Beiträge von K-Dorje

    Nachdem ich beim Fremdsprachenlernen in der Schule mitbekommen habe, dass bei Übersetzungen gelegentlich ein wenig ursprüngliche Bedeutung verloren geht, habe ich begonnen, darauf auch bei meiner buddhistischen Praxis zu achten. Eine erste überraschende Erkenntnis war damals für mich, dass, im Tibetischen statt Vajrasattva immer 'Bendsa sato' gesagt wurde. Später habe ich gelernt, dass das mit dem nichtexistenten F im tibetischen Alphabet zusammenhängt. Aber Vajra und sattva haben im Sanskrit noch eine eigene Bedeutung, Bendsa und sato im Tibetischen schon nicht mehr. Gar nicht zu reden davon, wie die Namen/Mantras bei der weiteren Übertragung ins Chinesische und Japanische 'gelitten' haben. Und das sind nicht immer nur Feinheiten in der Aussprache. Die Frage, ob Dakini und Khandroma exhaustiv dasselbe bedeuten, wird in der Sangha kontrovers diskutiert.Und es gibt auch keinen allgemein anerkannten englischen oder deutschen Begriff, der alles exakt trifft. In welcher Sprache wollte/sollte ich nun selbst praktizieren? Ich habe mich letztlich entschieden, zu versuchen, möglichst nahe an die Ursprünge meiner jeweils persönlich praktizierten Übungen heranzukommen. Bzgl. Vajrasattva arbeite ich seither mit der Sanskritversion. Bei den großen Tantras versuchte ich nach der Einweihung ebenfalls, das Sanskrit ausfindig zu machen, weil sie zuerst außerhalb von Tibet praktiziert wurden. Bei den Pujas zusammen mit Anderen muss ich an den Stellen natürlich immer etwas leiser rezitieren, damit es nicht stört. Für Padmasambhava hingegen habe ich mich klar für die tibetische Version entschieden, weil er seine zentralen Lehren dort verbreitete und sie dort zum ersten Mal niedergeschrieben wurden. Am Ende mag die Sprache aber gar nicht das Entscheidende sein, denn sie ist nur ein Hilfsmittel, um den Schüler auf das aufmerksam zu machen, was es eigentlich zu verwirklichen gilt. Das ist aber letztlich wohl unaussprechlich.

    Bewußtseinsmitnahme im deutschen Wikipedia ist nicht lediglich 'nicht ideal gemacht'.
    Der deutsche Wikipedia Autor könnte ernste Gründe gehabt haben für seine Auflistung. Siehe z.B. http://www.glennmullin.com/boo…-the-six-yogas-of-naropa/


    Der Punkt ist, dass Naropa selbst nicht aufgeschrieben hat, welche Yogas er gelehrt hat. Er hat sie nur mündlich an Schüler weitergegeben. Dabei kam es historisch offensichtlich zu unterschiedlichen 'Übertragungslinien'. Darüber reflektiert und die verschiedenen Techniken nach seinem Dafürhalten für Schüler sinnvoll wieder zusammengeführt hat sie schließlich Tsongkapa in seinem Kommentar zu den 6 Yogas (auch übersetzt von Glenn H. Mullin). Traumyoga (Milam) gehört zu diesen Yogas, die nicht von allen Übertragungslinien Naropa zugeschrieben wurden. Diese Linien haben dann ein anderes Yoga an Stelle von Traumyoga.


    Wer die 6 Yogas praktiziert, braucht eine Einweihung. Und je nach dem, aus welcher Linie sie kommt, kann es sein, dass Traumyoga nicht dabei ist.
    Das Ziel von Traumyoga sei, so wurde mir gelehrt, das klare Licht auch aus dem Bardo des Träumens heraus erreichen zu können. Dies sei die nächst anspruchsvollere Stufe, nachdem man das klare Licht aus dem Bardo des Wachzustandes heraus verwirklichen könne. Kriegt man das hin, ist es nicht weit, auch den 'illusory body' im Traum zu verwirklichen. Das eröffne dem Praktizierenden dann die im Thread bereits angesprochene Fähigkeit des 'Reisens'. Die schwierigste Aufgabe sei es schließlich, dies auch noch aus dem Bardo des Zwischenzustandes heraus zu können. Letzteres sei eine Fähigkeit fortgeschrittener Bodhisattvas, die über diese Fähigkeit bewusst im Bardo agieren würden, um sich zum Nutzen fühlender Wesen gezielt Eltern auszusuchen und sich reinkarnieren zu lassen, wo sie gebraucht werden. Aber das hielt selbst Tsongkapa für extrem anspruchsvoll.

