Beiträge von Karnataka

    Vielleicht ist es sinnvoll, auch zu überlegen, wie mit der eigenen Trauer umzugehen ist. Anmerken möchte ich, dass ich hierbei wenig Erfahrung besitze.


    Mit dem Tod eines unersetzlichen Menschen wird die Quelle von Verbundenheit und Freude von uns gerissen, was ein tiefes Gefühl der Einsamkeit und des Verlustes bringt. Doch ist beispielsweise der Tod der eigenen Eltern ein normales Ereignis in einem Menschenleben und die damit verbundene Trauer zu bewältigen.


    Der DL schreibt, dass Trauer helfen kann, mit dem Verlust fertig zu werden. Insofern ist sie gut für uns, auch wenn sie ganz sicher nicht angenehm ist, meint der Dalai Lama zur Frage nach der Eigenschaft von Trauer.


    Eine positive Grundeinstellung ist sicher hilfreich. Doch können wir uns auf den emotionalen Prozess der Trauer kaum vorbereiten, sondern müssen uns der Trauer stellen. So schlimm das Ereignis ist, sollte es dennoch nicht zu Hass und Verzweiflung führen.


    Die destruktive Seite der Trauer findet sich dementsprechend dort, wo wir ihrer lähmenden Wirkung längerfristig nichts entgegensetzen können, der Kummer sich verselbstständigt und zu einer Art geistiger Gewohnheit und Krankheit wird, schreibt der Dalai Lama.


    Wie ist mit der Trauer anderer Menschen umzugehen? Die Frage scheint mir, ob die Bewältigung von Trauer einfach nur Zeit braucht, oder ob sich mit der Bewältigung ein Prozess der emotionalen Reifung ausdrückt. Denn um das Gefühl der Verlassenheit zu überwinden, scheint es doch hilfreich, das Gefühl der Verbundenheit mit den Menschen im Umfeld zu vertiefen. Grundsätzlich kann eigenes Leid auch Verständnis für die Nöte anderer schaffen. Folgt man dieser Überlegung, kann die Bewältigung von Trauer einen Gewinn an Bewusstheit, Einfühlungsvermögen bringen, eine Art „inneren Reichtum“.

    Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Ängste projektiver Art, also spezielle Ängste, große soziale Ängste und panische Furcht sind jedoch ein anderes Thema. Hier stellt sich die Frage, ob kognitive Wege oder rationale buddhistische Psychologie (soweit ich sie aufgrund der Werke des DL kenne) wirklich Hilfe bringen können.


    Meiner Erfahrung nach: ja.


    Soweit ich es beurteilen kann, gibt es eine Form der irrationalen Angst, die wenig kompliziert ist. Als Beispiel fällt mir eine äußerst stürmische Schifffahrt vor Jahrzehnten ein. Ich musste kotzen und fühlte mich erbärmlich. Als ich endlich wieder an Land kriechen durfte, hatte ich eine neue Angst „gelernt“. Jahre später kam ein Urlaub, wo ich erneut auf See ging. Diesmal gab es eine positive Erfahrung, die See war ruhig und ich fühlte mich wohl. So einfach erfolgte die Löschung des irrationalen Teils meiner Angst.


    Die Verhaltenstherapie spricht von Konfrontation. Eine gezielte Konfrontation soll das Löschen der Furchterfahrung ermöglichen, sofern es sich um unbegründete Angst und Furcht handelt.


    Die vom DL geschätzte kognitive Therapie mit ihren vernünftigen Überlegungen behandelt den Zusammenhang von Sorge und Angst. Denn pessimistische Grundannahmen können die Bereitschaft, Angst zu entwickeln, verstärken.


    Hier sehe ich ebenso den Nutzen der Geistesschulung, die der DL vertritt. Denn solche Grundannahmen stehen sicher auch in Verbindung mit der jeweiligen Stimmung. Besonders ergibt sich aus der Schulung des Geistes das Vermögen, bewussten Einfluss auf sich selbst zu gewinnen.


    Es gibt aber auch eine sehr tiefliegende Bereitschaft zur irrationalen Angst, die vielleicht schon in der kindlichen Entwicklung angelegt wurde. Denken wir an das „innere Bild“ eines gewalttätigen Vaters. Die Behandlung solcher Übertragungsängste scheint mir äußerst schwierig. Ich weiß nicht, ob die genannten Methoden – Konfrontation, vernünftige Überlegungen, Schulung des Geistes – dafür ausreichen.


    Auch das (vermeintliche) Wissen um die eigene Sterblichkeit scheint mir eine belastete Grundhaltung zu fördern. Bekanntlich bieten die Religionen Antworten an.

    mukti:
    Karnataka:

    Vom DL gibt es eine schöne Argumentation, die davon ausgeht, dass es eine innere Ebene braucht, um glücklich zu sein. Wohlstand, Gesundheit und die bloße Gemeinschaft mit anderen Menschen sind sicher hilfreich, doch reichen sie nicht aus. Ein gesunder Mensch ist nicht automatisch glücklich usw. Die Frage, warum diese innere Ebene so sehr mit Mitgefühl zu tun hat, öffnet eine wissenschaftliche Themenbreite.


    Es ist aber auch einfach ein Erfahrungswert des eigenen Gefühlshaushaltes. Anderen Gutes tun und wünschen ist für alle Beteiligten eine heilsame und angenehme Erfahrung. Mithin ist es nicht nur ein Gefühl, sondern eine heilsame Gesinnung und Geisteshaltung. Das Gegenteil verhindert diese Qualität von Glück oder erzeugt Leid.


    Ich hoffe doch, dass unser Erfahrung bestätigt, dass es uns selbst guttut, wenn wir anderen etwas Gutes wünschen bzw. tun. Man kann vielleicht sagen, dass eine solche heilsame Bestätigung, Qualität von Glück zeitlich verzögert folgt und nicht unmittelbar einhergeht. Würde augenblicklich eine Art „Belohnung“ erfolgen, wäre eine selbstlose Gesinnung oder Tat auch gar nicht möglich. Ich muss zuerst meinen Egoismus überwinden und mich zu einer solchen Haltung oder Tat aufraffen, um erst dann zu empfinden, dass es auch für mich gut war.


    Mitgefühl meint für mich aber auch eine grundsätzliche Eigenschaft. Als Vergleich: In einem Pop-Chor tritt man mitunter solistisch hervor oder singt gemeinsam mit der Stimmgruppe. Immer braucht es aber ein Hören auf alle anderen Stimmen, damit das musikalische Erlebnis passt - eine Binsenweisheit zur Musik. Was die innere Harmonie betrifft, scheint es mir ähnlich wichtig, dass wir anderen Menschen Wert geben, uns mit ihnen freuen und von ihrem Leid betroffen sein können.

