Beiträge von BangoSkank im Thema „Gradualismus und Subitismus“

    Zitat

    Ich möchte aber nochmal zu meinem 3. Aspekt zurückkommen und fragen: Welche Traditionen gibt es, die Leser als subitistisch einschätzen würden?


    Ich glaube Dzogchen geht in die Richtung, obwohl ich´s nicht genau weiß. Jede Tradition in der Phrasen kontempliert werden, führt ,meiner Ansicht nach ,auch auf eine sehr direkte Weise, ab einem gewissen Punkt zu einem Ahaaa! Dazu gehören vor allem die Koans im Rinzai. Advaita Vedanta machts ähnlich mit seiner Selbst-Ergründung, geht jedoch nur bis zu einem gewissen Punkt und nicht weiter. Erwähnenswert ist da der einzige Chan Mönch der jemals Selbstergründung praktiziert hat, Hsu Yun. Die Methode die er benutzte nennt sich Hua-Tou und wird noch heute vor allem in Korea praktiziert. Achja, ich hab da so die Vermutung, dass der Taoismus auch dazu gehört, weiß darüber allerdings auch nicht genug um das bestätigen zu können (müsste doch dieses WuWei sein oder so).

    Dass es einen reinen Subitismus gäben könnte, kann ich mir schwer Vorstellen.
    Vielleicht gibt es Individuen die tatsächlich im Vergleich zu anderen eine ungewöhnlich Auffassungsgabe besitzen,
    reif genug sind um nur durch einen kleinen Schubser brauchen, in Form eines Hinweises, damit die Glühbirne anspringt.
    Falls sowas möglich sein sollte, ist es vermutlich eher selten der Fall. Denke auch,
    dass so eine Sichtweise von sich selbst eher zu ‘‘Selbsttäuschung“ und damit im ungünstigsten Fall zu einem toten Ende führt.


    Wenn es z.B. darum geht zu erkennen, dass es kein Ich gibt, könnte man annehmen es würde in einem einzigen Hauruck geschehen.
    Aber ist das wirklich so einfach? Kann es sein, dass man z.B. gewisse Aspekte unseres Daseins Durchleuchtet
    und damit der Ich-Illusion ihre Festigkeit genommen hat,
    es jedoch auf einer subtileren Ebene doch noch ein Festhalten irgendeiner Form von Inhärenz vorhanden ist?


    Irgendwie scheint es schon erkennbar zu sein, ein Ich wäre nicht zu finden. Aber trotzdem ist da vielleicht so eine vage Befürchtung,
    dass es vielleicht da doch noch etwas geben könnte. Da trägt jemand einen Gürtel und hält diesen für eine Schlange,
    was ja nicht stimmt. Trotzdem hat er noch nicht seine gesamte Furcht verloren, er ist sich nicht zu 100 % sicher,
    dass dieser Gürtel doch keine Schlange ist.


    Es könnte sein, dass man z.B. einen Einblick in die Nondualität hatte, die sich auf die Abwesenheit von Gedanken bezieht,
    es jedoch nur temporär war. Also nur eine Erfahrung und währenddessen werden die anderen Sinneswahrnehmungen immer noch dual gesehen.
    Investigation und Kontemplation würden hier auf einer graduellen Weise jeden Aspekt unserer Realität durchleuchten.
    Durch diese Art von Praxis, würde man die Erfahrungen wiederholen und intensivieren bis es schließlich im Subitismus mündet wie ich ihn verstehe,
    als eine Realisation.
    Kein Zugewinn von irgendetwas, sondern eine unerschütterliche Erkenntnis, in etwas was schon immer gültig war.
    Der Unterschied zwischen der vorangegangenen Erfahrung und dieser Realisation ist, dass dieses Wissen nicht mehr verschwinden kann,
    da es einfach zu offensichtlich ist. Der Gürtel war noch nie eine Schlange, es war immer nur ein Gürtel. :idea:


    Ob man es als Heilslehre (im Sinne eines gedanklichen Luftschlosses, das auf Konzepten basiert) verkennt und sich darin verirrt liegt in der eigenen Verantwortung. Da muss man schon ehrlich zu sich ‘‘selbst‘‘ sein.