    Emotional habe ich das auch so erlebt, wie du. Nachdem ich ein wenig länger dabei geblieben bin, habe ich zwei Punkte begriffen:
    1. Ole Nydahl bedient eine bestimmte Zielgruppe. Ich habe Menschen kennengelernt, für die ist seine Herangehensweise genau passend und nicht selten sogar der einzige Zugang für sie zum Buddhismus. Manche wollen/können sich eben gar nicht mit dem PK auseinandersetzen, sondern sind vollauf glücklich mit Guruyoga, Vajrasattva und einigen Beschützern. Ich bin Ole heute dankbar dafür, dass er sich dieser Klientel annimmt. Die Leute, mit denen man tiefer diskutieren kann gibt es auch, aber es sind nicht so viele und die trifft man eher in Indien im KIBI. Man darf nicht aus den Macken der Leute in den Zentren verallgemeinern, wie gut oder fragwürdig die ganze Linie ist. Am Ende kommt es vor allem darauf an, wie leistungsfähig ich selber bin.


    2. Bei Diamond Way ist mir klar geworden, dass neben dem Weg des Anhäufens und Diskutierens von Wissen eben auch andere Wege gangbar sind, um zu Buddhas Ziel, dem Ende des Leidens, zu kommen. Schaut man sich die Lebensgeschichten vieler Mahasiddhas an, dann hat ein beachtlicher Teil von ihnen wohl niemals über den PK diskutiert. Sie haben es statt dessen über bestimmte Meditationspraktiken zu Mahamudra Siddhi gebracht. Reicht. Diese Leute sind über die buddhistische Ziellinie gekommen. Im Gegensatz zu manchem Intellektuellen, der nur verbal zerpflückt, was andere vor ihm gesagt haben, dabei dem Ende des Leidens aber nur unwesentlich näher gekommen ist. Diamond Way hat sich für mich als eine sehr praktisch arbeitende Linie dargestellt, von der ich denke, dass sie für eine bestimmte Klientel ihre Berechtigung hat. Ich habe sehr viel Meditation dort gelernt und bin dankbar dafür. Für meine Exo-Tibetischen Bedürfnisse bin ich dann eben woanders hingegangen. Und heute gehe ich gar nicht mehr dort hin.

    Für mich sind diese Pioniere auch deshalb wichtig, weil ich als Nachgeborener an ihnen (besonders Grimm) anschaulich gelernt habe, dass in jeder Übersetzung/Interpretation/Lehrbuch auch eine ganze Menge Zeitgeist des jeweiligen Pioniers mit drinsteckt. Seither bin ich mit dem Begriff 'reine Lehre' vorsichtig.

    Der Autor des Threads hat zu Fundamentalkritik aufgerufen, da können wir ihm den Thread nicht mit
    Detailfragen zukleistern. Also bitte wieder die Flughöhe vergrößern und hier die ganz großen Fragen stellen. Auch wenn sie vage erscheinen.

    Zitat

    Morpho schrieb
    Ich jedenfalls kann mir nichts darunter vorstellen, wenn es heißt:
    ...
    - Weiterentwicklungen und Anpassungen, ..... von denen einige inzwischen auch wieder sinnlos geworden sind, weil die Zeiten sich weiter verändern.