    Abseits der eingangs gestellten Frage nach dem Zusammenhang von buddhistischer Ethik und Metaphysik:


    Ich halte das Nachdenken über Mitgefühl für sehr sinnvoll. Das gilt besonders, wenn sich daraus eine entsprechende Überzeugung entwickelt, die Einfluss auf das tägliche Leben nimmt. Eine Frage im Eingangsbeitrag betrifft die Auflösung von Hass. Grundsätzlich löst sich der intensive Wusch zu schaden, indem wir uns darum bemühen, würde ich sagen. Für dieses Bemühen ist die Überzeugung, dass der Hass auch uns selbst schadet, sicher hilfreich.


    Soweit ich es beurteilen kann, spricht die buddhistische Ethik damit einen entscheidenden Faktor an, der in der christlichen Ethik weniger deutlich zu finden ist. Dabei geht es um den Nutzen von Mitgefühl für uns selbst. Denn es wäre unehrlich, würde man den Eigennutzen nicht als hauptsächlichen Motivationsfaktor anerkennen.


    Vom DL gibt es eine schöne Argumentation, die davon ausgeht, dass es eine innere Ebene braucht, um glücklich zu sein. Wohlstand, Gesundheit und die bloße Gemeinschaft mit anderen Menschen sind sicher hilfreich, doch reichen sie nicht aus. Ein gesunder Mensch ist nicht automatisch glücklich usw. Die Frage, warum diese innere Ebene so sehr mit Mitgefühl zu tun hat, öffnet eine wissenschaftliche Themenbreite.

    Festus:
    Tychiades:

    Ach was? - Und die Zengruppe, die bei dir entstehen soll? Da suchst du doch was.
    Und hier im Forum - was suchst du hier?


    Ich suche nicht, ich mache. Ich gehe meinen Weg.


    Finde ich eine gute Einstellung.


    So wie ich die Zen-Haltung verstehe, scheint mir besonders wichtig, keinen übertriebenen Ehrgeiz zu entwickeln. Ich glaube, dass übertriebener Ehrgeiz oft mit dem dringenden Wunsch nach sozialer Anerkennung zusammenhängt: Wenn ich das und das erreiche, dann werde ich bewundert und kann sehr stolz auf mich sein… Tatsächlich versetzt man sich nur in Stress.


    Unbeschadet davon können Dinge wichtig sein und man tut sie einfach oder strebt Ziele durch Tun an. Beispielsweise kann man eine gute Ausbildung mit Eifer verfolgen, sich für eine interessante Stelle bewerben oder den Zustand genießen, Talente verwirklichen zu dürfen. In gewisser Hinsicht tut man das im Hier und Jetzt.


    Wenn ich lese, dass es im Zen nichts zu erreichen gibt, dann deute ich das in psychologischer Hinsicht als Übung, irrationale Sehnsüchte hinter sich zu lassen. (Natürlich gibt es auch andere Aspekte am Zen. Dies ist ja nur ein Thema.)


    Eine vergleichbare Psychologie vermute ich übrigens auch im Theravada. Bloß weil manches Streben Leid bringen kann, wäre es unrealistisch, jegliches Streben vermeiden zu wollen. Sinnvoll scheint mir, die eigenen Emotionen kritisch zu durchleuchten und Einsicht zu gewinnen, wann sie mit selbstverursachtem Leid in Verbindung stehen.

    Lucy:

    Ich finde, wenn HHDL eine solche Ethik auf beobachtbares und Evolution gründet, tut er den Menschen im Westen einen großen Dienst.
    Er bietet einen niedrigschwelligen und leicht verstehbaren Einstieg in gutes Verhalten.


    Wer dann bemerkt, dass es eben nicht unbedingt so einfach ist, sich gut zu verhalten, der findet genug Methoden um sich anzunähern.


    Neben der Frage der Motivation spielt sicher auch der Umgang mit dem eigenen destruktiven Gefühlen eine Rolle. Zur Behandlung destruktiver Affekte, Gefühle, Stimmungen aus Sicht der Ethik des DL:


    Der DL ist sich sehr bewusst, wie schwierig die Aufgabe ist, den eigenen destruktiven Gefühlen zu begegnen. Seine Ratschläge ähneln ihrem Wesen nach der Kognitiven Verhaltenstherapie. Über einen Begründer der Kognitiven Verhaltenstherapie, Aaron Beck, schreibt der DL: Als wir uns trafen, war Aaron Beck Anfang achtzig. Ich fand es ausgesprochen interessant, wie nah viele seiner Beobachtungen den Erkenntnissen der klassischen buddhistischen Psychologie kamen.


    Aaron Beck entwickelte die Kognitive Therapie ursprünglich zur Behandlung von Depressionen. Er spricht von allgemeinen Überzeugungen (zum Beispiel: Nichts gelingt mir, mein Leben ist sinnlos, ich werde auch in Zukunft unglücklich sein…), die dazu führen, dass belastende Situationen schnell dramatisiert werden. Es kommt zu kognitiven Verzerrungen und Fehlinterpretationen. Solch vermeintliche Katastrophen werden wieder als Bestätigung der skeptischen Grundannahmen gewertet, es entsteht eine kognitive Negativspirale.


    Eine kritische Anmerkung: Den häufigsten Grund, weshalb Therapeuten konsultiert werden, bilden angeblich Angststörungen. Meditation von Mitgefühl/Liebender Güte bietet sich aus meiner Sicht als ausgezeichneter Weg, um der übertriebenen Sorge (und vielen anderen Problemen) zu begegnen. Ängste projektiver Art, also spezielle Ängste, große soziale Ängste und panische Furcht sind jedoch ein anderes Thema. Hier stellt sich die Frage, ob kognitive Wege oder rationale buddhistische Psychologie (soweit ich sie aufgrund der Werke des DL kenne) wirklich Hilfe bringen können.

    Ich möchte erklären, weshalb die Meditation von Mitgefühl/liebevolle Güte der geeignete Weg ist, um Geistesruhe und Klarblick zu erlangen.


    Gewisse Affekte und Gefühle besitzen oftmals eine destruktive Wirkung. Das klassische Beispiel ist der Zorn, wo man dann nur mehr das erkennt, was den eigenen Zorn bestätigt. Nach einiger Zeit sieht man oft klarer und bereut vielleicht, was man im Zorn gesagt hat.


    Eine Einteilung sieht Hass, Boshaftigkeit, eine Form der Angst, die hauptsächlich auf Projektion beruht, Jähzorn, Habgier als hauptsächlich destruktiv.


    Dagegen gibt es Gefühle die nur dann einen destruktiven Charakter annehmen, wenn sie, gemessen an der Situation, aus der sie entstanden sind, unverhältnismäßig heftig sind: Zorn, Neid, Angst, Begehren, Gier, Zweifel, Scham, Trauer, Konkurrenz... Hier lässt sich von einem dualen Charakter dieser Gefühle sprechen.


