Meditationsanleitung Zazen

  • Zazen

    (Sōtō-shū)




    00 Einleitung / Vorüberlegungen


    Diese Anleitung bezieht sich in erster Linie auf die japanische Sōtō-Schule des Zen. Gewisse Ähnlichkeiten bestehen außerdem zur Rinzai-Schule. In beiden Schulen gibt es aber auch Strömungen, in denen es Abweichungen gibt.

    Je intensiver ich mich mit Zen beschäftige, um die für mich geeignetste Linie zu finden, umso mehr werde ich mich mit der konkreten Praxis meiner Schule befassen, die von dieser Anleitung abweichen kann.


    Die Anleitung ist also für Anfänger / Neulinge gedacht. Sie kann eventuell einer ersten Annäherung dienen, eine „Allgemeingültigkeit“ besitzt sie keinesfalls. Für weitere Linien des Zen (wie z.B. koreanisches, vietnamesisches, chinesisches Zen...) mag sie nicht geeignet sein.




    01 Was unterscheidet Zazen von anderen Sitz-Formen?


    Zazen verfolgt keinen Zweck, es gibt kein Ziel, auf das hingearbeitet wird. Die Bedeutung besteht lediglich im Sitzen selbst.


    Zazen verzichtet auf alles, was mich ablenken oder “in die richtige Stimmung“ bringen soll. Lediglich das Zählen der Atemzüge wird manchmal empfohlen, wenn der Geist besonders unstet und hin- und herspringend ist.


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    Foto: Kodo Sawaki, gemeinfrei, Autor unbekannt


    Kurzes 2-Minuten-Video auf Englisch, in dem Brad Warner auf den Unterschied zwischen Zazen und anderen Formen der Sitz-Praxis eingeht (Helsinki 2009):

    meditation vs zazen - YouTube




    02 Die Umgebung / die äußeren Umstände


    Hier gibt es nur ein paar einfache Hinweise zu beachten. Dōgen, der Zen aus China (dort: Chan) nach Japan gebracht hatte, sagt dazu im Fukan zazengi:


    Zitat

    Für die Praxis des Zazen ist ein ruhiger Raum geeignet. Esst und trinkt nicht zu viel. Gebt alle Bindungen auf und lasst die Pflichten des Alltags ruhen.



    03 Die Sitzhaltung


    Man kann im Lotussitz, im Halb-Lotussitz, Viertel-Lotussitz, im burmesischen Sitz oder im Fersensitz sitzen. Was am besten geht, hängt von der Übungserfahrung, dem Alter, von der Gelenkigkeit, dem Bewegungsapparat ab. Auch auf einem Stuhl sitzen ist möglich.


    Für die Sitzpositionen am Boden wird ein Zafu, ein Meditationskissen oder ein Bänkchen benutzt.


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    Die Augenhaltung

    Die Augen werden weder ganz geschlossen (was einen träumenden / bildergeladenen Zustand begünstigen könnte), noch sind sie ganz geöffnet (was viele Eindrücke aus der Umgebung begünstigen würde).

    Stattdessen sind die Augen halb geschlossen und blicken etwa in einem 45°-Winkel nach unten.


    Auch bei der Augenhaltung gibt es Abweichungen in anderen Traditionen. In den koreanischen Traditionen beispielsweise sind die Augen geöffnet.



    Die Handhaltung

    Die rechte Hand ruht unterhalb des Bauchnabels oder auf dem rechten Oberschenkel, die linke Hand wird auf der rechten Hand abgelegt. Die Daumen werden etwas aufgestellt und berühren sich leicht.

    (Auch hier gibt es Unterschiede in anderen Traditionen. Zudem wird es sich bei Rechts- und Linkshändern gegebenenfalls voneinander unterscheiden, welche Hand oben / unten liegt).


