Beiträge von Erdmaus im Thema „Den Geist trainieren?“

    Zitat

    Wo ist nur dann der Nagel... ?


    Der Nagel ist ein Modell, welches wir konstruiert haben. Kausale Erscheinungen haben unser Gehirn dazu animiert diese Erscheinungen abzubilden. Somit sind wir in der Lage Prognosen zu treffen und uns zurecht zu finden. Es ging mir lediglich darum, dass diese Modelle immer unvollständig sind. Das merken wir immer dann, wenn unsere Prognosen nicht zutreffen. Dann wird meist eine Modifikation des Modells vorgenommen (nennt sich lernen), so dass in Zukunft diese Fehlprognose nicht mehr auftritt.


    Wenn man Fahrradfahren lernt, erschafft das Gehirn ein Modell von der Arbeitsweise eines Fahrrades. Das Modell umfasst unzählige Parameter und dient dazu die komplexen Bewegungsabläufe koordinieren zu können. Trotzdem lernt das Gehirn immer mehr dazu. Ein Profi-Biker hat demgemäß ein viel präziseres Modell als ein Anfänger. Trotzdem legt sich auch ein Profi ab und zu auf die Nase, weil irgendein feinabgestimmter Modellparameter noch nicht richtig justiert war.


    Grüße
    maus

    Zitat

    Wir wissen, wie ein Nagel wirkt.


    Wir haben ein Modell, welches die Wirkungen eines Nagels mehr oder weniger gut beschreibt. Ein Meisterschreiner oder jemand, der viel mit Nägeln zu tun hat, wird ein genaueres Modell über Nägel verinnerlicht haben als jemand, der diese Teile nur ganz selten mal verwendet.


    Unter bestimmten Bedingungen wird aber selbst ein Meisterschreiner keine Ahnung haben wie ein Nagel sich verhält, wenn man ihn zum Beispiel auf 1 Millionen Grad erhitzt und innerhalb von 1µs wieder auf 0 Grad abkühlt. Er weiß auch nicht, ob der Nagel ein Bewusstsein hat, oder ob er zu Leiden fähig ist, wie gut er den elektrischen Strom leitet usw usf...


    Man sieht selbst an diesem einfachen Beispiel, dass die Wirklichkeit in der wir leben eine Modellwelt ist und das es zwischen diesen Modellen und unserem Gehirn keinen Unterschied gibt. Da sind wir wieder beim nicht vorhandenen Betrachter.

    bel:
    Erdmaus:

    Dein Gehirn konstruiert ein Modell von einem Nagel. Dieses Modell ist mit dem Gehirn (oder Teilen davon) identisch, weil es der Struktur desselben entspricht (Neuronale Verknüpfungen + Prozesse). Was der Nagel außerhalb dieser Modellvorstellungen wirklich ist weiß niemand, wusste niemand und wird auch niemals jemand wissen. Das liegt in der Natur der Sache.


    Na, das stimmt nicht ganz so. Das Gehirn widerspiegelt mit Modellen bestimmte Wirkzusammenhänge. Davon lassen sich dann Prognosen ableiten, wie sich diese Wirkzusammenhänge innerhalb aller Wirkzusammenhänge (der Wirklichkeit) verhalten. Treffen die Prognosen nicht zu, wird das Modell verworfen.
    Was "bestimmte Wirkzusammenhänge" sind, wird nur durch praktische Erfordernisse definiert, die anderen werden normalerweise vernachlässigt, z.B. auch der, daß nicht nur die Modelle, sondern auch das dadurch Abgebildete mit dem Beobachter identisch ist - aber das ist denn im Falle der gedanklichen Fassung auch schon wieder ein Modell (wie jedes andere).