    Damit soll nicht gesagt werden, dass wir alle emotionalen Zustände begrifflich eindeutig zuordnen können. Allgemein meint die Destruktivität, dass solche Geisteszustände starke Unruhe mit sich bringen und die Selbstbeherrschung schwächen. Besonders aber weist der Dalai Lama darauf hin, dass sie geistige Freiheit rauben und die Urteilskraft schmälern. Denn sie besitzen die Tendenz, die Wahrnehmung zu verfälschen, sodass der Betroffene eine Situation nicht mehr im größeren Zusammenhang gedanklich erfassen kann.


    Dem Wohlbefinden und der Klarheit dienlich sind dagegen Mitgefühl und liebevolle Güte. Sie wirken als Mittel gegen destruktive Zustände und helfen, den eigenen egoistischen Standpunkt zu überwinden.

    Frieden-und-Freude:

    Was die Tötung von Lebewesen auch bei der Produktion veganer Lebensmittel betrifft, legt Udo Pollmer provokant den Finger in die Wunde:
    https://www.youtube.com/watch?v=114dGfHFvY0


    Mich ärgert dieser sogenannte Experte mit seinem Zynismus und seinem Verein, der großtuerisch als Europäisches Institut für Ernährungswissenschaft auftritt. Das ist ja keine Satire, sondern der meint das in echt! Etwa heißt es im Video vollmundig:
    Da hätten wir viel mehr Hunger auf der Welt, wenn man die ausschließlich für Tierhaltung geeigneten Flächen gar nicht nutzt.


    Darum geht es nicht. Die weltweite Kapazität an Weideland ist begrenzt und kann mit der globalen Veränderung der Ernährungsgewohnheiten und dem Bevölkerungswachstum nicht mithalten. Beispielsweise essen Chinesen verglichen mit früher durchschnittlich sechsmal so viel Fleisch. (Damit fast halb so viel wie Amerikaner.)


    Die allermeisten Tiere werden daher heute in immer größeren Anlagen vor allem mit Kraftfutter aus Soja, Raps, Mais, Weizen und anderem Getreide von Ackerflächen gefüttert, die der direkten Lebensmittelproduktion verloren gehen. Beispielsweise steht eine Rinderkalorie neun Getreidekalorien gegenüber, die verloren gehen. Der intensive Ackerbau führt zur Verschmutzung der Böden und Verknappung des Grundwassers, die Überweidung ruiniert die Böden.


    Besonders problematisch wird dies, wo die Nahrungsmittelkonkurrenz in andere Länder oder Regionen „ausgelagert“ wird. Die Europäische Union etwa importiert mehr als 70% der Eiweißpflanzen für ihr Tierfutter, vor allem Sojabohnen und Sojaschrot aus Brasilien, Argentinien, Paraguay und den USA. Die dort dafür benötigte Fläche entspricht über 20 Prozent der gesamten Ackerfläche der EU.


    Für den Anbau werden Urwälder abgeholzt und riesige Weidegebiete in Äcker verwandelt. Eine Katastrophe für die globale Artenvielfalt und den Klimaschutz; aber auch ein Raubbau an Bodenfruchtbarkeit durch die Monokulturen.


    Zur industriellen, nicht mehr an Weiden gebundenen Herstellung von Fleisch, Milch und Eiern wird ein Vielfaches der Kalorien zunächst in Form von Getreide und Ölfrüchten in besonders energieintensiven Monokulturen angebaut. Weil die Tiere zudem die gefährlichen Klimagase Methan (Wiederkäuer) und Ammoniak aus Gülle und Mist emittieren, ist die industrielle Tierhaltung der mit Abstand größte Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel.


    http://www.weltagrarbericht.de…rmittel-volltext.html<br>
    Auf weltagrarbericht.de heißt es daher: Auch wenn der Weltagrarbericht zum Konsumverhalten keine Empfehlung abgibt, lassen seine Ergebnisse nur einen Schluss zu: Die Reduzierung des Verbrauchs von Fleisch und anderen tierischen Produkten in Industriestaaten und ihre Begrenzung in den Schwellenländern ist der dringendste und effektivste Schritt zur Sicherung der Ernährung, der natürlichen Ressourcen und des Klimas.


    Pollmer dagegen: Wenn der Metzger eine Wurstsemmel über die Theke reicht, dann weiß ich, dass ich mich nicht schämen brauche.
    Vielleicht würden dem Herrn Pollmer ein paar Wurstsemmeln weniger gut tun.


    Ich würde das symbolische Kapital als Markenwert verstehen. Welchen Schaden nimmt das Unternehmen Katholische Kirche in der Ortschaft Oberstinkenbrunn, wenn sich herausstellt, dass der Pfarrer was mit seiner Köchin hat? Zuvor: 45 Besucher der Sonntagsmesse. Danach: 8 Besucher. O weh…


    Soziales Kapital scheint mir ein für das Verständnis von Ökonomie wichtiger Begriff. Zentral scheint mir hier das Vertrauen. Vertrauen der Marktteilnehmer zueinander, Vertrauen zum Rechtsstaat, vielleicht auch das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft. Der Begriff zeigt, dass Wirtschaft Verantwortung braucht.


    Vertrauen scheint also für das symbolische wie auch soziale Kapital entscheidend.

    fotost:

    Bei mir geht das etwas weiter. Was, wenn in 5 Jahren reproduzierbar, mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Theorie über Wirkzusammenhänge feststeht, daß Meditation, daß Sitzen, daß Achtsamkeitsübungen wirklich wirken (wovon ich ausgehe), aber gleichzeitig auf gleichem Niveau festgestellt wird, daß leichtes Joggen oder Gesellschaftsspiele oder (ganz schlimm) 10 Tabletten über 2 Monate eingenommen deutlich bessere Ergebnisse bringt?


    Aus säkularer Sicht finde ich deine Frage berechtigt. Welche Aktivität passt gerade? Wenn es darum geht, Priorität zu setzen, dann ist der Nutzen von etwas Sport für das eigene Wohlbefinden sehr groß. Unter Umständen sind die sozialen Kontakte und das Gemeinschaftserleben, das durch Chorsingen entsteht, sehr befriedigend. Vielleicht passt die Meditation ideal, wenn es um Trauerarbeit geht, Achtsamkeitsübungen helfen, mit zornigen Impulsen klar zu kommen, Gesellschaftsspiele wirken gegenüber Gefühlen der Isolation usw.


    Vermutlich wird die Wissenschaft der Zukunft sehr genau erkennen, welche Gehirnregionen durch welche Tätigkeiten wie intensiv stimuliert werden. Vielleicht werden sie auch Rückschlüsse auf Eigenschaften und Schwächen aufgrund von Hirnvorgängen treffen können.

    Losang Lamo:

    Um es kurz zu machen, mir sind gute und schlechte Therapeuten begegnet. Die guten haben irgendwie Empathie. Dadurch werden sie zu Betroffenen und können mitreden anstatt von außen zu be-urteilen.


