Beiträge von crocus

    Wie steht es mit Ursache – Wirkung? Wenn keine Sila, dann kein Fortschritt in buddhistischer Praxis – wertfrei, so wie: kein Licht – kein Pflanzenwachstum.

    Weil's so schön philosophisch ist:

    Die Negation ist problematisch:

    Aus 'Etwas ist Ursache für eine Wirkung' folgt nicht die Negation: 'Ohne dieses Etwas keine Wirkung'.

    Bsp. 'Weil der Wecker früh um 6 klingelt, stehe ich auf'. Daraus ist nicht ableitbar: 'Wenn der Wecker nicht klingelt, stehe ich nicht auf'. Ich werde nämlich meist schon vorher wach, stelle den Wecker ab und stehe trotzdem um 6 auf.

    Hinter der nicht erlaubten Negation steckt ein Einzigkeitsproblem:

    Aus 'Etwas ist Ursache für eine Wirkung' folgt nicht: 'Dieses Etwas ist zudem die einzige Ursache für die Wirkung." Es könnte andere Ursachen geben, die die selbe Wirkung erzielen. Bsp.: Wenn ich mit meinem Ehepartner streite, kriege ich Kopfschmerzen. Aber ich kriege manchmal auch aus anderen Gründen Kopfschmerzen.


    Deshalb können wir aus der Aussage: 'Das Üben der Silas führt zu Fortschritten in der buddh. Praxis' nicht schlussfolgern 'Ohne Silas keine Fortschritte in der buddh. Praxis'

    Ganz praktisch äußerte das im jahrhundertelangen Streit (auch in Konzilen) zwischen 'Stufenweg zur Erleuchtung' vs 'plötzliche Erleuchtung' bzw. Lam Rim vs Chan/Zen-Koans. Er wurde nie eindeutig entschieden, wenn gleich die jeweiligen Anhänger das natürlich jeweils anders sehen. Beobachtbar ist aber, dass beide Linien bemerkenswerte Buddhisten hervorbrachten.

    Das könntest du aber wissen. Alle diese Infos sind frei verfügbar. Eine kurze Recherche genügt. Sich hinter Nicht-Wissen verstecken, funktioniert also nicht.

    So einfach ist das nicht. Ein Mensch ist mehr als nur das, was in den Medien über ihn zu lesen ist. Ich habe Ole Nydahl selbst erlebt, er hat mich Mitte der 90er auf den Weg gebracht. Damals war er noch anders, hat sich deutlich mehr an den buddh. Kanon gehalten und diesen für uns zeitgemäß-modern interpretiert. Darüber liest man heute kaum etwas, die Skandale fingen erst später an. Gefühlt ab 1997 änderte sich die ON-Gemeinschaft. Ich habe mich dann anderen Lehrern und Schulen zugewandt. Und ich kenne viele, viele, denen es ähnlich ging. ON hat Heerscharen von uns auf Buddhas Weg gebracht und dafür sind wir ihm und seiner damaligen Gemeinschaft dankbar. Auch wenn wir später weitergezogen sind. Von daher macht so ein Ex-Netzwerk schon Sinn.

    Ja, nach mehreren Jahren Praxis der offiziellen Rituale habe ich mir angefangen, mir eigene Rituale zu bauen. Beginnend als Abwandlung der offiziellen, dann zunehmend komplexer durch Kombination von Elementen mehrer Rituale. Beispielsweise fühle ich eine starke Verbundung zu Südamerika und habe mir ein eigenes Ritual aus Avalokiteshvara und Vajrasattva-Praktiken erzeugt, um der Region mein Wohlwollen zu senden, Spannungen aus Zeiten der Militärdiktaturen an der Perpetuierung zu hindern etc. Mir hat das viel gegeben, und ich glaube, der Region auch, wenn es auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

    Man muss sich natürlich bewusst sein, was man da tut. Man sollte zugeben können, dass es nicht mehr originär das ist, was der Buddha gelehrt hat. Man muss aufpassen, dass man sich nicht eine weichgespülte Wohlfühlpraxis bastelt. Man trägt auch selbst die volle Verantwortung und kann sie nicht abschieben auf einen Lehrer. Letztlich aber denke ich, dass das Formen eigener Rituale eine Sache ist, die von höheren Bodhisattvas im Rahmen von Upaya (wirksame Mittel) ohnehin gefordert sein wird.

    Quote from Pano:

    "Daran anschließend stellt sich mir die Frage in wieweit der „mittlere Weg“ schon den Monismus im Buddhismus begründet (also im Gegensatz zum dualismus)."


