ZitatGleichzeitig erscheint mir die Begrifflichkeit abstrakt. Das ist schön, denn es überlässt dem sich damit auseinandersetzenden die Freiheit, dies für sich zu verstehen und umzusetzen.
GIbt es aber konkretere Formulierungen zu einem Kodex/Kanon bezüglich des Zusammenlebens der Menschen? Ganz neutral, ob sie nun in unseren Augen gefällig sind oder nicht?
Die Begrifflichkeit ist ebenso abstrakt wie die 10 Gebote. Im Judentum gibt es ein sehr ausgeklügeltes System an Regeln, z.B. darf nur gegessen werden was koscher ist. Ich selbst würde so nicht leben wollen und wenn ich nachdenke, so hat sich Jesus über die enge Auslegung der Regeln hinweggesetzt und z.B. am Sabbath Kranke geheilt. Ich habe das so gelernt: "Die Regeln sind für die Menschen da, nicht umgekehrt." Und das impliziert, dass Regeln nur Hilfestellungen sein sollten, Orientierungshilfen. Dazu gehört eben auch, dass von Fall zu Fall neu entschieden werden muss. Zuoberst bei Jesus stand die Liebe, an der wird alles gemessen. Das kann man auch Mitgefühl oder Mitmenschlichkeit nennen. Für mich ist das ebenfalls die Faustregel im Buddhadharma so wie ich ihn verstehe. Um das Denken und Ergründen komme ich nie drumrum. Weder im Christentum noch im Islam noch im Judentum noch im Buddhismus. Aber natürlich habe ich die Wahl und kann eine fundamentalistische und rigorose Haltung einnehmen, dann wähle ich einmal richtig und schalte einen Teil meines Denkens ab.
ZitatDie Ursache sehe ich in der im Grunde egoistischen Grundeinstellung des Buddhismus.
Das kann ich nicht so sehen - zum einen weil ich verwurzelt bin in den abrahamitischen Religionen und zum anderen weil ich im Mahayana praktiziere. Für mich ist es selbstverständlich, dass ich nichts für mich alleine tue. Deshalb kaufe ich es den Theravadins, die das behaupten auch nicht ganz ab. In dem Moment, in dem ich auch nur rudimentär erkenne, dass alles mit allem verbunden ist, weiß ich doch, dass ich nicht alleine für mich praktiziere. Ich habe die Vermutung, dass es dort Egos gibt wie woanders auch und die das dann für sich verstärkend verwenden. Womöglich ist es mehr eine kulturelle und charakterliche Eigenschaft als eine der Lehren des Buddha? Es wäre interessant zu wissen, auf welcher Grundlage der Theravada gewachsen ist, dass er heute zum Teil so unsolidarisch daherkommt. Aus dem Palikanon kann das ja nicht abgeleitet sein, man denke an die Sutra, in der Buddha den kranken Mönch pflegte oder wie er niemanden ausgrenzte. Die Frage ist, ob diese Stelle überhaupt wahrgenommen wurde. Jede Kultur hat schließlich einen anderen Blick und selektiert, so dass die Stellen, die den bisherigen Gewohnheiten entsprechen, betont werden, andere vernachlässigt – die Rezeptionsästhetik beschäftigt sich mit diesem Phänomen. Wer weiß, wie die Ausprägung gewesen wäre, wenn der Theravada hier in Europa entstanden wäre bzw. wie er sich gestalten wird im Laufe der europäischen Geschichte.
Im Mahayana können wir durchaus für das Heil anderer beten. Ebenso kann man um Hilfe bitten. Aber wie ich auch schon von Christen gehört habe, es hilft einen, den Blick, seine Geisteshaltung zu verändern, frei nach dem Motto "Hilf Dir selbst, dann hilft Dir Gott." Ich selbst erlebe das als äußerst effektiv, wobei ich offen lasse, ob da nicht doch wer "von außen" seine Hände im Spiel hat. Ja, und dann gibt es noch die Übertragung … Wer diese Erfahrung nicht selbst gemacht hat, der wird das wahrscheinlich nicht verstehen. Es darf nur nicht so interpretiert werden, als ob es eine Teleportation sei ("Ich übertrage die Armbanduhr auf meiner Linken kraft meiner Gedanken auf Deine Linke"). Aber ein guter Lehrer findet offensichtlich bei seinem Schüler im richtigen Moment die richtigen Worte und - Zack! die Tür geht auf. Das ist schon mehr als die Wirkung eines gelungenen Vortrags.
ZitatKonkrete Hilfe wie ein Stück Brot für einen Hungernden ist zwar gut, aber nichts im Vergleich zu einer Belehrung eines Buddhas.
So heißt es, ja. Ich selbst betrachte jedoch das Stück Brot als die "fleischgewordene Lehre des Buddha". Buddha hob eine Blume in die Höhe, wir können das Brot reichen. Das eine ist vom anderen nicht unterscheidbar in meinen Augen.
Liebe Grüße
Doris - Knochensack