    Okay, ein erneuter Versuch.


    Unser Leben kann aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden. Folgende Metapher:


    Da fließt ein Fluss von seiner Quelle oben im Gebirge runter ins Tal. Dort unten herrscht die Zeit.
    Es gibt Vergangenheit und Zukunft. Es können Schritte gemacht werden in der Entwicklung,
    es gibt einen 8-fachen Pfad. Hier herrscht der Verstand,
    da Vergangenheit und Zukunft nur in ihm existieren können.
    Wenn man die Phänomene betrachtet, kann man ihre Vergänglichkeit,
    ihre Leidhaftigkeit und ihr Nicht-Selbst beobachten.
    Wenn man die Objekte anhand dieser Kriterien sucht wird man sie auch finden.


    Vipassana, wie es z.B. im Mahasi-Stil durch Benennung gelehrt wird,
    führt auf dieser Ebene zu einem energetisch-physischen Prozess, zu Zyklen.
    Diese werden ab dem ersten vollständigen Durchlauf (Sotapana) ohne Zutun durchlaufen.
    Wenn man weitermacht kulminiert dies irgendwann bis zum Arahat.
    Im Theravada ist dies das höchste Ziel, wird aber auch in manchen Vajrayana-Schulen gelehrt.
    Dort wird es jedoch eher als eine Art Zwischenstufe betrachtet. Dies ist der graduelle Weg.
    Achja, Jhanas z.B. sind ebenfalls dieser Ebene zuzuordnen.


    Hier beginnt der nicht-konzeptuelle direkte Weg. Jetzt verlassen wir das Tal und damit auch die Zeit.
    Wir steigen hoch und befinden uns in der Mitte zwischen Tal und Quelle.
    Auf dieser Ebene erkennen wir ohne darüber nachzudenken,
    dass es im Grunde genommen nur eine Sache gibt die wir bestätigen können.
    WIR SIND und zwar im Hier und Jetzt und außerhalb davon gibt es nichts, kann es nichts geben.
    Alles findet innerhalb unseres Bewusstseins statt.
    Man kann wirklich alles hinterfragen und bezweifeln, aber dies nicht. Hier merkt man ebenfalls,
    dass wir weder Verstand noch Körper sind. Unsere Natur scheint etwas Unsterbliches zu sein.
    Alles andere können nur vom Verstand geschaffene Vorstellungen sein. Es ist dieses Ich bin,
    das von z.B. Ramana Mahashri und Eckart Tolle gelehrt wird.


    Und jetzt die Quelle ganz oben. Es ist der Punkt an dem alles beginnt.
    Hier werden Sunyatta und jede Form der Non-Dualität realisiert.
    Die zwei wichtigen Aspekte der Leerheit sind auf dieser Ebene erkennbar:


    -Im Hören, niemanden der Hört. -Im Hören, nur Hören.


    Usw.


    Erfahren tut dies jeder, immer wieder. Jedoch meist nicht wirklich bewusst.
    Es muss also wirklich realisiert werden und reifen damit es ins Leben integriert werden kann.




    Wir sprechen hier also von verschiedenen Ebenen der Wahrnehmung.
    Mit der Metapher soll keines Wegs eine Ebene über eine andere gestellt werden.
    Jedoch wird es klar warum es so viele Missverständnisse gibt.
    Leute auf verschiedenen Ebenen reden aneinander vorbei.
    Für jemanden der voll und ganz auf der Ebene des Seins sitzt mag es trivial erscheinen,
    sich noch mit Tun und Wollen zu beschäftigen, da man dem Sein nichts hinzufügen kann.
    Es ist wie es ist und damit perfekt.


    Trotzdem ist es nicht so als wenn man an einer Ebene kleben bleiben muss.
    Man kann sich zwischen ihnen fortbewegen.
    Zum selben Zeitpunkt den graduellen und direkten Weg zu gehen ist nicht möglich.
    Aber beides kann sich nacheinander Ergänzen.
    Wenn man jedoch immer nur im Tal war und nichts anderes kennt,
    kann man sich das Leben sehr schwer machen.