    Da wäre z.B. aktuelle Diskussion in einem anderen Thread um die Forderung im tib. Buddhismus, bei bestimmten Tantras alles, was der Lehrer tut, als rein anzusehen. In der Diskussion kommt gerade heraus, dass diese Forderung möglicherweise über Jahrhunderte in der hierarchisch gegliederten Feudalgesellschaft Tibets angebracht war, dass aber in moderneren westlichen Gesellschaften die Hierarchie als Korrektiv fehlt. Deshalb kann diese Forderung zu Exzessen führen und sollte deshalb so bedingungslos nicht stehenbleiben.
    -um nur mal ein Beispiel für notwendige Veränderungen anzuführen-

    Zitat

    hedin02 schrieb
    …………..und die wären......, das würde mich nun schon interessieren.


    na zum Beispiel
    'Ein großer Teil von Buddhisten ist heute der Auffassung dass...' oder
    '... steht nicht im Widerspruch zu...' oder
    'Ab den 90er Jahren entwickelte sich die Strömung des 'umweltbewußten Buddhismus'. ... Er ist der Auffassung dass... und hat heute viele Anhänger.'
    statt
    'ist nicht auf den Gründer rückführbar, also von Einflüssen berührt, deshalb nicht authentisch und unrein. Da der Dharma aber authentisch, rein und nicht von Einflüssen berührt ist, gehören diese Dinge folglich nicht dazu. "
    Also einfach mal schauen, wie Biologen, Soziologen, Mediziner, Ingenieure etc heute sich selbst definieren und gegen nicht dazugehöriges abgrenzen.

    Zitat

    hedin02 schrieb
    Die Buddha Lehre ist, so wie ich sie verstehe, in ihren Grundelementen „zeitlos“ und kann von daher nicht so einfach abstrahiert, oder modernisiert werden, ohne eine andere Lehre erfinden zu wollen.


    Warum sollte etwas, das in seinen Grundelementen zeitlos ist, jenseits dieser Grundelemente (z.B. in den Lehrmethoden/Praktiken) nicht modernisiert werden können? Buddha selbst hat seine Erkenntnisse/Erlebnisse erst im Laufe von Jahren zu einer 'Lehre' entwickelt, wie z.B. Wolfgang Schuhmann 'Der historische Buddha' zeigt. Andere taten es nach ihm, wie Padmasambhava.
    Buddhas Lehre ist zweifellos der Kern des Buddhismus, aber nach 2500 Jahren umgeben von Weiterentwicklungen und Anpassungen, die sinnvoll wurden, weil die Zeiten sich geändert haben und von denen einige inzwischen auch wieder sinnlos geworden sind, weil die Zeiten sich weiter verändern.

    Zitat

    fotost schrieb
    Buddhas Beitrag zur Lehre ist die Lehre Buddhas.


    das ist sicher unbestritten. Dem Unbuddhisten ging es aber um 'Buddhismus' und der umfasst nach mancher Ansicht mehr, als die Lehre des Gründers.
    Der Autor des Threads argumentierte ja, dass der Dharma keine reine, authentische, originale, von Einflüssen unberührte Lehre mehr sei.
    Ich stimme ihm weitgehend zu und argumentiere, dass das nicht zwangsläufig negativ sei, weil z.B. auch die großen Wissenschaften dieses Schicksal teilen und damit bezüglich ihres Zieles leistungsfähiger geworden sind.
    'Authentizität, Originalsein, von Einflüssen unberührt sein' schätzte man im Mittelalter als Werte. Moderne Gesellschaften akzeptieren, dass die Dinge im Fluß sind (Vergänglichkeit), dass nicht jede Veränderung eine 'Verunreinigung' darstellt, sondern mglw. eine sinnvolle Weiterentwicklung.
    Gerade wir als westliche Buddhisten könnten einen Beitrag zu dieser Weiterentwicklung leisten, indem wir Buddhismus und Dharma eben nicht mehr abgrenzen mit überkommenen Werten wie Authentizität, Originalität und Unberührter Reinheit. Sondern dass wir mit moderneren Begriffen und Kriterien arbeiten.

    Zitat

    Ayudha hat geschrieben:
    Es stellt sich für mich die Frage, ob es denn einen "authentischen Buddhismus so wie Buddha Shakyamuni" ihn lehrte überhaupt geben kann.


