Beiträge von Bhikkhu Trinley im Thema „Leerheit realisieren -> Erleuchtung“

    Ah... wie die Zeit vergeht!
    Sorry, ich weiß es ist unhöflich was zu schreiben und dann keine Zeit zu haben auf die Reaktionen zu antworten :(


    Dann woll'n wir 'mal...


    Ich bin schon seit vielen Jahren 'Buddhist', d.h. ich habe Zuflucht zu den drei Juwelen genommen (1995), Bhikkhu bin ich aber noch nicht so lange (noch keine 10 Jahre, also kein 'Ältester', Khenpo bzw Mahathera). Graduell ist mir klar geworden was es mit der 'Leerheit' auf sich hat, zB dass es keine Philosophie ist sondern eine Art Phänomene zu erfahren (oder nicht zu erfahren). Nach Nagarjuna ist derjenige welcher 'Leerheit' zu einer Theorie macht und daran anhaftet unheilbar; aber am Anfang können wir wohl nicht ohne Theorie ;)


    >>"Mich würde auch noch interessieren, Bhikkhu Trinley: Ob, wie und warum sich das Phänomen "Stromeintritt" von dem Phänomen "Befreiung" unterscheidet."


    Nun, erstens ist es kein Phänomen (!) sondern ein Modus, zweitens bedeutet Stromeintritt unwiderruflich auf dem Weg zur Befreiung zu sein, d.h. man hat genügend Heilsames im Geistesstrom angesammelt sodas es kein Zurückfallen mehr gibt.
    Im Palikanon werden vier Ziele unterschieden: Stromeintritt, Einmal-Wiederkehrer, Nicht-Wiederkehrer, Arahant (Heiliger).
    Im Mahayana entspricht das Erlangen der ersten Bodhisattva-Stufe dem Stromeintritt der Bodhisattvas. D.h. für einen Bodhisattva geht es mit der Verwirklichung der Leerheit erst richtig los! Gemäß der Einteilung in fünf Pfade, gibt es 1. den Pfad der Ansammlung, 2. den Pfad der Vorbereitung, 3. den Pfad des Sehens, 4. den Pfad der Meditation und 5. den Pfad des Nicht-mehr-lernens. Wegen 1. hat man die kostbare menschliche Geburt erlangt und überhaupt das Bedürfnis dem Dhamma zu folgen, wobei man sich dann auf dem 2. befindet. Auf dem 3. verwirklicht man die Leerheit (Stromeintritt, man sieht es direkt), und ist dann zur richtigen Meditation auf 4. fähig die in die Erleuchtung/Befreiung 5. mündet (man muss nicht mehr üben). 4. besteht hauptsächlich darin die Gewohnheitsmuster zuerst die groben und dann die ganz feinen aufzulösen. Die fünf Skhandas werden als die fünf Buddhafamilien erkannt etc.


    >>"Kann ein Ich Leerheit erfahren? Du drückst das ja so aus: wenn DU Leerheit erfährst. Ist Leerheit eine Erfahrung, die ein Ich machen kann? "


    Leerheit bezieht sich auf die Art und Weise wie Phänomene erfahren werden. Leerheit ist kein Phänomen welches erfahren werden könnte, allenfalls der Gedanke der Leerheit ist ein Phänomen bzw genauer eine Folge von Phänomenen. Insofern ist Leerheit leer von Leerheit ;) Wenn ich mich 'ausdrücke' dann muss ich die Regeln der deutschen Sprache anwenden, sonst versteht keiner was ich sagen will. Man kann mit unerleuchteten Mitteln die Erleuchtung nicht beschreiben, aber man kann den Weg beschreiben.


    >>"Würdest Du sagen, dass diese Qualitäten ein Jemand hat?"


    Was soll 'ein Jemand' bedeuten? Sich Erleuchtung wirklich vorzustellen bedeutet Erleuchtung erlangen. Wenn du den Erleuchteten finden willst wirst du nichts konkretes finden, nur Empfindungen, Wahrnehmungen, Formen und Willensregungen. Es ist eine bloße Empfindung ein konkreter Jemand zu sein, die vergänglichen Formen zugeschrieben wird.
    Wenn ich dich begrüße und dir die Hand gebe bist du die Hand, spreche ich dich an bist du das Ohr, lächele ich dich an bist du das Auge, schmeichele ich dir bist du das gute Gefühl, beleidige ich dich bist du der Zorn etc.


    >>"Ja, das ist so. Der Durst ist weg. Das ist wirklich absolut erstaunlich und doch das Einfachste und Klarste überhaupt. Kein Suchen mehr, kein Wandern mehr. Ist es das, was Du meinst?"


