Karma - bedingtes Entstehen

  • Hallo,


    blue_apricot:

    Auf die Schnelle gefunden , erstmal:

    Zitat

    Ein Mensch,dem der Glauben fehlt,sollte schnell die Lehren der Patriarchen studieren. Er sollte vermeiden sich mit denen zusammen zu tun, die Kausalität, karmische Vergeltung und die Existenz der drei Welten missachten, weil jene, die diese Dinge ignorieren und unfähig sind, Gutes von Bösem zu unterscheiden, eher fehlgeleitete Ansichten vertreten. Karmische Vergeltung erscheint in drei Zeitabschnitten -im gegenwärtigen Leben- im nächsten Leben-nach zwei aufeinanderfolgenden Leben. Klärt das schnell, denn sonst hängen wir leicht falschen Vorstellungen an, werden lange in den drei üblen Welten leiden, werden darin scheitern Gutes zu tun und unbestimmbaren Verlust unserer Verdienste erfahren; so werden wir für sehr lange Zeit nicht in der Lage sein, Erleuchtung zu verwirklichen.


    Sanji Go im Shobogenzo/ Karmische Vergeltung in drei Zeitabschnitten
    https://books.google.de/books?isbn=3936018588


    vielen Dank für diesen Hinweis.


    Gruß
    Florian

  • Um es kurz zu machen:


    Die Karma-Lehre (Ursache-Wirkung, bedingtes Entstehen) ist im Chan traditionell ein "geschicktes Mittel", eine behelfsmäßige Lehre. Auch sie wird auf dem Weg aufgegeben!


    Noch einmal sei Huang-po zitiert:


    Zitat

    Frage: „Ist die Natur Buddhas wie die fühlender Wesen oder davon verschieden?“ Der Meister antwortete: „Ihre Natur hat kein Merkmal wie gleich oder verschieden. Nehmen wir an, es gäbe eine Lehre der drei Fahrzeuge, die zwischen Buddha-Natur und der Natur fühlender Wesen unterschiede. Daraus folgte die Ansicht von Ursache und Wirkung, und von daher ließe sich ihrer Natur ein Merkmal wie gleich oder verschieden zuweisen. Wenn die Buddhas und Patriarchen jedoch nie auf solche Weise geredet haben, sondern lediglich auf den Einen Geist verwiesen, dann gäbe es dieses gleich und verschieden nicht, keine Ursache und Wirkung und – außer als behelfsmäßige Lehre – kein zwei oder drei. Darum gibt es tatsächlich nur Ein Fahrzeug!“


    Nach Meinung Huang-pos haben die Buddhas nie auf solche Weise geredet, sondern nur auf den Einen Geist verwiesen, und darum ist im Chan das Karma und was dranhängt eine "behelfsmäßige Lehre" oder "ein geschicktes Mittel". Statt sich darüber den Kopf zu zerbrechen, sollte man diese Lehre so bald wie möglich abwerfen.


    Dogen sagt z.B. an einer Stelle im Eihei Koroku das Gegenteil: ""Students of the way cannot dismiss cause and effect. If you discard cause and effect, you will ultimately deviate from practice-realization." (Okumura/Leighton, D. 454) Also: Wenn du Ursache-Wirkung wegwirfst, dann weichst du von Praxis-Verwirklichung ab.


    Er meint auch, es ginge eben darum, das Üble gar nicht zu tun, und darum immer weiter zu sitzen ("We penetratingly see "not to commit any evil" and thereby sit in meditation through and through", S. 109 Hee Jun-Kim). Das wird später auf teils witzige Weise z.B. von Sawaki aufgenommen, wenn er sagt, wenn man sitzt, könne man wenigstens keine Dummheiten machen. Daraus kann man übrigens - da Übles ja auch in Gedanken und damit auch im Zazen noch getan werden könnte - (zumindest wenn man wohlwollend ist) schließen, dass Dogen in Wahrheit das Gleiche meinte wie Hui-neng und Huang-po, nämlich, dass es nicht aus Sitzen als körperlicher Akt ankommt, sondern das Sitzen bloß eine Umschreibung für den geklärten Geist ist (der nicht mal mehr Übles in Gedanken verbricht). Nur so wäre er jedenfalls im Einklang mit dem Palikanon, bei dem das Üble ja schon im Kopf und mit der Absicht beginnt.