    Ich finde den Begriff 'authentisch' im Zusammenhang mit Buddhismus problematisch. Griechisch: 'authenticos' = echt, glaubhaft verbürgt. 'Authentischer Buddhismus' wird dabei oft auf eine Übertragungslinie zurückgeführt. Hier zeigt sich noch die früher hinreichende Begründung durch Berufung auf Autoritäten. In der modernen Gesellschaft wird soetwas aus guten Gründen hingegen kaum noch akzeptiert.


    Niemand würde heute die Meinung vertreten, bezüglich der Mathematik sei alles das, was nicht von Adam Ries gelehrt wurde, keine authentische Mathematik. Nach Ries kamen viele große Mathematiker. Manche Weiterentwicklung hätte Adam Ries vielleicht selbst abgelehnt. Ob das später Beigesteuerte tatsächlich 'reine' Mathematik ist, entscheidet die Gemeinschaft der Mathematiker heute anhand fachspezifischer Vereinbarkeitskriterien und nicht nach der Rückführbarkeit auf den Gründer.


    Ebenso sollte der Buddhismus von uns Westlern nicht mit Authentizitätszuschreibungen begrenzt werden, sondern damit, ob Aussagen/Praktiken vereinbar sind mit einem akzeptierten Kanon von Aussagen, wie z.B. dem Buddhistischen Bekenntnis der DBU.


    Adam Ries Beitrag ist 'reine' Mathematik, aber späteres eben auch.
    Buddha Shakyamunis Beitrag ist 'reiner' Buddhismus, aber späteres (nichtauthentisches) eben auch.

    Ich bin von 1992- 2005 zu Diamond way gegangen. Meine Gefühle in den Zentren waren immer eine Mischung zwischen großartig und befremdlich.
    Großartig war die Atmosphäre, die frische unbefangene Art von Ole und seine Erklärungen. Dieser Mann hatte in seinen Vorträgen immer etwas zu sagen für Anfänger, für Leute mitten auf dem Weg und für Fortgeschrittene.
    Befremdlich fand ich schon 1992 sein Islambild, aber das hat mich nie davon abgehalten, die Dinge anders zu sehen, weil ich sie anders erlebt hatte.
    Befremdlich fand ich auch die Betonung der Hingabe, aber das war eher mein Problem. Ich war damals zu verkopft, zu intellektuell und habe alles theoretisiert. Karmapas Weg hat mir die Augen (den Mind) dafür geöffnet, dass es hinter allen Theorien auch noch Raum gibt, indem man vorkommen und agieren kann. Was zu Anfang für mich eher abstoßend war, stellte sich im Nachinein als das Beste heraus, was mir passieren konnte.
    Diamond Way hatte damals auch deshalb viel zu bieten, weil Shamarpa, Hannah Nydahl, Khenpo Tschödrak u.a. viel Dharma-Substanz hinter die attraktive Fassade gebracht haben. Inwiefern die heutigen Reiselehrer dieses Niveau erreichen, weiß ich nicht.
    Glücklicherweise fand ich in den Gruppen auch immer Leute, die ganz unbefangen und souverän getrennt haben zwischen Dharma und Kult (Marotten von Lehrer und Schülern). Diese Leute waren zwar eher die Ausnahme, aber wichtig für meine eigene Entwicklung.


    Insgesamt kann ich Shamarpa zustimmen, der sinngemäß gesagt hat: Den makellosen Lehrer werdet ihr nicht finden, in der Sangha wird es immer auch problematische Typen geben. Willkommen in Samsara. Na und? Gebraucht euren Verstand, lernt zu unterscheiden, geht den Weg des Dharma. Und eines Tages werdet ihr sehen, dass genau diese Unvollkommenheiten wichtige Dinge waren, an denen ihr gelernt habt und über die ihr hinausgewachsen seid.