    Der Blick durch die arrogante hochgebildete Therapeutenbrille auf das arme Würstchen von Patienten ist ziemlich gemein und kontraproduktiv. Der Mensch wird behandelt wie ein Schuldiger, der zu doof ist, clean zu bleiben.


    Aber es gibt glücklicherweise verschiedene Therapeuten und Therapien. Sehr kompetent und hilfreich finde ich auch oft Betroffene selbst in den Selbsthilfegruppen.


    Anregungen zum Thema Therapie der Sucht entnahm ich vor allem: Wilhelm Burian: Rituale der Enttäuschung. Burian war Leiter einer Therapiestation und Präsident der Psychoanalytischen Vereinigung. In einem Thread, wo es vor allem um eigene Erfahrungen geht, mag mein sehr theoretischer Beitrag arrogant erscheinen. Dafür bitte ich um Verständnis.


    Empathie, das Verständnis vom eigenen Erleben her, ist mit Sicherheit sehr wichtig. Manche erfahrene Therapeuten in der Drogentherapieszene vertreten jedoch die Ansicht gegenüber bestimmten Störungen, die praktisch keine Krankheitseinsicht besitzen, dass es keine Hilfe bringt, diese Menschen wie rohe Eier zu behandeln.


    Auf Therapiestationen kommt es von Seiten mancher Patienten etwa zum Idealisieren bestimmter Therapeuten und Mitpatienten, besonders aber zum vehementen Entwerten von anderen. Hier ist kein „sein-lassendes“ Verstehen gefordert, sondern die Konfrontation mit schwerwiegenden Konflikten. Schließlich gilt es, eine realitätstaugliche Wahrnehmung zu ermöglichen.


    Seltene Fälle echter Kriminalität können eine Station sogar aufmischen. Hier muss der Schutz anderer Patienten bedacht werden und ein striktes Gewaltverbot durchgesetzt werden, Konsequenzen müssen angedroht und ausgeführt werden. Dass der Kampf mit dieser im Verhältnis kleinen Gruppe auf die Haltung in der Praxis tätiger Drogentherapeuten abfärbt, scheint verständlich.


    Mag sein, dass diese Situation einer möglichen Idealisierung aufgrund der Bedürftigkeit manche Therapeuten zur Arroganz ("arrogante Therapeutenbrille") verführt. Die Theorie zur Drogensucht unterscheidet sich aber nicht von der Sprache der allgemeinen Psychotherapie, die auf die Behandlung von Übertragungsbeziehungen setzt.

    Was ist eine unmoralische Beziehung?


    Nehmen wir die Trumps. Er: Äußerst mächtig und sehr reich. Sie: wesentlich jünger, zudem kann sie als ehemaliges Mannequin als sehr attraktiv bezeichnet werden. Dieser Gegensatz kann als Hinweis gedeutet werden, dass die gegenseitige Anziehung oberflächlich sein könnte. Ist er nicht mehr mächtig und reich, ist sie nicht mehr jung und attraktiv, zerfällt die Beziehung – sofern sie bloß darauf gründet.


    Tatsächlich wird Trump mächtig und reich bleiben und seine Frau im Verhältnis jung und schön. Die Beweggründe sind also nicht besonders zerbrechlich. Die Trumps können getrost an ihre Liebe glauben.


    Sicher ist es legitim, durch Liebe besitzen zu wollen: Reichtum, Macht, Schönheit, Jugend. Dennoch gibt es graduelle Unterschiede. Tritt der Wille zum Haben zu deutlich in Erscheinung, liegt der Verdacht nahe, dass ein solcher Mensch nur oberflächliche Werte besitzt.


    Bezogen auf den Buddhismus-Lehrer habe ich das Problem der Gemeinschaft schon zur Diskussion gestellt. Wenn es zudem um ein Haben geht, etwa Prestige für den Schüler, Jugend für den Lehrer, steht zur Frage, ob heimlicher Sex wirklich gewünscht wird.

    Tychiades:

    Wenn man das Gute im Menschen nicht voraussetzen kann, woher kommt es dann? Übereinkünfte bzw. Verträge werden mit Gleichrangigen getroffen, aber bereits hier ist das eine Annahme, die unterstellt wird. Bevor ich aber Verträge abschließe, braucht es bereits dafür eine Grundlage.
    Es ist m.E. umgekehrt: die Übereinkünfte ergeben sich auf Basis einer Ethik.
    Wenn man nun hinsichtlich der Ethik keine gemeinsame Basis hat, lassen sich Übereinkünfte nicht schließen. Es kommt zum Zerfall.


    Das sehe ich genauso.


    Ohne einer fürsorglichen Affenmutter kann sich ein Affenkind nicht gesund entwickeln. Bei Menschen wird dies noch deutlicher. Eine liebevolle Mutter ermöglicht die Bildung eigener fürsorglicher Fähigkeiten. Diese bringen in motivationaler, kognitiver Hinsicht das, was sich als „guter Wille“ bezeichnen lässt, also die Anerkennung des anderen Menschens und seines Strebens nach Glück. So gesehen ist das Gute im Menschen die Basis von Ethik.


    Das Gute im Menschen zeigt sich naturgemäß besonders in menschlichen Nahbeziehungen. Für größere und anonyme Gemeinschaften wird Gerechtigkeit bedeutsam. Was ist Gerechtigkeit? Wenn Affen ungerecht gefüttert werden, die einen mit Gurken, die anderen mit Weintrauben, reagieren sie sehr verärgert. Es scheint also einen Zusammenhang von Neid und Gerechtigkeitsempfinden zu geben.


    Neid kann daher eine Motivation sein, Regeln für das Leben in großen Gemeinschaften zu schaffen. Regeln sollen Gewalt verhindern, solche Verträge dem beiderseitigen Vorteil dienen. Lässt sich draus schließen, dass das Gute im Menschen für die Großgruppe an Bedeutung verliert?


    Ich denke nicht. Regeln alleine reichen nicht aus. Besitzen Menschen keinen guten Willen, wird er auch bei den Verantwortlichen nicht zu finden sein. Sind die Verantwortlichen aber nicht integer, nützt das beste Regelwerk nichts.

    Nach meiner Ansicht kann man an der Sucht verschiedene Aspekte unterscheiden: Selbstmedikation, süchtige Beziehung und süchtige Fantasie, hinzu kommt die Eigendynamik von Drogen: Gönnt sich der Alkoholkranke ein Gläschen, entsteht der Wunsch nach einem Rausch. Gönnt er sich einen Rausch, wiederholt sich der Wunsch danach spätestens am folgenden Abend.


    Selbstmedikation kann beispielsweise die innere Versöhnung meinen, die ein Rausch vorgaukelt.
    Dennoch wird die Eigendynamik der Droge überschätzt. Drogensucht ist eher keine Krankheit, die befällt, weil man Drogen konsumiert hat. Therapeuten sprechen für die überwiegende Zahl der Erkrankten von Störungen der Persönlichkeit, die in die Sucht führen. Dass Süchtige primär wegen der Sucht Hilfe suchen, ändert nichts daran.