    Leider kann man den Abschnitt über die Drei Zeitabschnitte im Shobogenzo, in denen Karma vergolten wird, nicht zu Dogens Glanzlichtern zählen. Es ist mit seinem Werk wie mit dem Palikanon, man wird den Verdacht nicht los, dass da Leute mit unterschiedlichen Fähigkeiten rumgeschrieben haben, oder aber, dass er eben selbst nicht durchgängig klar war. Sonst hätte er sich das Kapitel sparen können. Wenn man kritisch ist, kann man allein an seinen Ausführungen zum Karma in der Gesamtheit sogar nachweisen, dass er vom Chan abweicht: "Karma verneinen ist eine falsche Ansicht, Zazen mit einer falschen Ansicht ist nutzlos", Eihei Koroku, s.o., S. 392). Da man nicht viel über seinen Lehrer weiß, ist sowieso anzunehmen, dass er seine eigene Suppe kochte und ihm niemand das nachweisen konnte oder wollte. Immerhin kamen dabei auch die immer wieder zitierten Highlights wie seine Gedichte oder Kapitel wie Uji heraus, die das Zen in meinen Augen weiterbrachten. Und auch bei den anderen leuchtet ja nicht alles.

  • micha:

    Um es kurz zu machen:


    Die Karma-Lehre (Ursache-Wirkung, bedingtes Entstehen) ist im Chan traditionell ein "geschicktes Mittel", eine behelfsmäßige Lehre. Auch sie wird auf dem Weg aufgegeben!


    Hi micha


    ich habe Huang Po nicht gelesen


    aber inwiefern wird deiner Ansicht nach „Ursache-Wirkung auf dem Weg aufgegeben“?


    kannst du das in Kürze sagen?


    :?:

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

    Einmal editiert, zuletzt von nibbuti ()

  • @ micha:


    Zitat

    „Ist die Natur Buddhas wie die fühlender Wesen oder davon verschieden?“ Der Meister antwortete: „Ihre Natur hat kein Merkmal wie gleich oder verschieden.


    Zitat

    When this Mind is enlightened, it is the Buddha; but when it is confused, it remains only the mind of sentient beings.


    Empfehle auf Ganzheit zu achten.
    Da kommen heftige Neigungsfrequenzen in deinen Beiträgen zum Zuge. Die Überschrift s.o.kommt gar wie ein Fakt daher. Günstiger: Zuneigung und Abneigung, Bevorzugung und und Diskriminierung iwie abzuputzen, wenigstens erstmal die ganz großen Krümel um den Mund rum. Zum Balken im Auge kommt man später.

  • blue_apricot: Dein Satz ist nicht der, den ich übersetzt habe, falls du das dachtest.


    nibbuti: Wie sich das äußert? Die Karma-Lehre aus dem Palikanon (oder von Dogen, oder wie kürzlich von Brad Warner laut seinem Blog so noch mal auf CCN im TV untermauert) wird nicht geglaubt, man hält nicht an ihr fest, sie hat keine entscheidene Bedeutung für die eigene "Praxis", was das eigene Leben ist. Wenn man sich mit ihr beschäftigt, praktisch oder in Gedanken, dann als provisorisches Gedankenspiel oder Experiment, nicht als wesentlcher Glaubensinhalt. Wie andere Lehren ist sie durch die Erkenntnis von Leerheit ad acta gelegt und hat ihren Floß-Charakter verloren. Man ist am anderen Ufer und lässt sie davontreiben.

  • micha:

    Die Karma-Lehre aus dem Palikanon (oder von Dogen, oder wie kürzlich von Brad Warner laut seinem Blog so noch mal auf CCN im TV untermauert) wird nicht geglaubt, man hält nicht an ihr fest, sie hat keine entscheidene Bedeutung für die eigene "Praxis", was das eigene Leben ist. Wenn man sich mit ihr beschäftigt, praktisch oder in Gedanken, dann als provisorisches Gedankenspiel oder Experiment, nicht als wesentlcher Glaubensinhalt. Wie andere Lehren ist sie durch die Erkenntnis von Leerheit ad acta gelegt und hat ihren Floß-Charakter verloren. Man ist am anderen Ufer und lässt sie davontreiben.


    Dann ist aber etwas schiefgelaufen.


