Beiträge von Kagemusha

    Guten Tag, allerseits. Dieser Beitrag behandelt meine Gedanken zu Stephen Batchelors Antwort auf Pursers Buch "McMindfulness: How Mindfulness became the new Capitalist spirituality". Eines von Batchelors Hauptargumenten ist, dass gemäss einiger Sutren Nirvana über Achtsamkeit, und Achtsamkeit von jedermann erreicht werden kann. Er verteidigt somit das Recht von Laien, gleich welcher Herkunft oder sozialen Standes, Nirvana zu erreichen. Im Video beschlich mich allerdings das Gefühl, dass hier eine Begriffsverwirrung herrscht. Purser greift aus meiner Sicht nämlich keineswegs das Recht von Laien an, Achtsamkeit zu praktizieren, auch wenn der Titel seines Buches dies suggeriert. Vielmehr greift er MBSR an, durch die sich besagte Laien lediglich einbilden, sich spirituell zu verändern. Der Unterschied wurde mir nach Lesen eines Artikels von tricycle.org klar. Kurz zusammengefasst dient MBSR eher dazu das Ego zu stabilisieren, während Achtsamkeit im Kontext der Sutren auf eine Zurückweisung des Egos hinausläuft. Ausgehend davon sollte der polemische Titel "Mc Mindfulness" eher "McMBSR" heissen. Im weiteren Verlauf des Videos denke ich, dass sich Batchelor ein paar Strohmänner bastelt, die leicht anzugreifen sind. Gegner von MBSR reden oft von einer Zurückweisung des traditionellen Buddhismus. Es sei laut Batchelor aber kein Geheimniss, dass es angeblich in traditioneller Achtsamkeit geübte Mönche gibt, die sich zum Werkzeug nationalistischer Politik machen (Thailand, Sri Lanka). Worauf ich antworten würde, dass es auch in traditioneller Achtsamkeit geübte Mönche gibt, die das nicht tun. Wer hat jetzt recht? Diejenigen, die in Übereinstimmung mit ihrer Lehre leben oder jene, die ihre Lehre ignorieren? Steht etwa auch das Trinken von Alkohol nicht im Widerspruch zur Lehre, weil es in Japan viele Klöster gibt, die Sake brauen? Letztlich untergräbt Batchelor sein eigenes Argument mit dem Satz "How du you call a deluded Buddha? An ordinary person." Mein letzter Punkt betrifft seine Sympathie für die amerikanischen Durchschnittskonsumenten, unter welchen es viele ethische Menschen gäbe, wohingegen der Ausdruck "McMindfulness" eine Verachtung für die Arbeiterklasse ausdrücke (die ja in den USA so gerne bei McDonalds frühstückt). Ich bin der Auffassung, dass dieser Aspekt vollkommen irrelevant ist. Es mag ja sein, dass der durchschnittliche Angestellte bei Google oder Mc Donalds sich für eine ethische Person hält, weil er Geld für seine Familie verdient und einen von seiner Firma gesponsorten MBSR-Kurs besucht. Damit weicht man jedoch der Kritik am Arbeitgeber aus, der nicht nur privat nicht unbedingt eine ethische Person ist, sondern u.U. eine unethische Firmenpolitik betreibt. Ich für meinen Teil denke, dass der Unterschied zwischen MBSR und Achtsamkeit im öffentlichen Bewusstsein deutlicher unterstrichen werden muss. Man kann unethische Firmenbosse nicht daran hindern, ein paar Atemübungen zu machen, ganz gleich, ob sie buddhistisch , taoistisch oder christlich inspiriert sind. Man kann jedoch Aufklärungsarbeit leisten, damit mehr Menschen hinter die Oberfläche schauen.


    Hier ist der Link zu Batchelors Video:


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    Hier zum Link des Artikels von tricycle.org:


    (Are You Looking to Buddhism When You Should Be Looking to Therapy?)

    Natürlich. Ich beziehe mich auf den letzten Abschnitt des ersten Kapitels, in welchem Lopez den “Prozess der Demythologisierung” problematisiert:


    “Yet once the process of demythologizing begins, once the process of deciding between the essential and inessential is under way, it is often difficult where to stop [...] Can there be Buddhism without Mount Meru? Can you play chess without the queen? Mount Meru- with its four faces of gold, silver, lapis, crystal- is a slippery slope”.


