsein der ´Vier Edlen Wahrheiten´ folge ich dem ´Edlen Achtfachen Pfad´, lebe nach den fünf Silas und versuche, meinen Körper und meine Psyche heil durch den Tag zu bringen. Wenn es ´eng´ wird, wenn Ärger und Stress übermächtig werden, spreche ich das Nembutsu und versuche mich an das zu erinnern, was wirklich wichtig ist - Vertrauen in Amida.
    Jeder Schritt ist Praxis, jeder Gedanke ist Praxis, meine ganze Person ist Praxis. Es gibt keine Trennung zwischen Meditation, Rezitation und Handeln im täglichen Leben.
    In Wirklichkeit nehme nicht ich Zuflucht zu Amida, sondern Buddha in seiner Form als Amida nimmt meine Person in sich auf. ich kehre täglich zu meinem Ursprung zurück.
    Diese Manifestation des Tathagata in mir unterliegt nicht meiner Wertung von groß und klein, viel oder wenig, denn sonst würde ich eventuell sagen: `Jeden Tag ein bisschen mehr´.
    Der weglose Weg ist sicher einer der schwersten, solange das ´gestiftete Vertrauen´ nicht in uns erwacht ist.
    Wenn Nagarjuna im Dasabhumika-Vibhasa auf eine Frage den Buddha sagen lässt: ´Der leichte Weg ist für schwache Menschen und Feiglinge,´ so deckt sich das mit Shinrans Aussage im Kyo Gyo Shin Sho: ´Wir sind alle Icchantikas´ ... Hoffnungslose.
    Für uns Hoffnungslose wurde das ´Ursprüngliche Gelübde abgelegt, das besagt, dass Buddhas ´Geburt´ als Amida nur den einen Zweck hat, Vertrauen in uns erwachen zu lassen, um uns letztendlich zu befreien. In meiner Praxis der Nichtpraxis unterscheide ich mich äußerlich sicher nicht sehr von praktizierenden Buddhisten anderer Traditionen. Innerlich bin ich frei von Zwängen. daraus entsteht ein Glücksgefühl, das machmal einfach Namandabu Namandabu aus mir heraussprudeln lässt. ´Wie wunderbar, das Reine Land Hier und Jetzt´, ein unfassbares Glück. Meine Antwort kann nur heißen Namandabu Namandabu Namandabu.“



    Thomas Moser wurde 1994 in Kyoto als bisher einziger Deutscher zum Jodo-Shinshu-Priester geweiht. Er ist Vorsitzender der DBU-Mitgliedsgemeinschaft Jodo-Shinshu Deutschland e.V. und leitet die Jodo Shin Begegnungstätte in Bad Reichenhall.


    Hallo liebe Freunde ^^
    viel Spaß beim Lesen. Der Text ist aus der Lotusblätter-Ausgabe 1/99.