    Die Antwort ist wohl Nein. Sie ist das Lebenswerk des indischen Philosophen Candrakirti und im Madhyamakavatara (The Entry into the Middle Way) ausgeführt. Die kurze Argumentation lautet: Mit einer Dichotomie wie Monismus-Dualismus machst du selber zwei Extreme auf, von denen weder das eine noch das andere korrekt sein kann, weil beide in Widersprüche führen. (Anmerkung von mir: diese Widersprüche Schritt für Schritt im Werk nachzuvollziehen, ist sehr mühselig, zumal sie aus heutiger Sicht nicht wasserdicht sind, aber bei gutem Willen wohl wasserdicht gemacht werden könnten.) Man kann sich damit Jahre beschäftigen. C.W. Huntington hat das bravourös gemacht in "The Emptiness of Emptiness: An Introduction to Early Indian Madhyamika".

    Er sieht Candrakirtis Anwendung des Mittleren Weges auf einer Stufe mit dem Dekonstruktivismus von Derrida, was etwas heißen will.

    Schopenhauer und Nietzsche muss man ihrer Zeit sehen, also auf welche Philosophien sie reagiert haben. Das waren damals so 'wenn Gott tot ist, hat nichts mehr einen Sinn'- Diskurse. Bei Schopenhauer und Nietzsche begann damals eine Tendenz des Schwarz-Weiß-Denkens. Sie haben sich Ende des 19.Jh. bewußt von der Mitte abgewandt, da die vorher von Hegel, Schelling und den anderen Idealisten bis zum Überdruss mit scheinbar 'wässrigem Gelaber' ausgefüllt wurde. Doch: Extremdenken führt nicht zum Ziel, hat der Buddha sinngemäß gesagt und er sollte auch im 20. Jh. Recht behalten. Schopenhauer und Nietzsche waren ganz große Denker, aber das bedeutet nicht, dass ihre Philosophien der Weisheit letzter Schluss waren. Husserl, Heidegger, Derrida und das ganze 20. Jh. sind der Beweis dafür, dass man weiter denken muss, um sein Leben in seiner Zeit sinnvoll zu orientieren.

    Bin zwar nicht Zen-fixiert, hatte aber mal eine Phase. Bei mir war es immer die gleiche Reihenfolge: Internet, ein Buch von ihm, dann hingefahren zu einer Veranstaltung, später dann persönlicher Kontakt (aber nur wenn ich Fragen hatte, nicht, um mich in seiner Strahlkraft zu sonnen). Kriterium war immer, ob das, was er sagt/macht, tief in mir Resonanz erzeugte. Und bei Vajrayana kam hinzu, ob die Initiation was in mir bewirkt hat.

    Ich habe zu verschiedenen Zeiten verschiedene Lehrer 'gefunden'. Über manche, die mir am Anfang viel zu sagen hatten, bin ich mit den Jahren hinausgewachsen.

    Meine Erfahrung ist: es gibt Lehrer, die Neugierige 'auf den Weg bringen'. Dann gibt es Lehrer für die, die schon auf dem Weg sind und 'die Sache nun richtig lernen wollen', also Leerheit, Bodhicitta, Koans, Versenkungsstufen etc. Und schließlich gibt es fortgeschrittene Lehrer für fortgeschittene Schüler (das sind oft unkonventionelle Typen, die für Buchwissen nur noch ein müdes Lächeln übrig haben, aber die mich eine Weile beobachten und mir dann ganz direkt auf die Nase zusagen, wo mein Problem liegt (ohne dass ich gefragt hätte).

    Jet Corby: Kailash Akademie

    Tibetischer Buddhismus, mal nicht als Sach- und Übungsbuch, sondern als Roman im Genre Phantastik.


    Die Protagonistin namens Mellie ist eine Deutsche, die um den Kailash pilgern will. Doch ihre durchgeplante Reise nimmt eine unerwartete Wende, als das Fahrzeug von der Straße abkommt. Von da an gerät sie unter den Einfluss von 2 Einheimischen, die ihr auf der Wanderung um den Manasarovar-See nicht nur Essen und Schlafplatz anbieten, sondern auch mit ihr meditieren. Mellie ist stolz auf ihre Meditationserfahrung, die beiden Einheimischen bringen sie aber schnell an den Rand ihrer Fähigkleiten. Das wird Mellie unheimlich, aber sie kämpft sich tapfer durch manch schwierige Situation, um doch noch um den Kailash laufen zu können. Noch hat sie keine Ahnung, was da auf sie wartet.

    Ein Roman über das Ideal des Bodhisattvas (hier interessanterweise in weiblicher Form: die Bodhisattvi) und die Schwierigkeiten, es im Alltag zu leben. Das allein war schon lesenswert, denn ich kenne solche Zweifel (wie z.B. das ausgenutzt-werden) aus eigenem Erleben.