    _()_


    Ich würde dem was du schreibst gar nicht widersprechen. Allerdings wissen wir "wirklich" nicht was ein Nagel ist. Wir wissen lediglich von unserem Nagelmodell, dass es rein funktional im Hinblick auf Prognosen und Beschreibungsmöglichkeiten mehr oder weniger gut funktioniert (Nagel ist spitz, hart, aus Metall usw...). Die Evoultion hat dazu geführt, dass gut funktionierende Modelle in uns angelegt sind (oder erlernbar sind), so dass wir uns in der "Welt" zurechtfinden können. Dazu ist es aber nicht nötig, dass wir wissen was die Welt wirklich ist. Ich sehe auch keinen Grund, warum dieses Wissen in uns angelegt sein sollte. Die moderne Physik führt uns ja ständig diese Defizite vor Augen. Lediglich die Mathematik lässt uns noch eine Türe offen, so dass wir zwar noch Dinge berechnen können, diese Dinge aber von unserem Gehirn nicht mehr erfassbar sind. Wir kommen mit den drei Dimensionen und der Zeit gut zurecht, aber das wars auch schon. Darum sind auch viele physikalische Modelle im Grunde nur Konvertierungen in unsere Vorstellungswelt. Schönes Beispiel ist das (naive) Atommodell mit Kügelchen die umeinander kreisen und die Moleküle, die man per Klettverbindung aneinander stöpseln kann.


    lg
    maus

    Zitat

    Also, wenn "ich" etwas wahrnehme, das ich dann als "Nagel" bezeichne, dann wäre der Nagel auch ich? :shock:


    Dein Gehirn konstruiert ein Modell von einem Nagel. Dieses Modell ist mit dem Gehirn (oder Teilen davon) identisch, weil es der Struktur desselben entspricht (Neuronale Verknüpfungen + Prozesse). Was der Nagel außerhalb dieser Modellvorstellungen wirklich ist weiß niemand, wusste niemand und wird auch niemals jemand wissen. Das liegt in der Natur der Sache.


    Wie Mabuttar aber auch schon anklingen ließ, sollte man sich auch nicht auf einen extremen Standpunkt stellen, der davon ausgeht, dass es nur das gibt, was im Kopf passiert. Es scheint jedenfalls so, als gäbe es "externe" Auslöser. Wir sind aber leider in der Situation diese externen Auslöser niemals direkt, sondern nur über Modelle erfassen zu können, welche unser Gehirn generiert. Und diese Modelle sind integraler Bestandteil von uns. Darum sind "Objekte" (genauer Modelle von Objekten) immer mit dem Beobachter identisch.


    Das einzige, was wir direkt erleben können, sind unsere Modelle selbst. Das geht nur deshalb, weil "wir" (der Betrachter) mit diesen Modellen identisch sind.

    Man kann die Frage auch umdrehen und fragen ob der Geist überhaupt in der Lage ist etwas anderes zu beobachten als sich selbst.


    Die Metapher mit dem Betrachter, der vor einer Leinwand steht hat nämlich einen gravierenden Haken. Der Betrachter betrachtet die Leinwand gar nicht. Er betrachtet das Licht, welches von der Leinwand reflektiert wird. Und selbst dieses Licht betrachtet er nicht, denn er betrachtet die Signale, welche die Netzhaut generiert. Und selbst diese Signale betrachtet er nicht, weil er das betrachtet, was das Gehirn letztendlich aus wiederrum diesen Signalen generiert. Wenn man diese Kette weiterführt, gibt es einen Punkt, ab dem Betrachter und Objekt völlig identisch sind.


    Genauso verhält es sich mit dem Geist auch. Der Geist ist sein Geistobjekt. Es gibt das Geschmacksbewusstsein, das Geruchsbewusstsein usw... aber niemals einen Betrachter. Wenn man einen Betrachter postuliert, führt das zu ganz fundamentalen Problemen, die sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Darum scheint es sinnvoll gar nicht erst von einem solchen "Ding" auszugehen. :)


    lg
    maus


    Ich persönlich halte nicht so viel von dieser Leinwand-Beobachter-Metapher. Das Beobachtete und der Beobachter sind miteinander identisch. Ich sehe jedenfalls keinen Unterschied. Oder was denkst du darüber?


    lg
    maus