    Trifft die Vermutung einer Persönlichkeitsstörung zu, dann drücken sich Süchte auch in süchtigen Beziehungen aus. Während die Lust am Rausch ebenso wie die Beziehungsstörung prinzipiell behandelbar ist, scheint mir der dritte Aspekt der süchtigen Fantasie eine noch tiefer liegende Ursache zu besitzen.


    Das aus meiner Sicht schwerwiegendste Problem betrifft die süchtige Fantasie. Der süchtige Raucher greift nicht zur x-ten Zigarette, weil er noch mehr Nikotin braucht. Der Opiatsüchtige ist nicht geheilt, nachdem er den Entzug vielleicht sogar im künstlichen Tiefschlaf erfahren hat.


    Dazu eine Überlegung aus der Psychoanalyse: Kleinstkinder besitzen häufig Übergangsobjekte. Das Baby nuckelt an seinem Teddy und beruhigt sich, wenn die Mutter nicht verfügbar ist. Psychoanalytiker meinen, diese Objekte würden helfen, eine innere Repräsentanz einer versorgenden Mutter zu bewahren. Im Säuglingsalter zeigt sich also bereits eine Strategie des Bewusstseins, um das Gefühl von Geborgenheit gegenüber einer feindlichen Umwelt zu sichern.


    Die Funktion von Geborgenheit, die von der süchtigen Fantasie ausgeht, scheint mir verständlich zu machen, weshalb Süchtige in der Regel große und diffuse Ängste damit verbinden, von ihrer Droge zu lassen.

    Anmerkung zur schriftlichen Kommunikation:


    Im Prinzip ist es eindeutig, wenn ein Beitrag Missachtung, Geringschätzung verteilt. Vermutlich können wir uns beim Lesen einer schriftlichen Kommunikation einigen, wo das geschieht.


    (Nehmen wir als Beispiel den Thread Frieden in Europa. Welcher Beitrag ist es, der Geringschätzung verteilt?)


    In einem gewissen Ausmaß gehört Geringschätzung zu einer lebendigen Unterhaltung. Auch kann sie durch vergangene Vorkommnisse oder aus inhaltlichen Überlegungen aus Sicht des Austeilers berechtigt sein. Sicher wäre es voreilig, jeden Beitrag dieser Art zu verurteilen. Zugleich wird aber niemand ernsthaft bestreiten, dass Geringschätzung eine sehr destruktive Wirkung entfalten kann. Besonders wenn solche Kommentare öfter erfolgen, kommt es mit Sicherheit zu Verstimmung und Streit.


    Damit ist natürlich nicht alles erklärt. Wenn Void beispielsweise schreibt, dass ihn der Vergleich mit einer Mutter getroffen hat, und wenig später reitet jemand just auf diesem Vergleich herum, dann sind das Feinheiten in der Kommunikation, die kaum eindeutig zu beurteilen sind. Die destruktive Wirkung von Geringschätzung lässt sich dagegen gerade in der schriftlichen Kommunikation deutlich als Ursache von Streitigkeiten ausmachen.

    fotost:


    Was mir zum Thema noch einfällt wäre die Frage nach intensiven 'Wirksamkeitsstudien' zu einzelnen Momenten der Praxis.
    Welche Kriterien für 'Wirksamkeit' gibt es innerhalb der Lehre? Wie wird diese Wirksamkeit gegen vergleichbare Wirkungen vollkommen fremder (dem System Buddhismus fremd) Methoden, Anwendungen, you name it bewertet?
    Könnte sich hier ein Schutz gegen 'Dünkel' verstecken?


    Die Frage nach Wissenschaftlichkeit im Sinne der Ethik des DL meint, ob die praktische Methode der Geistesschulung (also die Meditation von Liebevollen Güte bzw. Mitgefühl) nachweislich geeignet ist, eine positive Veränderung der Persönlichkeit zu bewirken.


    Der DL schreibt sinngemäß, dass eine solche wissenschaftliche Bestätigung wichtig sei, um die Methode der Geistesschulung im Schulsystem zu verankern. An anderer Stelle meint er sinngemäß sogar, dass ihre Wirkung bis zu einer physischen Veränderung des Gehirns reichen könnte. Dies könne für säkular denkende Menschen etwas mit dem religiösen Begriff der Erleuchtung Vergleichbares bedeuten, schreibt er.
    (Die entsprechenden Textstellen finden sich irgendwo in: Rückkehr zur Menschlichkeit, möglicherweise zitiere ich aber etwas unsauber)


    Einfach gefragt: Können wir unsere emotionalen Instinkte bewusst trainieren und durch ein solches Training einen "besseren" Charakter entwickeln? Verschiedentlich finden sich Hinweise auf solche Studien, etwa die Spendenfreudigkeit betreffend. Dennoch glaube ich, dass ein streng wissenschaftlicher Nachweis vor großen Problemen steht. Meine prinzipielle Skepsis hat mit der enormen Komplexität zu tun und betrifft genauso auch anerkannte therapeutische Methoden, deren Wirksamkeit nicht streng wissenschaftlich prüfbar ist, nehme ich an.


    Zweifellos können wir in einem gewissen Ausmaß lernen, durch Meditation willentlich eine liebevolle Stimmung zu erzeugen, die uns sodann während der folgenden Zeit ein wenig begleiten. Dieser Weg über die Emotion zum Gefühl und zur ausgedehnten Stimmung bedarf wohl keines Beweises. Die Frage nach Wissenschaftlichkeit meint hingegen einen möglichen positiven Einfluss auf unsere persönlichen Eigenschaften, die uns ja über viel längere Zeiträume begleiten.


    Nach meiner Ansicht ist ein Vergleich mit Sport und dessen Wirkung angebracht. Das Training von Liebevoller Güte bzw. Mitgefühl vermag eine instinktive Veranlagung temporär zu verstärken und kann solcherart verblüffend zu unserem geistigen Wohlbefinden beitragen. Auch wenn dies vielleicht eine nur vorübergehende Wirkung wäre, hilft sie dabei, eine unerschütterliche Überzeugung zu entwickeln, worauf es für das eigene Wohlbefinden ankommt. Dieser Zusammenhang von liebevoller Güte und Wohlbefinden mag für manche Menschen ein selbstverständliches Wissen sein, für andere ist er aber doch eine tiefgreifende neue Erfahrung.

