Ich bin weder buddhistisch sozialisiert worden noch bin ich aufgewachsen, wo der Buddhismus die prägende Religion ist. Das ist in meinem Falle das Christentum, obwohl ich selber nie gläubiger Christ war. Somit habe ich einen ganz anderen Bezug zum Buddhismus als zum Beispiel ein Asiate, der in einem vorwiegend buddhistisch geprägten Land aufgewachsen ist. Dort ist es ganz selbstverständlich, den Buddhismus als Religion zu sehen, was er nun mal auch ist.
Wenn ich als Westler den Buddhismus kennenlerne, dann ist der Kontext ein anderer als der, den jemand erfährt, der von Geburt an in einem buddhistisch geprägten Land aufwächst und damit den Buddhismus vermutlich ziemlich ähnlich erfährt wie wir Westler das Christentum. Meist wird der Buddhismus hier im Westen als rationale Alternative bzw. als rationales Gegenstück zum Christentum verstanden.
Persönlich halte ich die Lehre Buddhas und allgemeiner die Lehren, die der Buddhismus in den ca. 2500 Jahren seiner Existenz hervorgebracht hat, durchaus für rationaler als die christliche Lehre, soweit ich sie kenne. Für mich ist die buddhistische Lehre viel gehaltvoller und ihre Substant bleibt bestehen, wenn man die religiösen Elemente des Buddhismus wegnimmt. Meine Meinung ist, dass das den Buddhismus deutlich von anderen Religionen unterscheidet.
Wenn ich mich allerdings nicht auf die philosophische Lehre beschränke, sondern auf die vielen Riten und die religiöse Praxis in buddhistischen Ländern sehe, dann ist mein Eindruck allerdings schon der, dass ich das als genauso religiös empfinde wie die Riten und Praxis des Christentums (ich meine das völlig wertfrei). Es gibt also einen Unterschied zwischen der gelebten Frömmigkeit und der reinen philosophischen Lehre.
Ich sehe für mich keinen Sinn, religiöse Rituale zu übernehmen, wenn sie mir fremd sind und ich damit nichts verbinde. Mir persönlich ist es auch ziemlich egal, ob die Lehre Buddhas, der ich folge, als Religion bezeichnet wird oder als Philosophie, es ist die Lehre, die mich überzeugt, und es ist der Buddha, den ich verehre.