    Dass der Berg Meru aber keineswegs nur wie hier von Lopez dargestellt wird (also mit 4 Seiten aus Edelsteinen) hat mich gewundert. Das Kalacakratantra wird von ihm, soweit ich es sehe, nicht erwähnt.

    Ich habe kürzlich “Buddhism and Science: A Guide for the Perplexed” von Donald Lopez Jr. gelesen, und bekam den Eindruck, dass mir geraten wurde, als “nicht kolonialistischer” westlicher Buddhist auch an die “authentische” Auslegung der Meru-Mythologie glauben zu müssen. Das heisst: An die Wortwörtliche. Da ich nicht der „Viktorianischen Einbildung“ (wie Lopez es in einer Vorlesung ausdrückte) anheim fallen will, ist meine Wahl eindeutig. Nur als ich mich in die Materie einlas, merkte ich dass es mehr als einen Berg Meru gibt. Der Meru im Abhidarmakosa ist würfelförmig, insgesamt 160.000 Yoyanas hoch, 80.000 Yoyanas unter Wasser, mit einer Goldbasis und Edelsteinen an jeder Seite. Ausserdem hat er 7 Ringe aus Bergen und Wasser um sich herum, während die östliche Riesen-Insel trapezoid ist. Der Meru im Kalacakra-Sutra ist rundlich, hat eine Erdbasis und ist 100.000 Yoyanas hoch. Ausserdem ist er schwarz im Osten, Blau im Süden, Gelb im Westen und Weiss im Norden. Er hat 6 Ringe aus Bergen, Wasser UND Kontinenten. Die östliche Riesen-Insel ist rund wie der Mond. Problematisiert wird die Klärung dieses für den Buddhismus so unglaublich wichtige Sachverhalts durch Lopez’ Begegnung mit einem indischen Buddhisten. Dieser sagte, nur die Erleuchteten könnten den Meru sehen. Hilfe ist erwünscht.

    Nihilismus geht nach der mir geläufigen Interpretation vom Fehlen einer legitimen Autorität aus, die einen objektiven Lebenssinn bzw. moralische Maßstäbe schaffen könnte. Den Vorwurf, der Buddhismus sei nihilistisch, kann man in dem Sinne bejahen, weil er von der Essenzlosigkeit alles Bestehenden ausgeht. Ich finde diese Begründung aber recht kurzsichtig. Die tibetischen Exilanten in Indien gehen zweifellos von der Essenszlosigkeit des Staates China aus, der sich aus Millionen Individuen zusammensetzt. Doch lässt sich nicht leugnen, dass dieser Staat einen objektiv nachweisbaren Fakt geschaffen hat, nämlich die Annexion Tibets. In der selben Weise würden nur wenige "traditionelle" asiatische Buddhisten behaupten, dass Gottheiten wie Yama keine objektiven Maßstäbe setzen, nur weil sie essenzlos sind- denn nach meinem Wissensstand fungiert er als eine Art Richter. Ist die Möglichkeit, in das Nirvana einzutreten, vor diesem Hintergrund wirklich nihilistisch? Oder nicht vielmehr existenzialistisch und emanzipatorisch, weil es den ständig wiedergeborenen Wesen die Möglichkeit eröffnet, sich aus diesem sklavischen Kreislauf zu befreien? Ich tendiere zu Letzterem.


    Ein weiterer Punkt, auf den ich eingehen will, ist die Einbeziehung der christlichen Perspektive im Artikel. Der Autor bemängelt wohl, dass der Buddhismus von Kirchenleuten trotz seines Nihilismus gelobt wird. Das scheint mir sehr ironisch, weil ich in "The Making of Buddhist Modernism" gelesen habe, dass christliche Missionare in Asien ad nauseam versuchten, den Buddhismus als wertlose, nihilistische Religion zu verunglimpfen. Die (aus meiner Sicht falsche) Annahme dahinter ist, dass Atheismus unweigerlich zu Nihilismus und davon ausgehend zu moralischem Verfall führt. Aber gerade der christliche Trinitarismus stößt auf Rechtfertigungsprobleme. Schließlich geht das Christentum von einem allmächtigen, unendlich barmherzigen Gott aus, der sich selbst zu sich selbst opferte, um die Menschheit vor dem Bösen zu retten, das er paradoxerweise selbst erschaffen hat. Die Annahme eines unsterblichen, allmächtigen und durchweg guten Schöpfers führt direkt zur Theodizee.