    Was mir in der bisherigen Diskussion noch fehlt, ist folgende Möglichkeit:
    Der Lehrer ist durchaus hinreichend hoch verwirklicht für solche tantrischen Praktiken, aber die Schülerin erweist sich als instabil. Nicht so, dass der Lehrer das von vorn herein hätte erkennen müssen, sondern die Kandidaten, bei denen man so denkt: 'Der/die müsste das schaffen'. Das Problem kennt jeder Fahrlehrer/Fluglehrer/Bergsteigerlehrer... Die allermeisten Kandidaten wird er erfolgreich ausbilden, aber es gibt einen kleinen Prozentsatz, da geht die Sache richtig schief. Leider bestimmen solche Negativfälle danach oft die ganze Diskussion.
    Ich habe in meinen 25 Jahren Buddhismus eine Reihe Schüler/innen kennengelernt, bei denen der Stolz darauf, Schülerin von Lama XY zu sein, größer war als der Verstand. Zur Überheblichkeit kommt dann manchmal noch die Auffassung, an allen Problemen seien die Anderen schuld. Das Beispiel des hochgeschätzten Kalu Rinpoche und der 'Enthüllungen' einer einzelnen Dame hat mir zu denken gegeben.
    Ich finde, man darf nicht immer allein den Lehrer verurteilen. Gerade wer als Schüler stolz zu erkennen gibt, dass er/sie auf einer tantrischen Ebene ausgebildet wird, sollte eine gewisse 'Robustheit' aufweisen.

    Nuovo schrieb

    Zitat

    nimmt man als Beispiel yeshe tsogyal, so ist es nicht so, dass sie verwirklicht wurde durch Guru rinpoche. Sie war es vorher schon und war deswegen eine gute Gefährtin.


    Dagegen spricht aber die Biographie von Yeshe Tsogyal, im wesentlichen verfasst durch ihren Partner Atsara Sale und heute ganz gut lesbar in Keith Dowman 'Sky Dancer'. Es gibt im Text einige recht klare Äußerungen von Guru Rinpoche, die an eine noch nicht verwirklichte Yeshe Tsogyal gerichtet sind. Es gibt auch Weigerungen von Guru Rinpoche, auf Wunsch von Yeshe Tsogyal mit bestimmten tantrischen Techniken zu beginnen, bevor sie dafür reif war.


    Für mich ist Guru Rinpoche genau ein Beispiel dafür, dass die Mudra am Anfang noch nicht gleichwertig sein muss. Vielmehr hat er als Guru einen wesentlichen Anteil daran gehabt, sie zur Verwirklichung zu bringen. Vielleicht hat Sogyal Rinpoche auch sowas im Sinn gehabt, nur entweder hat er nicht das Kaliber eines Padmasambhava, oder die Damen nicht das Kaliber einer Yeshe Tsogyal /Mandarava

    Doris Rasevic-Benz schrieb:

    Zitat

    Niemals, wenn einem Gewalt angetan wird. Auch eine 80-jährige Frau, die vergewaltigt wird, hat nichts dazu beigetragen.


    Ja, so könnte man (zumindest als moderner Europäer) denken. Als bewußte Entscheidung. Man müsste sich dann allerdings darauf einstellen, auch den Begriff von Karma etwas neuzeitlich anzupassen. Also im Sinne von 'Karma findet seine Wirkungsgrenze bei Gewalt gegen ... und wir sind nicht bereit, derartige Handlungen mit Karma zu entschuldigen.' Einige alte Geschichten aus dem Kanon müsste man dann verbuchen unter 'früher gab es z.T. weitergehende, mechanistische Auffassungen von Karma'

    Doris Rasevic-Benz schrieb:

    Zitat

    Das Kind kann nichts dafür. Es ist ausschließlich Opfer.


    Ab welchem Alter würde dann dieser Argumentation nach Karma einsetzen? Erst ab 2 Jahren? Oder 8? Oder niemals?