    Da findet kein grobes Denken statt, Buddha hat es verglichen mit einem Verdurstenden in der Wüste der eine Oase findet und sich vollständig erfrischt, oder ein Lotus in einem kühlen See, der vollständig vom kühlen Nass durchtränkt ist (über das erste Dhyana)


    >>"Ursachen sind überhaupt nicht mehr vorhanden. Nur dann tritt nichts in Erscheinung. Man kann auch sagen: Nichts tritt in Erscheinung. Da gibt es aber kein "Wenn". Meinst Du es so?"


    Nicht wirklich. Die Ursache 'fundamentale Unwissenheit' ist aufgehoben und kann nie wieder kommen. Es ist wichtig zu verstehen das hier keine intellektuelle Unwissenheit gemeint ist, sondern die falsche Art wie Phänomene erlebt werden. Nirvana ist kein Nichts, sondern das Ungeborene, ein Aufhören der Verblendung. Im Palikanon sagt der Tathagata (wie Buddha sich selbst nannte) wenn es das Ungeborene nicht gäbe so gäbe es auch keine Befreiung!


    >>"Das ist mir viel zu kompliziert, sorry! Meinst Du, das es kein Ding da draußen unabhängig von mir gibt? Das Ding und ich sind eins? Das?"


    HA HA HA! Nein! Man muss verstehen was Phänomene sind! Wir leben so, als wenn Phänomene da 'draußen' existieren würden. Nehmen wir als Beispiel das Licht. Licht das du siehst wo ist das? Draußen im physikalischen Raum vor deinen Augen? Das Licht welches du im Traum siehst wo ist das dann? Wird es hell in deinem Zimmer wenn du von der Sonne träumst? Phänomene entstehen in Abhängigkeit von Sinnesorganen, Sinneseindrücken und Sinnesbewußtsein; Licht als Phänomen hat nichts mit dem physikalischen Licht zu tun! Wenn man das Auge mit einem Finger seitlich (nahe der Retina) von außen drückt dann sieht man ein Lichtphänomen, ist der Finger deshalb ein Photon? Nein! Deshalb kann man sagen, dass deine gesamte Erlebenswelt nur Geist ist (einschliesslich Raum- und Zeitwahrnehmung - zB der Raum im 3D Bild, wo ist der?) - ein Geist der (im Gesunden) zur Hälfte (Dualität) von den Sinnesorganen beherrscht wird, also nicht dem Willen unterliegt. Man kann zB nicht einfach die Wahrnehmung 'Rotes Licht' als 'Grünes Licht' oder gar 'Feilchen Geruch' wahrnehmen auch wenn man das wollte (obwohl es möglicherweise unter LSD zu solchen Erfahrungen kommen kann und bei Psychosen). Ein wichtiger Aspekt der Meditation ist übrigens den Geist unter Kontrolle zu bekommen. Es bedeutet also nicht, dass es da 'draußen' nichts gäbe, sondern das wir das was da draußen ist nicht an und für sich denken können, sondern nur über die Phänomene. Wobei man sagen muss das Phänomene uns durchaus Informationen vermitteln über das da draußen. Deshalb benötigen wir Wissenschaft. Wenn wir die 'Dinge', 'Noumena' direkt so sehen könnten wie sie sind, dann bräuchten wir keine wissenschaftlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung. Da wir aber tatsächlich eins sind mit der Wirklichkeit da draußen, können Phänomene an und für sich nicht etwas fundamental verschiedenes von den Noumena sein, sondern müssen sich selbst wiederum aus Noumena zusammensetzen. Deshalb können wir durch Meditation prinzipiell Zugang zur absoluten Wirklichkeit - der Soheit - erlangen. ...und ich spreche hier nur deshalb von einem 'Jemand', 'wir' etc., weil es die Sprache so verlangt. Tatsächlich ist der 'Ort', der 'Jemand' an dem das geschieht prinzipiell nicht zu definieren, denn dafür müssten ja wieder bestimmte Phänomene erzeugt werden, aber hier geht es um die Natur aller Phänomene und diese kann man nicht durch unterscheidende spezielle Phänomene gezielt bestimmen und deshalb auch nicht erdenken! Oder kann man sagen, dass es einen Ort oder ein Ding gibt das die Naturgesetze ist? Das ist so ähnlich. Aber trotzdem ist es konventionell gesprochen (also von der Seite der fundamentalen Unwissenheit aus gesehen) eine Person die Erleuchtung erlangt. Buddha hat Erleuchtung erlangt aber seine 4 Kumpels nicht, auch nicht die Steine um ihn herum etc. Als er ins Parinirvana eingegangen ist hat er scheinbar aufgehört zu existieren (Mara hat, als dunkle Wolke sichtbar, überall vergeblich nach ihm gesucht), aber wenn man Buddha gefragt hatte ob der Tathagata nach dem Tode existiert oder nicht-existiert, dann hat er geantwortet das beides nicht zutrifft.