    Der Buddhismus hat aus meiner Sicht den Vorteil, dass er selbst in seiner demythologisierten Form den Nihilismus überwindet und (denke ich) eher in Richtung Existenzialismus geht. Und das Nirvana als Ziel ist, wie ich weiter oben schrieb, nicht als bloße Resignation vor dem Fehlen eines Lebenssinns zu verstehen.

    Als Diskussionsbeitrag würde ich gerne den „Milindapanha“ („Die Fragen des Milinda“) zitieren. Laut der Einführung von H.Bechert handelt es sich um ein Werk, das „nicht zu den kanonischen Schriften des Theravada-Buddhismus im durch Buddhaghosa definierten Sinn zählt, aber dennoch ein hohes Ansehen im Theravada genießt“. Dort liest man folgenden Dialog zwischen dem Mönch Nagasena (Schule unbekannt) mit dem Griechenkönig Menandros (Pali: Milinda):


    „Der König sprach: Wer ist es, der wiedergeboren wird?“

    „Eine geistig-körperliche Verbindung (nama-rupa).

    „Wie, die gegenwärtige“?

    „Nein, aber durch diese gegenwärtige geistig-körperliche Verbindung wird ein gutes oder böses Wirken (kamma) getätigt, und zufolge dieses Wirkens eine neue geistig-körperliche Verbindung“

    „Wenn aber nicht die gegenwärtige Geist-Körperlichkeit wiedergeboren wird, wird man dann nicht von den Folgen böser Taten frei sein?“

    „Ja, wenn man nicht wiedergeboren wird, dann wohl; wird man aber wiedergeboren, so entgeht man nicht der Folge böser Taten“

    „Gib mir eine Erläuterung!“

    „Nimm den Fall an, ein Mann habe von einem anderen Mangofrüchte gestohlen, und der Eigentümer ergreife ihn und bringe ihn zur Anklage, seine Mangofrüchte gestohlen zu haben. Jener aber sage: „Ich habe nicht dessen Mangofrüchte gestohlen. Denn jene Früchte, die von ihm gepflanzt wurden, sind nicht dieselben, die ich genommen habe. Ich habe keine Strafe verdient.“- Würde da nicht, oh König, jener Mann doch der Strafe schuldig sein?“

    „Gewiss“

    „Und aus welchem Grund?“

    „Was jener auch vorbringen mag, so verdient er eben Strafe wegen der letzten Mangofrüchte, denn diese konnten ohne die früheren Früchte nicht da sein“.


    ......


    (es folgen weitere Gleichnisse dieser Art)


    „Was du als „geistig- körperliche Verknüpfung benanntest, was ist das geistige, was das Körperliche?“

    „Was da, oh König, grob (stofflich) ist, ist das Körperliche (rupa), und was da an feinen (unstofflichen) Erscheinungen, wie Bewusstsein und Geistesfaktoren gibt, ist das Geistige (Nama).“


    ———-


    Nun zu meiner eigenen Meinung: Es scheint mir, dass der Buddhismus lediglich betont, dass die Erscheinungen (wie geistig und körperlich) aus verschiedenen Einzelfaktoren bestehen, die sehr wohl wiedergeboren werden, aber eben nicht auf ewig in einer Seele miteinander verkoppelt sind.


    Isaac Asimov beschreibt in seinem „Foundation-Zyklus“ die Wissenschaft der „Psychohistorie“. Deren Grundlage sind Beobachtungen aus der statistischen Gaskinetik: Während die Bewegung einzelner Gasatome schwer vorhersehbar ist, ist die Bewegung einer Gaswolke leichter vorherzusagen. Genauso lässt sich das Verhalten einer Menschenmasse leichter vorhersehen als das Verhalten einzelner Menschen.


    Man würde aber falsch liegen, wenn man auf Basis dieser Vorhersehbarkeit postuliert, dass eine Gaswolke oder eine Menschenmasse ein einziges, unwandelbares Bewusstsein wären. Andererseits würde man falsch liegen, wenn man behauptet, dass sich das Verhalten dieser Masse nicht steuern ließe oder dass besagte Masse keine Wirkung auf ihre Umwelt ausübt.


    Tldr: Nicht-Ich und Wiedergeburt schließen sich nicht aus. Der Buddhismus erkennt das Phänomen einer Ich-Wahrnehmung an, “enttarnt” dieses jedoch als Interaktion von Einzelfaktoren, die sich neu verknüpfen.