    Zu der Geschichte mit dem Baby ist natürlich noch zu sagen, dass sie als Gegenargument zu 'nicht ausschließlich Pech gehabt" problematisch ist.
    1) der Ausdruck von Doris 'ein bisschen selbst verantwortlich' beinhaltet 'verantworten ->antworten-> Gegenrede zu etwas. Einem 3 Monate Baby würden wir im deutschen Sprachgebrauch nicht zusprechen, es könne etwas 'verantworten'. Der Ausdruck 'ausbaden' würde Problem 1 schon eher lösen.
    2) Die Sache klingt auch deshalb so fürchterlich, weil wir Europäer im Kontext die Vorstellung mitschwingen haben vom 'reinen unschuldigen Baby'. Die ist erst in der Romantik bei uns Mode geworden und wurde sowohl vorher (siehe allerlei Kindermassenmorde in der Geschichte) als auch heute in anderen Teilen der Welt z.T. deutlich anders gesehen. Tabula Rasa war nie die einzige Auffassung.
    3) Als Widerlegung von 'nicht ausschließlich Pech gehabt' ist das Baby auch deshalb nicht geeignet, weil die Folgerung 'etwas ist fürchterlich -> also kann es nicht sein' unzulässig ist. Das ist im Grunde der Umkehrfehler zum naturalistischen Fehlschluss. Es ist ein Kategorienfehler und entspricht der christlichen Reaktion auf Darwins Entdeckungen.


    Im Prinzip wäre das tatsächlich eine Konsequenz. So formuliert klingt das furchtbar, andersherum formuliert aber findet sich diese These durchaus. Ich habe einige hohe Lamas erlebt (tib. Buddhismus), die sagten: 'Niemand kann dir etwas antun, zu dem du keine karmische Verbindung hast' . Dieser Satz hat mir oft geholfen, Ruhe zu bewahren und z.B. wenig Angst vor Terroranschlägen zu haben.

    Könnte man einen kleinsten gemeinsamen Nenner formulieren, in etwa:
    Es ist nach buddhistischer Auffassung NICHT der Fall, dass ein Opfer von Gewalt ausschließlich Pech gehabt hat, dass es von dem Leiden befallen wurde. D.h., wir kommen eben nicht als weißes unbeschriebenes Blatt auf diese Welt?

    Wenn dich in dieser genannten Gruppe etwas enttäuscht oder schockiert hat, dann lass dich davon nicht ewig quälen.
    Als Buddhist verstehst du was von Karma. Also: Trag den Schmutz nicht weiter, sondern mach aus großen Problemen kleine, mach aus kleinen Problemen keine.
    Als Buddhist verstehst du was von 'loslassen'. Man muss auch solche Erlebnisse loslassen können. Wenn es schwer fällt, dann sieh genau diese Vorkommnisse als fortgeschrittene Lektion für dich an. Such dir was neues oder geh allein deinen Weg weiter, so wie du ihn verstanden hast.
    Wir sind alle 'auf dem Weg', also noch lange nicht vollkommen. Da kann es durchaus passieren, dass du an eine Gruppe gerätst, wo die persönlichen Unvollkommenheiten der Anderen genau einen wunden Punkt bei dir getroffen haben. Blöd gelaufen, aber kein Grund sich ewig damit rumzuärgern.
    Du wirst Samsara nicht verbessern. Aber du wirst deine Kompetenz im Umgang mit Samsara verbessern.
    Wenn du anderen mitteilen willst, dass du bzgl. einer Gruppe negative Erfahrungen hast, dann ist das hier durchaus ok. Aber eben in Form einer kurzen Anmerkung a la ' Gruppe xy war nicht so meins, ich traf da auf Verhaltensweisen, die ich so nicht erwartet hatte und ich war etwas enttäuscht.'

    raterz schrieb:

    Zitat

    wer gut praktiziert, braucht keine höllen zu fürchten in meinen augen.

    Ich kann mich an die Unterweisungen von Shamar Rinpoche zu Gampopas 'Jewel Ornament of Liberation' erinnern. Auf das Kapitel 'Höllen' ging er gar nicht detailliert ein. Er vertrat wie raterz die Meinung, ein praktizierender Buddhist muss sich nicht in die Details der verschiedenen Höllenbeschreibungen vertiefen, sondern sollte seine kostbare Zeit lieber darauf verwenden, sich mit den für ihn relevanten Details des vor ihm liegenden Bodhisattva-Weges zu beschäftigen.