    >>"Ist das aber eine WENN-DANN Erfahrung, die man "machen" kann, die man erreichen kann, wie einem ja die Religionen erzählen? Meditiere, reinige Deine Sünden, liebe alle, sei im Hier und Jetzt, beachte die Lücken im Denken usw. DANN wirst Du die Erleuchtung gewinnen, ins Paradies kommen - Im Grund sagen sie: trainiere, trainiere, trainiere, dann kommst Du zum wahren Sein. Wie so eine Art Sport oder Goldmedaille im Sport."


    Ja, am Anfang muss man gewisse Qualitäten entwickeln, erst intellektuelles Wissen ansammeln (worum geht es überhaupt?), auch zB die Fähigkeit zur Introspektion entwickeln etc. genauer gesagt die Übung in Tugend, Meditation und Weisheit (oder die sechs/zehn Paramitas oder auch der Edle Achtfache Pfad). Dadurch kann man die Hindernisse abbauen - gleichzeitig besteht aber auch die Gefahr auf Abwege zu gelangen, zB wenn man zum Gelehrten wird und das was man dann lehrt nur theoretisch beherrscht - "Eunuchen, sie wissen wie man es macht" ;) (frei nach Volker Pispers), oder wenn man bei der Meditation zu sehr von den göttlichen Zuständen von Glück und Macht gefesselt wird etc. Im Grunde geht es darum zu erkennen, was schon immer 'so' war, denn wenn Erleuchtung etwas Erschaffenes wäre könnte sie nicht endgültig sein.


    So, ich hoffe ich habe soweit alle Fragen beantwortet - sorry, falls ich jemanden übersehen haben sollte!


    Bhikkhu Trinley


    Hallo Bibo!


    Ich bin auch neu hier, allerdings nicht neu was den Buddhismus angeht!


    Also, du hast ja eine Menge fragen, die philosophisch auch nicht einfach zu beantworten sind.


    1. Realisierung der Leerheit gilt als Zeichen des Stromeintritts. D.h. wenn du Leerheit dauerhaft direkt erfährst dann ist dir Nirvana/Erleuchtung sicher, denn du befindest dich in einem kontinuierlichen Strom auch über den Tod hinaus.
    2. Erleuchtung ist das Verwirklichen gewisser Qualitäten, die durch das Aufhören von Verblendungen, 'Befleckungen', sichtbar werden (kontrovers).
    3. Ein Glücksgefühl ist nur ein vergängliches Phänomen. Allerdings erfährt man am Anfang, wenn man das erste mal einen Schimmer der Leerheit erfährt ein starkes Glücksgefühl, so wie wenn man starken Durst gelöscht hat.
    4. Ewig bedeutet ohne Ende, ohne Rückfall. Wenn bestimmte Ursachen aufgebraucht sind können sie nicht wieder erstehen, denn ohne Ursachen kann nichts in Erscheinung treten
    5. Leerheit betrifft alle Phänomene. Allerdings sollte man wissen was Phänomene sind! Leider wird umgangssprachlich dieses Wort falsch benutzt! Phänomene sind Erscheinungen, und es gibt einen Unterschied darin was wie erscheint und wie es ist. I. Kant nannte dies Phänomena und Noumena. Deshalb gibt es Zeit als Phänomen, wie sie erlebt wird, wie sie uns erscheint, und als Noumenon, wie sie wirklich ist. Phänomene entstehen in Abhängigkeit von Sinnesorganen, Sinnes-reizen und Sinnesbewusstsein. Es gibt also keine 'äußeren' Phänomene, sondern höchstens Phänomene die von außen verursacht wurden. Zeit als Phänomen hat also nichts mit der Zeit selbst zu tun sondern mit unserem Erleben unserer Erfahrung. Deshalb kann auch dieses Phänomen als leer erfahren werden und zwar von Augenblick zu Augenblick.
    6. Zu realisieren das nichts wesenhaft ist bedeutet zu realisieren, dass Wesenhaftigkeit eine geistige Projektion ist. Noumena können mit dem phänomenalen Geist nicht erfasst werden, wie I. Kant schon festgestellt hat. Allerdings gibt es hier einen Trick: Phänomene selbst, also an sich genommen und nicht als das wofür sie stehen, müssen ja Noumena sein! D.h. durch Meditation über die wahre Natur der Phänomene erlangt man Zugang zur absoluten Wirklichkeit der Noumena und das scheint Erleuchtung zu ermöglichen.


    So, ich hoffe das ist hilfreich
    Diskussion erwünscht ;)


    Trinley