    Es stimmt, die Lehre von Karma und bedingtem Entstehen kann als Floß verstanden werden:


    Zitat

    "Ihr Bhikkhus, habt ihr mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend richtig gesehen: 'Dies ist in Erscheinung getreten'?" - "Ja, ehrwürdiger Herr." - "Ihr Bhikkhus, habt ihr mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend richtig gesehen: 'Seine Entstehung findet mit jenem als Nahrung statt'?" - "Ja, ehrwürdiger Herr." - "Ihr Bhikkhus, habt ihr mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend richtig gesehen: 'Das in Erscheinung getretene ist mit dem Aufhören jener Nahrung dem Aufhören unterworfen'?" - "Ja, ehrwürdiger Herr."

    "Ihr Bhikkhus, so geläutert und klar diese Ansicht auch ist, wenn ihr euch daran klammert, sie festhaltet, sie auf ein Podest stellt und wie einen Besitz behandelt, würdet ihr dann das Dhamma verstehen, von dem gelehrt wird, daß es einem Floß gleiche, das zum Übersetzen, nicht zum Festhalten da ist [3]?" - "Nein, ehrwürdiger Herr." - "Ihr Bhikkhus, so geläutert und klar diese Ansicht auch ist, wenn ihr euch nicht daran klammert, sie nicht festhaltet, sie nicht auf ein Podest stellt und nicht wie einen Besitz behandelt, würdet ihr dann das Dhamma verstehen, von dem gelehrt wird, daß es einem Floß gleiche, das zum Übersetzen, nicht zum Festhalten da ist? - "Ja, ehrwürdiger Herr."


    (Mahātaṇhāsaṅkhaya Sutta = Madhyamāgama 201, 帝經)


    Wenn das Floß aber auf eine Insel führt, auf der richtige weltliche Anicht nicht mehr gilt, dann ist das die falsche Insel:



    Denn:


    Zitat

    "Sandaka, wenn ein Bhikkhu ein Arahant ist, mit vernichteten Trieben, der das heilige Leben gelebt hat, getan hat, was getan werden mußte, die Bürde abgelegt hat, das wahre Ziel erreicht hat, die Fesseln des Werdens zerstört hat und durch letztendliche Erkenntnis vollständig befreit ist, ist er unfähig, Übertretungen in fünf Fällen zu begehen.


    Ein Bhikkhu, dessen Triebe vernichtet sind, ist unfähig, absichtlich einem Lebewesen das Leben zu nehmen; er ist unfähig zu nehmen, was nicht gegeben wurde, das heißt zu stehlen; er ist unfähig, sich dem Geschlechtsverkehr hinzugeben; er ist unfähig, wissentlich die Unwahrheit zu sprechen; er ist unfähig, Sinnesvergnügen zu genießen, indem er sie ansammelt, wie er es früher im Laiendasein getan hat [4]."


    (Majjhima Nikāya 76, Sandaka Sutta, keine Entsprechung im Madhyamāgama)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Elliot: Tatsächlich läuft was schief, wenn man Textstellen beliebig zusammenklebt. Wenn das Floß abgelegt ist, ist es abgelegt. Es gibt im Chan nach dem Erwachen keine Ansichten mehr, an denen man kleben oder die man zusammenkleben müsste, also auch keine richtigen. Darum wurde das Topic "Leerheit" ausgearbeitet und konsequent zuende gedacht. Man kann es auch so sehen: Man erkannte, was im Palikanon mangelhaft (unlogisch) war und versuchte dem beizukommen. Der Palikanon ist vor Nagarjuna entstanden und kann kein engültiger Maßstab für Nagarjuna IN SEINER GESAMTHEIT sein (schief gelaufen), sondern Nagarjuna legt andere Maßstäbe an das ihm bekannte an und filtert die Essenz heraus.


    Es gibt auch für den Theravadin kein Nirwana, wenn er noch Ansichten hegt. Das ist eine dieser Essenzen. Wenn er es anders handhabt, sucht er sich immer die Textstellen heraus, die mindertiefe Ansichten (so wie es Huang-po erläuterte - für minderbegabte Wesen) enthalten, damit er an diesen Ansichten festhalten kann. Das sind die Hilfsmittel, das Floß. Im Chan gehören dazu auch der achtfache Pfad usw. Ein Nirwana mit Anschauungen ist ein Widerspruch in sich. Nur darum wusste auch schon der neugeborene Shakyamuni, noch bevor er die Hilfsmittel überhaupt für die geistig Trägen entwickelt hatte, dass er bereits alles hatte: "Ich allein bin der von der Welt Geehrte." Das ist bereits die erwachte Sicht. Das restliche Leben und die dicke Lehre sind die Metapher für den Unerwachten, der einen Weg geht. Sie sind nicht einmal eine Metapher für die Armen, denn nur ein Privilegierter aus dem Haus eines Reichen braucht so lange, um zu verstehen, dass es Krankheit, Alter und Tod gibt.