    Oberkörper / Becken

    Die Wirbelsäule ist gerade aufgerichtet. Das wird begünstigt dadurch, dass ein Kissen unter dem Gesäß liegt. So ist das Becken ein wenig nach vorne gekippt, sodass eine stabile, aufrechte Sitzhaltung ganz von selber entsteht. Auf diese Weise ist ein längeres Sitzen mit zunehmender Übung mühelos möglich. Zu Beginn können ein paar kleiner werdende Pendelbewegungen nach links und rechts dabei helfen, die richtige, mittige Position zu finden.


    Die Atmung

    Auf die Atmung wird kein Einfluss genommen. Sie geschieht einfach, es wird nichts forciert. Die Atmung wird auf natürliche Weise ruhiger und langsamer werden im Laufe der Zeit. Ich atme durch die Nase in den Bauch, was einer physiologischen, ungehinderten Atmung entspricht.



    Grundlegende Informationen zur Sitzhaltung und Basishinweise für Zazen vom Yokoji Zen Mountain Center mit Beispielfotos. Gut und einfach auf Englisch beschrieben, auch mit geringen Englischkenntnissen verständlich:

    Zen Meditation Instruction (How to Meditate) - YouTube


    Ein weiteres Video auf Englisch zu dem Thema vom Hazy Moon Zen Center. Auch sehr einfach und anschaulich gehalten:

    How to Meditate - Beginners Introduction to Zazen - YouTube


    Ein Video auf Deutsch zu den verschiedenen Sitzhaltungen von Die kleine Zen-Schule. Es werden Hinweise zu den unterschiedlichen Haltungen gegeben und es wird auf mögliche Probleme eingegangen:

    Meditation auf Hocker, Stuhl, Bänkchen, Kissen | Variationen, Tipps und Tricks - YouTube




    04 Die Geisteshaltung


    Was den Geist angeht, gilt dasselbe wie für Körper und Atmung: Ich versuche nicht, einen Einfluss darauf zu nehmen, oder irgendeinen speziellen Zustand zu erreichen. Ich nehme einfach nur wahr, was sich im Geist abspielt, ohne es zu bewerten oder es mit einem “vorteilhafteren“ Geisteszustand zu vergleichen, den es anzustreben gilt.


    Ich werde anfangs vielleicht feststellen, dass mein Geist sehr flatterhaft und rege ist. Das ändert sich mit der Zeit ganz von selber und der Geist wird ruhiger. Ich muss (und kann) das nicht willentlich herbeiführen oder beschleunigen, es geschieht von alleine.


    Insbesondere was die Geisteshaltung betrifft, kann es auch erhebliche Unterschiede geben.


    In anderen Zen-Schulen könnte die Beschreibung oben in die falsche Richtung führen, weil sie eine Subjekt-Objekt-Sicht begünstigen könnte, die nicht erwünscht ist, bzw. die gerade überwunden werden soll. Auch für andere Zen-Linien wird die obige Beschreibung möglicherweise nicht zutreffend sein.

    In koan-basierten Praxisformen wie dem japanischen Rinzai-Zen oder der koreanischen Hwadu-Praxis besteht die geistige Haltung während des Zazen darin, in die Koan-Frage einzudringen. Vermittels der Koan-Frage richtet sich die Aufmerksamkeit dabei immer auf genau dasjenige, das fragt. Dies wird auch als Schau des (eigenen) Geistes bezeichnet.


    Ein 8-Minuten-Video auf Englisch, in dem Shohaku Okumura (Sōtō-shū) etwas zur Geisteshaltung beim Zazen sagt:

    Zazen is Good for Nothing - YouTube


    In dem Film Blueprints for Zen Practice von Thorsten Heisan Schäffer kommen verschiedene europäische Zenlehrer/innen zu Wort. Ab 46:22 geht es um die Frage: “Was ist Zazen und wie praktiziert man es?“ Die Antworten auf die Frage geben: Harry Misho Teske, Roland Yuno Rech, Muho Nölke, Olivier Reigen Wang-Genh, Christoph Hatlapa Roshi, Doris Zölls, Dagmar Doko Waskönig, Dirk Künne, Alexander Poraj, Fumon Nakagawa Roshi:

    Film Blueprints for Zen Practice - Was ist Zen? Was ist Zazen? [HD] - YouTube


    Ein Video auf Englisch von Jeff Shore (Rinzai-shū) mit dem Titel “Where do we put our mind in Zazen“:

    Where do we put our mind in zazen Dharma talk by Jeff Shore - YouTube




    05 Wie lange, wie oft, wann?


    Die Zeitdauer hängt natürlich von deinem Alltag und von deiner Vertrautheit mit Zazen ab. Für absolute Neulinge können 15 Minuten schon eine kleine Herausforderung sein. Zu einem späteren Zeitpunkt sind 30 oder 40 Minuten vielleicht schon kein Problem mehr. Wenn ich 1 Stunde oder länger sitzen möchte, werde ich vermutlich bereits auf einige Erfahrung zurückblicken können. Auch hier gilt: nichts erzwingen.


    Zur Häufigkeit: Es ist ratsam eine tägliche Zazen-Periode anzustreben.


    Ein guter Zeitpunkt für die Zazen-Sitzung hängt natürlich stark von der Struktur des Alltags ab. Die meisten Menschen werden aber wohl eine Tageszeit finden können, zu der die Voraussetzungen günstig und die Ablenkungen geringer sind.



    Kinhin

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    Kinhin bezeichnet eine Phase des Gehens in Achtsamkeit. Dieses wird beispielsweise zwischen zwei Zazen-Abschnitten praktiziert.

    Je nach Tradition unterscheidet sich die Geschwindigkeit des Gehens: von sehr langsam bis recht zügig.


    Die Praxis des achtsamen Gehens kann bis auf den historischen Buddha zurückverfolgt werden, siehe Cankama Sutta

    Eine kurze Beschreibung steht auch beim Dojo Bonn zur Verfügung: Kinhin



    Sesshin

    Ein Sesshin ist ein Zeitraum intensiver Zazen-Praxis mit teils deutlich längeren Zazen-Abschnitten als bei der gewöhnlichen täglichen Praxis. Eine solche Periode kann mehrere Tage andauern. Längere Sesshin setzen ein Geübtsein in der Zazen-Praxis voraus.



    Zafu

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    Das Zafu ist das Sitzkissen, das traditionell verwendet wird. Es hat einen Durchmesser von etwa 35 cm und eine Sitzhöhe von 11-15 cm. Das Kissen ist traditionell mit Kapok gefüllt, auch werden Füllungen mit Buchweizen- oder Dinkelspreu angeboten.


    Das Zafu bewirkt eine erhöhte, leicht vorwärts geneigte Position des Beckens und fördert dadurch den Kontakt der Knie zum Boden und eine vorteilhafte Ausrichtung der Wirbelsäule.




    Danksagung


    Diese Anleitung basiert auf meinem bisherigen Wissen, Recherchen, und eigenen Erfahrungen mit Zazen in der Sōtō-Tradition.


    Da mein Wissen lückenhaft ist, war ich auf die Hilfe, Tipps, Kritik und Korrekturen anderer Buddhaland-Mitglieder angewiesen. Für diese Unterstützung möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.


    Einmal editiert, zuletzt von Schmu ()

  • Inspiriert habe ich mir die Freude gemacht, einen eigenen Text zu schreiben: Eine Einführung in das Gongfu des Wusuowei Chan.


    Ich wollte mit dem Text ein wenig den alten chinesischen Stil kopieren, wo u.a. kaum Belegquellen angeführt und die Namen verkürzt werden. Zum Beispiel wird aus dem 6. Patriarchen Huineng häufig schlicht ein Neng und aus Nanyue Huirang ein Rang. Das war Teil meiner Freude an der ganzen Sache.


    Ich habe für den Text orthodoxe Zen-Quellen verwendet und eine orthodoxe Zen-Methode darauf angewendet, was aber nicht unbedingt zu einem orthodoxen Zen führt. Daher habe ich das Ganze auch Wusuowei Chan genannt, übersetzt in etwa 'Kann man das überhaupt Zen nennen?'. Daher ist es weniger ein Einführungstext für Anfänger, sondern Ausdruck meiner Freude, gerade auch an den Originalquellen.