    Um noch mal den Begriff der 'extremen Praktiken' aufzugreifen: Die Beurteilung, ob eine Praxis 'extrem' ist, wird verschieden ausfallen. Ein Professor, der dem Gebot der Objektivität verpflichtet ist, muss auf statistische Angaben bzgl. einer Gruppe referenzieren. Für eine konkrete Praktizierende hingegen ist es irrelevant, ob eine Gruppenmehrheit so praktiziert. Für die Einzelperson kann die extreme Praxis genau richtig sein - oder auch nicht.
    Ich halte es gern mit Keith Dowman, der immer danach fragt 'Do you feel a strong inclination towards XYZ-practice?' Und wenn die Frage trotz Krise aus ganzem Herzen mit 'Ja' beantwortet wird, dann ist es egal, ob Dritte die Praxis als 'extrem' einschätzen.

    Ich. Fand es sehr lesenswert. Besonders gelungen fand ich die Erklärungen von Lobsang Dargay, weil er anschaulich die verschiedenen Möglichkeiten bzgl. Bewusstseinsübertragung für Schüler unterschiedlicher Leistungsstufen erklärt.

    nach dem einen Buch nun noch das andere zu kaufen lohnt sich m.E.nicht, es sei denn du bist kritischer Literatur-/Religionswissenschaftler. Wenn das Thema dich anspricht, verwende Zeit und Energie lieber darauf, einen Phowa-Kurs zu besuchen. Da wird alles noch mal erklärt und es wird eine Übung gelehrt, mit der man rechtzeitig 'die Biege machen' kann, bevor man durch die Zustände aus dem tib. Totenbuch durchschlittert. Das ist wie beim Volkshochschulkurs in Holzbearbeitung: eine Woche selber bohren und sägen bringt mehr als zwei Bücher gelesen, aber nie praktisch Hand angelegt zu haben.

    Zitat

    Kilaya schrieb:
    Aber: bitte wieder versuchen, die Kurve zu kriegen zum Threadthema.

    Ich sehe die Diskussion gar nicht als vom Thema des Threads abkommend. Im Gegenteil: die letzten Schilderungen von Meditationserfahrungen und die Beschreibungsversuche treffen m.E. die tantrische Sicht des Bewußtseins ziemlich genau und stehen auch nicht im Widerspruch zum Text vom DL am Anfang des Threads. Ich habe beim Lesen das seltene Gefühl, hier kommen Leute der Sache selbst nahe. Mir zumindest bringt das eine ganze Menge, vor allem als Referenz für eigene Meditationsbemühungen.

    Der DL hat auch eine Erklärung, die für mich akzeptabel ist. Und die passt auch zu Pamokkhas Zitaten über den 'abscheidenden Bodhisatta im Tusita-Himmel'.
    Wir haben ja hier bisher vor allem über Nirmanakaya gesprochen. Seine Beschreibung hingegen geht von den drei Körpern aus und besagt in Kurzform, dass fortgeschrittene Buddhisten irgendwann 'superior Bodhisattvas' werden. Damit haben sie Zugriff auf den Sambhogakaya (Body of Complete Enjoyment). Und von diesem Sambhogakaya aus manifestieren sie 'Myriaden von Emanation Bodies oder Tulkus (Nirmanakaya)' zum Wohle der fühlenden Wesen. Der Sambhogakaya wäre dann das verbindende Element, wenn sowohl die frühere Inkarnation als auch die spätere aus ihm hervorgebracht werden.
    Wer den DL nachlesen dazu will:
    http://www.dalailama.com/messa…ssue-of-his-reincarnation

    Ich bin auch der Meinung, dass wir das im Westen nicht brauchen. Falls hier tatsächlich jemand die Meisterleistung einer gezielten Wiedergeburt hinbekommen sollte, wird der/die im nächsten Leben sicher auch ohne Wiedereinsetzung in den alten Stand zum Wohle aller Wesen wirken. Klasse setzt sich durch.