    Sudhana:

    Trotzdem gibt es einen Zusammenhang zwischen tabuisierter oder unterdrückter Sexualität und pädophilen Straftaten. Die meisten Straftäter (grob 90%) gehören nicht zum sog. 'fixierten Typus' (dem 'klassischen' Pädophilen), sondern zum 'regressiven Typus', bei dem man auch von einem "Ersatzobjekttäter" spricht. Diese sind nicht speziell auf Kinder ausgerichtet, wenden sich ihnen jedoch als 'Ersatzobjekt' zu, wenn sie es (aus den unterschiedlichsten Gründen) nicht schaffen, eine sexuelle Beziehung mit Erwachsenen einzugehen. Die aus der Presse bekannt gewordenen Details des Falles Döring deuten auf solch einen Typus hin. Dieser Typus ist vergleichsweise (zum fixierten Typ) gut therapierbar; die Rückfallquote wird auf 10 - 30% geschätzt (Beier K. M.: „Dissexualität im Lebenslängsschnitt“, Theoretische und empirische Untersuchungen zur Phänomenologie und Prognose begutachteter Sexualstraftäter. Berlin 1995), während sie bei einem straffällig gewordenen 'fixierten Typ' mit ca. 80% anzusetzen ist (a.a.O.). Hier sind dann Präventionsprogramme zur Verhinderung einer ersten Straffälligkeit besonders wichtig, mit denen diese Gruppe auch gut erreichbar ist.


    Ergänzend: als dritte Gruppe existiert noch der antisoziale Typus. Hier gibt es ebenfalls keine sexuelle Fixierung speziell und ausschließlich auf Kinder, sondern vor allem auf Gewalt. Kinder sind hier vor allem die leichteren Opfer - und der Mißbrauch beginnt häufig mit Entführung und endet mit Mord. Leider ist es vor allem diese - statistisch insignifikanteste - Gruppe, die die Einstellung großer Teile der Öffentlichkeit gegenüber pädophilen Straftätern bestimmt. Was die psychischen, psychosomatischen und psychiatrischen Folgeschäden, die durch einen Mißbrauch durch einen Täter vom regressiven Typ verursacht werden können, nicht verharmlosen oder beschönigen soll. Auch, wenn Genpo Döring diesem regressiven Typus zuzuordnen wäre, bleibt er doch ein Krimineller und ist ganz gewiss kein Justizopfer oder Opfer einer verklemmten gesellschaftlichen Sexualmoral. Was man ihm zugute halten kann und auch sollte, ist seine Geständigkeit, die es voraussichtlich den von ihm missbrauchten Kindern erspart, vor Gericht aussagen zu müssen. Und ja - natürlich ist er auch ein Mensch, der einem leid tun kann, auch wenn für sein Leiden das eigene Handeln ursächlich ist.


    Die Einteilung Fixierung/Regression/bösartige Persönlichkeitsstörung ist gut nachvollziehbar.


    Der antisoziale Psychopath ist als pädophiler Täter sicher nur eine Randerscheinung und findet sich öfter unter gewöhnlichen Gewaltverbrechern. Allerdings skizziert Kernberg eine fortschreitende Pathologie vom harmlosen Narzissten über den Ausbeuter zum bösartigen Narzissmus hin zur antisozialen Persönlichkeitsstörung.


    Eben aufgrund der ausschließlichen Orientierung auf Gewaltbeziehungen ergibt sich die extrem schlechte Behandlungsprognose der antisozialen Persönlichkeitsstörung. Denn jede Behandlung wird unmöglich, wenn der Klient zur Gefährdung für den Therapeuten wird, weil er sein Schema der Gewaltbeziehung bestätigt sehen will.


    Dieser Typus fügt nicht nur Kindern, sondern vielen Menschen in seinem Umfeld Leid zu, möchte alles Gute aus Neid zerstören. Er begegnet dementsprechend hauptsächlich in Haftanstalten. Ich glaube jedoch nicht, dass sich eine sichere Diagnose und Prognose und Abgrenzung zu weniger gefährlichen und besser behandelbaren Persönlichkeitsstörungen treffen lässt. Der DL weist in seiner Ethik darauf hin, dass wir jedem Menschen die prinzipielle Möglichkeit zur Veränderung zugestehen müssen (so wie wir das auch für uns selbst annehmen und uns selbst verzeihen). Zugleich muss die Gesellschaft vor extremen Störungen geschützt werden. Mein Lieblingspsychopath: https://www.youtube.com/watch?v=TxtrOBYUhUE


    Sicher ist demgegenüber der ungleich häufiger vertretene Typus des regressiven Missbrauchtäters gut behandelbar. Er sucht ein Ventil für seine Sexualität, ist dabei jedoch nicht auf Kinder oder Jugendliche fixiert und kein ausgesprochener Gewalttäter. Natürlich sind solche Menschen für die Arbeit mit Jugendlichen völlig ungeeignet, selbst wenn sie sonst vielleicht engagierte Lehrer sind: https://www.youtube.com/watch?v=pjU7P6M7rj4

    Zuerst eine Entschuldigung: Bei mir sind zum Thema sogleich Überlegungen entstanden, die ich mitteilen möchte. Eure Beiträge habe ich nicht verfolgt und werde das heute abend nachholen!


    Interessant scheint mir die Frage, ob es einen statistisch signifikanten Zusammenhang von Missbrauch und der Ächtung sexueller Beziehungen gibt. Werden also beispielsweise Pfarrer oder Mönche leichter zu Tätern, wenn sie mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, als andere in diesem Bereich Tätige? Folgt man dieser bekannten und naheliegenden These, dann sollten religiöse Gemeinschaften von ihren Lehrern keine prinzipielle sexuelle Enthaltsamkeit fordern und beispielsweise zulassen, dass diese verheiratet sind.


    Wieso sollen spirituelle Lehrer aber keine sexuellen Kontakte zu erwachsenen Schülern haben dürfen? Wo liegt der Sinn einer solchen Regel? Es ist doch normal, dass sich erwachsene Menschen sexuell voneinander angezogen fühlen. Ebenso normal ist, wenn Vertrauensbeziehungen besonders anregend wirken. Wieso sollte beispielsweise eine buddhistische Lehrerin keinen Sex mit einem erwachsenen Schüler haben dürfen, wenn sie ungebunden ist (oder wenn es für ihren Partner oder ihre Partnerin okay ist)?


    Zunächst zu den allgemeinen Vorstellungen der Moral. Manche meinen, dass zum Sex eine Liebesbeziehung gehört. Zuneigung, Wertschätzung, Verantwortung und das Glück von Intimität geben menschlichen Beziehungen Qualität - auch wenn der Sex dann vielleicht nicht wertschätzend sondern hemmungslos ist. Naturgemäß und völlig berechtigt sind diesbezüglichen Forderungen an ein spirituelles Vorbild besonders hoch. (Braucht es dafür aber Romantik? Passieren emotionale Verletzungen nicht hauptsächlich, weil Menschen sich bis über beide Ohren verlieben und dabei den Verstand verlieren?)