    Noch interessanter wurde es, als in der Handlung nach und nach die Konturen eines berühmten Tantra kenntlich wurden. Ein buddhistisches Tantra als Phantastik-Roman schreiben zu wollen, hat was von Ausholen zum großen Wurf. Ob man es hier als gelungen ansieht, ist sicher eine Sache persönlicher Präferenzen. Mir hat die Idee gefallen. Ich war einst bei Lama Anagarika Govindas Beschreibung von Padmasambhavas Direkt-Initiation durch eine edle Dakini schon hingerissen. Jetzt, beim Höhepunkt von Kailash Akademie, bin ich vor Seligkeit ein Stück tiefer in die Polster gerutscht. Buddhas Lehre kann echt unterhaltsam sein. Für mich als Mahayana/Vajrayana-Anhänger hat die Geschichte das Zeug zum Klassiker.

    Mir ging es genauso vor vielen Jahren. Als Akademiker hatte ich meine wiss. Weltsicht, und was die Vajrayanaleute da so trieben, rief bei mir Stirnrunzeln hervor. Doch ich habe mitgemacht, weil es irgendwie faszinierend war. Außerdem hatte ich relativ schnell das Gefühl 'es wirkt'. Mein großes Glück waren fortgeschrittene westliche Praktizierende aus der Sangha, die mir wichtige Hinweise gaben, wo ich Stirnrunzeln hatte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit:


    -bei Mantras geht es nicht um Anzahl und Geschwindigkeit, sondern darum, den dazugehörigen Geisteszustand zu verwirklichen und zu halten. Wenn man sich dann dazu das Mantra als akustischen Ausdruck vorstellt, fängt es an für mich Sinn zu machen.

    -Ngöndro: dito + "die 84 Mahasiddhas haben nie formal Ngöndro gemacht". Übe die 4 Übungen, bis sie du Eins geworden bist mit ihnen. Anzahl ist letztlich uninteressant.

    -bedingungslose Hingabe und Unterordnung unter den Guru ist nichts für aufgeklärte Westler. Meine Gurus haben das auch nie gefordert, sondern immer wie der Buddha aufgefordert: Schalte deinen Verstand ein, sieh, ob es heilsam ist für dich oder nicht. Und die Lehre aus einigen Missbrauchsskandalen ist: Wenn der Guru Grenzen überschreitet, geh auf Distanz. Guru Yoga geht auf den Buddhaaspekt im Lehrer, nicht auf den Menschen. D.h, übernimm, was er/sie an Dharma zu lehren hat und bei dem Rest denk dir, dass Jeder Mensch so seine Macken und Ansichten hat.

    -Karma ist eine komplexe Theorie, die schon vor dem Buddha da war. Ob sie wahr, widerspruchsfrei (nein, ist sie nicht) und ausnahmslos gültig ist, darüber kan man trefflich streiten. Man landet ganz schnell in der Sprachphilosophie (= Bedeutung der einzelnen Ausdrücke und ihre Beziehungen), und dann wird es komplex. Um auf dem Weg vornzuschreiten, muss man sich da nicht unbedingt reinvertiefen. Meditiere lieber.

    -Höllen: Ich bin Sharmapa endlos dankbar, dass er uns gelehrt hat: das Thema könnt ihr einfach weglassen.

    -Und meine wichtigste Erkenntnis nach einigen schmerzlichen Selbstverbiegungen: Viele 'Forderungen', die einem Missbehagen bereiten, sollte man eher als Schablonen betrachten, die man dann und wann wieder an sich anlegt. Man macht seine Praxis, entwickelt sich und legt dann mal die Schablone an. Das Interessante war, dass an den meisten Sachen tatsächlich etwas dran war und man eines Tages merkt, dass man das jetzt versteht.


    Auch wenn die tibetischen Praktiken anfangs Befremden in mir hervorriefen, heute bin ich dankbar, ihnen begegnet zu sein, denn sie haben mich weit über mein kleines wiss. Weltbild hinausgetragen.

    Mir ging es auch mal so, dass sich Familienmitglieder selbst einquartiert haben. Ich bin dann für einige Tage ins Hotel gezogen, mit der Begründung, ich brauche meine Ruhe. Seit dem wissen alle Bescheid und Besuche werden unbedingt vorher abgesprochen.

    Ausdrücke wie "an allen Ecken und Enden so..." sind wenig hilfreich. Sie mögen vielleicht die Berichterstattung reflektieren, erlauben aber nicht den Schluss von "Es gibt Fälle von ..." zu "Es ist fast überall so."