  • micha:


    Zitat

    Tatsächlich läuft was schief, wenn man Textstellen beliebig zusammenklebt.


    Ausgerechnet Elliot...nä


    Zitat

    Man kann es auch so sehen: Man erkannte, was im Palikanon mangelhaft (unlogisch)

    Ist das so ?


    Zitat

    sucht er sich immer die Textstellen heraus, die mindertiefe Ansichten (so wie es Huang-po erläuterte - für minderbegabte Wesen) enthalten, damit er an diesen Ansichten festhalten kann.

    Yup


    Mir scheint aber, es gibt nicht wenige die massenhaft falsche Ansichten zur Leerheit/Realität hegen, was aber iwie normal ist, nur zieht nicht jede/r in den Kampf gegen die Formenwelt .


    Zitat

    blue_apricot: Dein Satz ist nicht der, den ich übersetzt habe, falls du das dachtest.

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    aber lass mal ...


    Alles Gute.

  • micha:

    Wenn das Floß abgelegt ist, ist es abgelegt.


    Hi micha


    das Floß hat nicht einmal Wasser berührt, vom Ablegen am anderen Ufer ganz zu schweigen


    (solange Mythen & Mär'chen über den Buddha dem Dhamma des Buddha vorgezogen werden)


    micha:

    Nur darum wusste auch schon der neugeborene Shakyamuni ...: "Ich allein bin der von der Welt Geehrte."


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • micha:

    Elliot: Tatsächlich läuft was schief, wenn man Textstellen beliebig zusammenklebt. Wenn das Floß abgelegt ist, ist es abgelegt.


    Aber deshalb noch lange nicht am anderen Ufer.


    micha:

    Es gibt im Chan nach dem Erwachen keine Ansichten mehr, an denen man kleben oder die man zusammenkleben müsste, also auch keine richtigen.


    Gut, auf Ansichten mag verzichtet werden. Aber am Verhalten ändert es nichts:


    Zitat

    " Udāyin, da schätzen mich meine Schüler folgendermaßen der höheren Sittlichkeit wegen: 'Der Mönch Gotama ist sittsam, er besitzt die höchste Ansammlung der Sittlichkeit.' Dies ist die erste Tugend, aufgrund derer mich meine Schüler ehren, respektieren, würdigen und verehren, und in Abhängigkeit von mir leben, während sie mich ehren und respektieren."


    (Mahāsakuludāyi Sutta = Madhyamāgama 207, 箭毛經)


    Denn:


    Zitat

    "Was sind heilsame Angewohnheiten? Es sind heilsame körperliche Handlungen, heilsame sprachliche Handlungen und die Läuterung der Lebensweise. Diese werden heilsame Angewohnheiten genannt."

    "Und wo entspringen diese heilsamen Angewohnheiten? Ihr Entspringen ist dargelegt: man sollte sagen, sie entspringen im Geist. In welchem Geist? Obwohl der Geist vielfältig ist, verschiedenartig und mit unterschiedlichen Aspekten, gibt es Geist, der nicht von Begierde beeinflußt ist, nicht von Haß oder Verblendung. Heilsame Angewohnheiten haben ihren Ursprung in diesem."

    "Und wo hören diese heilsamen Angewohnheiten ohne Überbleibsel auf? Ihr Aufhören ist dargelegt: da ist ein Bhikkhu sittsam, aber er identifiziert sich nicht mit seiner Sittlichkeit, und er versteht jene Herzensbefreiung, die Befreiung durch Weisheit, in der jene heilsamen Angewohnheiten ohne Überbleibsel aufhören, der Wirklichkeit entsprechend [4]."


    (Samaṇamaṇḍikā Sutta = Madhyamāgama 179, 五支物主經)


    Viele Grüße
    Elliot

    Viele Grüße

    Elliot

  • Wie immer zuvorkommend. Jetzt postet er schon den Agama-Sutta-Titel (?) Ist doch schön, daß die Übersetzungsarbeit so weit fortgeschritten ist. Verdienstvoll.

  • Jon:
    micha:

    nach dem Erwachen keine Ansichten mehr


    nachdem jemand erwacht ist, gibt es keinerlei ansichten mehr,


    Roshi micha & Roshi Jon müssen erwacht sein

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.