    Der prinzipielle Grund, weshalb spirituelle Gemeinschaften sexuelle Beziehungen zwischen Oberhaupt und Mitgliedern in der Regel als höchst problematisch empfinden, scheint mir jedoch in der Konfusion der Rollen zu liegen. Da nämlich eine vertrauensvolle Beziehung und spirituelle Anleitung erwartet wird, nimmt das Verhältnis der Neutralität gegenüber den Mitgliedern der Gemeinschaft durch den sexuellen Kontakt Schaden. Eben weil es zu einer sehr störenden Subgemeinschaft innerhalb der Gemeinschaft kommt, bedarf es besonderer Rücksicht. Kommt es dennoch zum sexuellen Kontakt zwischen spirituellem Lehrer und erwachsener Schülerin, sollte dieser zum Schutz der Gemeinschaft unbedingt verheimlicht werden. :)

    kilaya:

    Ich finde die Exkurse in die "westliche" Ethikrelevant, da der DL sich 1. sehr stark damit befasst und 2. Philosophie eine der Wissenschaften ist, die auf besondere Weise von einem gegenseitigen Austausch profitiert.


    Die Philosophie kann enorm von dieser Ethik profitieren, die, so ist zu vermuten, stark von buddhistische Psychologie geprägt ist. Besonders für einen Religionslehrer sollte es wertvoll sein, Erklärungen für Nächstenliebe und christliche Werte zu finden, die nicht monokausal auf Gott gründen. Ebenso müssten Ethiklehrer leicht einsehen, dass sie mit der modernen Form westlicher Metaethik in der Patsche sitzen und sich hieraus null Gewinn für einen sinnvollen Ethikunterricht ziehen lässt. Der DL präsentiert eine sehr überzeugende Tugendethik (auch wenn der Begriff Tugend überholt erscheint), die eine sinnvolle Begründung bestimmter Werte wie Mitgefühl, Mäßigung, Disziplin usw. enthält und einen meditativen Weg zur praktischen Stärkung der Verbundenheit mit anderen Menschen erklärt.


    kilaya:

    Zygmunt Bauman (ein n) wendet sich gegen einen starren Ethikbegriff, der auf gesellschaftlichen Konventionen basiert. Statt dessen skizziert er einen Moralbegriff, der einen inneren Impuls meint, der aus dem innersten menschlichen "Gutsein" hervorgeht. Er definiert wie so manche Philosophen gebräuchliche Begriffe neu und sehr präzise, daher müsste man sich intensiver damit befassen. Ich wollte das nur anschneiden, weil es im Buddhismus beide Arten von Ethik gibt: die, die auf Regeln basiert, und die, die aus dem inneren Impuls hervorgeht. Was in der Philosophie teilweise als These und Antithese auftritt, findet sich im Buddhismus teilweise als Synthese.


    Der Dalai Lama schreibt: Tatsächlich ist die Dimension der inneren Motivation der wichtigste Aspekt der Ethik. Denn wenn unsere Motivation ehrlich und wahrhaftig auf das Wohl anderer gerichtet ist, wird unser Handeln naturgemäß moralisch einwandfrei sein.
    Die Ethik des DL fußt nicht auf äußeren Regeln. Eine solche Ethik fände ich auch relativ sinnlos. Erstens lesen Menschen, die mehr Zwang von außen benötigen, in der Regel keine Ethikbücher. In einer modernen Gesellschaft unterscheidet sich Ethik zudem vom Recht. Gesetze benötigen keine innere Zustimmung, der Staat kann Menschen notfalls dazu zwingen, sie zu befolgen.

    (Ich würde Ethik zudem von Moral unterscheiden, die mit gesellschaftlicher Achtung und Missachtung zu tun hat. Beispielsweise schenkt man der Frau eines Freundes keine roten Rosen und uriniert nicht an fremde Häuser. Solche Dinge lassen sich schon als moralische Regeln fassen.)

    Ich möchte ein paar Überlegungen zu einem Spezialthema anstellen. Es ist ein Thema, das für viele nicht so interessant ist, fürchte ich. Um die Frage zu untersuchen, welchen Einfluss der DL auf die Ethik nimmt, möchte ich zunächst die Richtungen philosophischer Ethik skizzieren. Dies soll zeigen, in welcher Situation ich diese Ethik in heutiger Zeit sehe und welche Relevanz darum der Ethik des DL zukommt.


    Die deutsche akademische Ethik stand lange unter dem Einfluss Kants und seiner Idee einer reinen Vernunft, welche im Sinne der Aufklärung menschliches Tun bestimmen soll. Dem gegenüber fand sich der englische Utilitarismus. Der englische Utilitarismus setzt ebenso auf die Vernunft, doch ist sein Grundsatz etwas anders als derjenige der Kant Richtung. Was der richtige Grundsatz für vernünftiges Handeln sei, war also lange Zeit ein wichtiges Streitthema philosophischer Ethik.


    Nach meiner Ansicht verfolgen auch modernere Ethiker wie Habermas oder John Rawls diesen Glauben an eine moralische Vernunft und verteidigen ihn gegenüber postmoderner Skepsis an der menschlichen Vernunft, indem sie von der individuellen Vernunft auf die Gruppenvernunft ausweichen. Dennoch ist die postmoderne Kritik an der Idee einer moralischen Vernunft maßgeblich und wirkt sehr überzeugend.


    Daher geriet diese hauptsächliche Auseinandersetzung in den letzten 20 Jahren zunehmend ins Hintertreffen zugunsten von zwei ehemals weniger bedeutenden Richtungen der Ethik, deren Haltung gegenüber der Vernunft wesentlich distanzierter ist.


    Dominant wurde einerseits die Metaethik, die den Anspruch stellt, besonders wissenschaftlich zu sein. Sie hat ihren Ursprung in Positivismus und Wiener Kreis. Der Anspruch der Metaethik ist es, aus einem übergeordneten Blickwinkel philosophische Theorien zu beurteilen. Metaethiker treffen also keine Aussagen darüber, wie Menschen leben und entscheiden sollen, sondern systematisieren vorhandene Philosophien (etwa Kant und Utilitarismus) unter dem wissenschaftlichen Anspruch, dies wertfrei zu tun.


    In gewisser Hinsicht verabschiedet sich die Metaethik also davon, Ethik sein zu wollen. Die kritische Haltung der Metaethik gegenüber der Vernunft der Aufklärung liegt ein bisschen im Verborgenen. Sie besteht in der Überzeugung, dass es gar nicht möglich sei, wissenschaftlich über menschliches Verhalten zu befinden.


    Der zweite Strang kommt von Aristoteles und wird als Tugendethik bezeichnet. Diese Richtung fand über Thomas von Aquin Eingang ins Christentum und wurde zur christlichen Ethik, deren Einfluss auf die philosophische Ethik dann aber mit der Aufklärung verschwand. Akademisch geriet die Tugendethik als religiöse Ethik mit Einsetzen der Aufklärung für den Bereich der Philosophie eher in Vergessenheit.


    Anders als in der Metaethik ist die Ablehnung reiner Vernunft in der christlichen Ethik offenkundig. Denn das Leitbild christlicher Ethik gilt weniger der Vernunft und viel mehr dem Gefühl - also der Nächstenliebe, die menschliches Handeln prägen soll. Philosophen wie Kant wendeten sich noch entschieden gegen das Gefühl als Bestimmungsgrund und misstrauten ihm.