    Ich war in mehreren Communities und habe eine entsprechende Einweihung. Ich habe in meinen 30 Jahren Vajrayana NIE selbst einen Fall von Missbrauch miterlebt. Wer wollte, der konnte Karma Mudra praktizieren, wer nicht wollte, der praktizierte eben die mönchische Variante. Vielleicht habe ich einfach Glück gehabt. Aber mir scheint es eher der Normalfall zu sein, dass die weit überwiegende Mehrheit der tantrischen Buddhisten sich sehr respektvoll verhält. Inklusive der Lehrer, die ich kennenlernte.

    Vielen Dank für eure Beiträge. Schön zu lesen, dass auch Andere selbstverantwortlich auf tantrischen Pfaden voranschreiten. Wofür braucht man also noch einen tantrischen Leher? Mir sind bisher folgende Argumente begegnet:

    1) Zitat:"Der Guru überträgt dir die Energie der tantrischen Gottheit. Wo willst du die ohne Einweihung sonst herbekommen?"

    2) Die Praxis ist so mächtig, da kann man sich selbst großen Schaden zufügen, wenn man wild drauf los meditiert.

    3) Autodidakten neigen dazu, sich die Rosinen rauszupicken und die unangenehmen / anstrengenden Inhalte wegzulassen. Am Ende haben sie gefährliches Halbwissen, gebärden sich aber als Profis.

    4) Früher war es in Asien mit der Glaubensfreiheit nicht weit her. Wer nicht der offziellen Religion folgte, geriet schnell ins Visier des Staates. Deshalb wurde die Praxis oft im Geheimen ausgeführt.

    5) Wer Siddhis hat, kann diese auch zum Schaden seiner Mitmenschen einsetzen (black magic). Deshalb sollte vor einer Einweihung jemand drauf schauen, ob das auch ein geeigneter Kandidat ist.

    6) Autorität durch hl. Schriften: "In den Schriften steht, dass man eine Einweihung braucht. Ende der Diskussion."

    Für jedes Argument gibt es wohl eine Perspektive, aus der das gerechtfertigt erscheint. Allerdings gibt es auch valide Einwände gegen jedes Argument. Ich denke, am Ende kommt es stark auf den Einzelnen an. Am Besten fand ich zu diesem Thema einen Satz von Keith Dowman. Der fing an mit "Wer eine starke Anziehung zu dieser Praxis verspürt,..."

    Ich war bei meiner Zuflucht im Theravada beheimatet. Kurz darauf geriet ich in tantrische Kreise. Es hat mich fast ein Jahr gekostet, herauszufinden, ob und wie es möglich ist, dass so verschiedene Wege dasselbe Ziel haben.

    Buddhistisches Tantra ist eine Methode, buddhistische Ziele zu erreichen. Das Besondere an tantrischen Methoden ist die unmittelbare Arbeit mit Energieflüssen in uns. Ein Vorteil ist, dass man weitgehend nonverbal auf das Ziel hinarbeitet, d.h., man entgeht auch weitgehend dem Problem, sich an den Grenzen unserer Worte den Kopf einzurennen (frei nach Wittgenstein formuliert). Bei der Arbeit mit unseren Energien (Anhaftung, Abneigung z.B) geht es am Anfang der Praxis um gezieltes Wahrnehmen derselben, später um Nicht-Einhaken, Auflösen, Umleiten, Konzentrieren, Verschmelzen und dergleichen mehr. So etwas sollte man aber nicht tun, ohne genau zu wissen, worum es geht, wohin man will und wo die Gefahren liegen. Deshalb sind tantrische Praktiken erst nach Einweihung durch eine 'sachkundige Person' durchzuführen.

    Ja, Vajranatha und Keith Dowmann sind mir auch noch eingefallen. Was mich bewegte, war die Frage nach der Zukunft des Tantra im Westen, falls es uns nicht gelingt, zeitgemäße Lehrer heranzubilden. Meine Erfahrung ist, dass zwar einige junge "Reinkarnationen" von großen Meistern aus dem Exiltibet in den Westen kommen, dass die Vergleiche und Bilder, die sie gebrauchen, aber auswendig gelernt und oft veraltet wirken. Manch tibetische Geshe-Debatte zerlegt im Westen heute schon ein Student im 2. Semester Philosophie wegen Inkonsistenzen. Wo sind unsere jungen Talente, die hohes Tantra leben und zeitgemäß lehren können?

    Ich bin seit 30 Jahren im Buddhismus unterwegs, zu einem wesentlichen Teil im tibetischen. Viele Initiationen wurden von tibetischen Lamas durchgeführt. Ein Teil der Attraktivität beruhte wohl auch darauf. Nun sind inzwischen die meisten 'meiner' großen Meister gegangen, oder werden das in absehbarer Zeit tun. Ich frage mich, wie verbreitet es inzwischen ist, dass auch westliche Personen Einweihungen in höhere buddh. Tantraklassen (Anutara-Yoga Tantra) geben. Also konkret Guhyasamaja, Yamantaka, Hevajra, Chakrasamvara, Kalachakra und ähnliche. Um mal zwei Beispiele zu nennen: Tsem Rinpoche war nicht ganz unumstritten, aber bzgl. Vajrayogini war man bei ihm gut aufgehoben. Oder Helmuth Poller in Wien ist bzgl. Hevajra für mich ein großartiger Lehrer. Gibt es noch viele andere, oder sind das Einzelfälle?

    Buddhismus in China, von H.G. Wagner. Ein wiss. 1000 Seiten Wälzer über die Rezeption/Adaption des Buddhismus in China von den Anfängen bis heute. Immer mal abends ein halbes Kapitel, dann ist man nach einem halben Jahr durch.

    So könnte man folgern. Das heißt aber noch nicht, dass das in der Realität tatsächlich alles ist. Es ist lediglich der Output einer Theorie. Luhmann hatte mit sich selbst eine Wette abgeschlossen: dass es ihm gelingt, fast alles in der Soziologie als System zu beschreiben. Diese Wette hat er nach Auffassung vieler Wissenschaftler bis zu seinem Tod wohl gewonnen. Pro und Contra: Mit der Systemtheorie konnte er vieles erklären, woran andere Ansätze ( wie z.B. behavioristische Theorien) scheiterten (die Großartigste: Warum kreisen Behörden und Ämter im Wesentlichen um sich selbst, und wir als Antragsteller stören dort eigentlich nur?). Jedoch gibt es in der Gesellschaft auch andere Aspekte, die seine Systemtheorie nicht so recht erklären kann. Das muss man im Hinterkopf behalten, bevor man aus Theorien Schlussfolgerungen zieht, wie die Dinge sind und wie man sich verhalten soll.

    Zitat

    Die Frage, die sich mir aufdrängt: Bis zu welchem Punkt kann ein solches autopoietisches System „Wesen“ durch eigene Prozesse zur Selbstauflösung beitragen? Meine vorgreifende Vermutung: Gar nicht.

    Nach systemtheoretischen Verständnis tatsächlich gar nicht. Luhmann hat die Existenz eines Systems daran festgemacht, dass es im Ergebnis das produziert, was es für neue Runden des Daseins braucht. Er nannte diese Verbindung von Prozess-Ende mit einem erneuten Anfang die operative Schließung. Ohne die Schließung würden die dem Prozess zur Verfügung stehenden Ressourcen in kürzester Zeit zerfasern und sich in Reibereien verbrauchen. Zu fordern, dass das System sich auflöst, ist so absurd, als verlangte man von einer Behörde, sich selbst abzuschaffen. Was systemtheoretisch aber gut machbar ist, ist, dass das System sich der Bedingungen seiner Existenz selbst bewusst wird. Es kann sich dann mäßigen, statt alles kontrollieren zu wollen. Sich ganz abzuschaffen entspräche im buddh. Sinne wohl auch einem Verfallen ins negative Extrem, statt dem mittleren Weg zu folgen. Schließlich haben sich die meisten Erwachten/Erleuchteten auch nicht vorzeitig aufgelöst, sondern ihr irdisches Leben bis zum Ende zum Wohle der Wesen weitergelebt.

    Ich finde die Überschrift 'Chinas Kommunisten wollen Wiedergeburt des DL bestimmen' eine ungeschickte (ev. aber so gewollte) Formulierung. 'Bestätigen' statt 'bestimmen' wäre sachlicher gewesen. Liest man sich durch die Dokumente, kommt man an die Stelle, wo das Verfahren beschrieben wird: Ziehung aus der goldenen Urne. Es gibt dabei mehrere Kandidaten. H.G. Wagner beschreibt in seinem Megawerk 'Buddhismus in China', dass das Urnenverfahren in China vor langer Zeit entstanden ist, nachdem es im tib. Tulku-System häufig Streit um mehrere Gruppierungen mit je eigenen Kandidaten gegeben hat. Wer den Streit um die 2 Karmapas in den 1990-ern miterlebt hat, weiß welche Formen so eine Auseinandersetzung annehmen kann. Unbenommen ist natürlich die Frage, wer die Kandidaten in der Urne sein werden. Die Geschichte um den Panchen-Lama läßt grüßen.