    Betrachten wir diese Entwicklung philosophischer Ethik mit einigem Abstand, zeigt sich Folgendes. Die ehemals ganzheitliche Tugendethik eines Aristoteles, die den menschlichen Charakter und das menschliche Leben in allen Belangen anvisierte, wurde zur christlichen Ethik und erfuhr als solche in der Aufklärung eine deutliche Verengung. Thema, worüber in den folgenden Jahrhunderten philosophisch gestritten wurde, war nunmehr allein und ausschließlich das moralische Urteil.


    Die postmoderne Kritik, dass ein solches Urteil gar nicht möglich sei, weil es gar keine reine und moralische Vernunft gibt, sägte dann der philosophischen Ethik quasi den Ast ab. Die philosophische Ethik wurde zur Metaethik, die "nur mehr" sich selbst und ihre Geschichte und Sprache untersucht, nicht aber menschliches Verhalten.


    Quo vadis, Ethik?


    Mag ja sein, dass der eine oder andere Lehrer noch immer "seinen" Kant usw. referiert, weil sich dies so schön unterrichten lässt. Überzeugen wird er damit kaum. Beachtete Beiträge zum menschlichen Verhalten speisen sich demgegenüber aus Biologie und Evolutionstheorie, Psychoanalyse und Neurowissenschaft, Ökonomie und Politikwissenschaft. (Mag auch sein, dass dies immer schon so war.)


    Genauso gibt es ein eher zeitloses Interesse an christlicher Tugendethik. Dieses steht jedoch in engem Zusammenhang mit dem christlichen Glauben und bezieht seine Argumentation aus dem Glauben. In Kurzform meint diese Argumentation: Gott hat gesagt, dass wir alle lieb sein sollen. (Christliche Ethiker formulieren das natürlich anspruchsvoller.)


    Dabei bestimmt das Christentum den Motivationsgrund für moralisches Handeln aus meiner Sicht völlig richtig: Er liegt im Gefühl, dem Mitgefühl und der Nächstenliebe, und nicht in jener (scheinheiligen) Vernunft, die die Philosophen der Aufklärung erträumten.


    Wenn man die These teilt, dass die Vermittlung von Tugenden gesellschaftlich sinnvoll ist, aus diesem Grund Ethik-Unterricht (etwa für Flüchtlinge) sogar vorschreibt, zeigt sich also aus meiner Sicht
    • eine philosophische Ethik, die dazu nicht in der Lage ist,
    • sowie eine religiöse Ethik, die für anders religiöse Menschen und nichtreligiöse Gesellschaftsgruppen überhaupt nicht nachvollziehbar ist.


    Um eine für eine moderne Gesellschaft sinnvolle Tugendethik zu leisten, braucht es daher zwei Zutaten: Diese Ethik sollte auf den Erkenntnissen echter Wissenschaften beruhen und zweitens sollte sie menschliche Beweggründe wie Empathie, Nächstenliebe, Solidarität usw. in ihr Zentrum stellen.


    Wenn wir nach einer solchen Ethik suchen, dann ist die säkulare Ethik des DL nicht bloß Nischenprodukt. Ganz im Gegenteil würde ich aufgrund der Qualität seiner Werke und der immensen Popularität des DL sogar sagen, dass der DL der Platzhirsch auf diesem Gebiet der Ethik ist, der Aristoteles unserer Zeit. :)


    Ein spannendes Thema! Danke dafür! Ich glaube ja, dass du mehr den asketischen Weg schätzt (der sich bezeichnenderweise als Rezept im lebenslustigen Südasien durchgesetzt hat), wogegen der DL für Mäßigung, aber nicht für Verzicht eintritt. Vielleicht rede ich auch im Folgenden an deiner Frage vorbei...


    Sicher ist die Quantenphysik für den DL im Sinne einer Bestätigung der Metaphysik der Leerheit wichtig.


    Entscheidend scheint mir jedoch die Evolutionstheorie. Nun ist es aber nicht so, dass der DL seine Überzeugung dem Buddhismus überstülpt. Viel mehr hat er sie als säkulare Ethik formuliert. Diese stimmt mit dem Buddhismus überein, insofern Mitgefühl im Zentrum steht. Um Mitgefühl in seiner Bedeutung für unser Menschsein herauszustellen, benutzt der DL jedoch keine religiöse Argumentation, sondern vorrangig eine biologische. Die Entwicklung von Säugetieren, die für ihren Nachwuchs Nähe empfinden und sorgen, über Primaten, die fürsorgliche Eigenschaften zeigen, hin zu altruistischen menschlichen Verhaltensweisen, scheint dem DL eine tiefe Bestätigung zu geben. Im Zentrum seiner Ethik steht die meditative Vertiefung, Intensivierung evolutionär angelegter Empfindungen.


    Buddhismus ist ja keine zentral gesteuerte Religion wie der Katholizismus, wo Synoden Werte neu definieren und Kompromisse suchen. Dennoch scheint mir die Botschaft für den Buddhismus eindeutig, die Evolutionstheorie uneingeschränkt anzuerkennen.


    Die spannende Frage ist jene nach der Bedeutung seiner Ethik für das Weltbild der Menschheit.

    pamokkha:
    Dalai Lama:

    In der Einleitung zu Die Welt in einem einzigen Atom fasst er zusammen:


    (...) Ganz sicher jedoch müssen gewissen Aspekte des buddhistischen Denkens - seine alten kosmologischen Theorien zum Beispiel, aber auch seine unausgereifte Physik - im Lichte zeitgenössischer wissenschaftlicher Erkenntnisse neu formuliert werden.


    Wird das in dem Buch spezifiziert? Was beinhalten die "alten kosmologischen Theorien"? Ist da nur Berg Meru gemeint oder aber auch die Höllen- und Götterwelten, die Buddhaländer usw. und damit die Verkürzung auf Mensch und Tier?


    Nach meiner Erinnerung wird das in diesem Buch nicht näher ausgeführt. Das Buch handelt viel von Physik. Kapitel 4 titelt: Der Urknall und das anfanglose Universum des Buddhismus...

    In der Einleitung zu Die Welt in einem einzigen Atom fasst er zusammen:


    (...) Welche persönlichen Ansichten der oder die Einzelne im Hinblick auf die Wissenschaft auch hegen mag, kein glaubwürdiges Verständnis der Natur und der Existenz des Menschen (...) kann sich der grundlegenden Einsichten solcher zentralen Theorien wie der Evolutionstheorie, der Relativitätstheorie und der Quantenmechanik entziehen. (...) Ganz sicher jedoch müssen gewissen Aspekte des buddhistischen Denkens - seine alten kosmologischen Theorien zum Beispiel, aber auch seine unausgereifte Physik - im Lichte zeitgenössischer wissenschaftlicher Erkenntnisse neu formuliert werden.