Beiträge von Bambusblüte im Thema „Lügen“

    Ich verstehe, es geht Euch nur um die kleine oder irdische Lüge und um die kleine oder irdische Wahrheit - für mich gibt es da aber keinen Unterschied, beides ist nicht wahr!
    Aber gut, wir lieben es ja anscheinend, uns als Handelnde zu bergreifen und gemäß dieses Hintergrundes Entscheidungen zu treffen; von diesem Standpunkt aus kann man natürlich sagen,
    daß diese Entscheidung letztendlich davon abhängen sollte, wo wir stehen, welche Pflichten wir für unser Leben gewählt haben, welcher Aufgabe wir uns stellen und was wir so erwarten.
    Wenn es jedoch darum geht, einen großen Schatz zu hüten, wird es ohne List einfach nicht funktionieren; und wer die Geheimnisse, welche ihm die Geliebte ins Ohr flüstert,
    vor der Menge ausbreitet, ist einfach nur ein hoffnungsloser Esel...
    Das gilt es doch zu bedenken.
    lg

    Dürfen wir lügen? Vielleicht ein wenig? Oder aus Not? Oder etwa gar nicht? Für mich sind das recht eigenartige Fragen, die nirgendwohin führen in einer Welt, die eine einzige Lüge darstellt und deren einzige Funktion darin zu bestehen scheint, die Wahrheit zu verschleiern.
    Hier (in unserer derzeitigen Vorstellung) existieren wir in einem verwirrenden Spiel von Täuschungen, unsere gesamte Existenzform - beginnend mit der Geburt - ist letztendlich nichts anderes, als ein undurchdringliches Geflecht aus lauter Lügen. Also finden wir hier an keinem Ort auch nur ein Fünkchen Wahrheit. Nicht, daß es hier nirgendwo Wahres gäbe, aber in dieser Welt hat die Wahrheit ihren Bezug zu sich selbst verloren, was ihre Wirkung einer Lüge gleichmacht. Wahrheit hat aber nur Bestand, wenn das Wahre sich allein im Wahren findet.
    Wie kann man da erwarten, daß wir jemals die Wahrheit sagen könnten? Gibt es auch nur einen unter uns, der die Wahrheit kennt? Weiß jemand zwischen Lüge und Wahrheit zu unterscheiden? Es ist ein Ding der Unmöglichkeit in dieser Welt, in der sich die Wesen allesamt in ein Gewirr von Selbsttäuschung verloren haben, die Wahrheit zu kennen, geschweige denn, sie zu artikulieren. Wer also glaubt, die Wahrheit zu sagen, belügt sich auf wirkungsvolle Weise nur selbst.


    Und Gautama Buddha, hat er etwa nicht die Wahrheit gelehrt?
    Nun, das ist ein schwieriges Thema, und ich möchte deshalb keinen Streit beginnen*), doch sagte er nicht selbst (in der Anuradha-Sutta): Nur eines lehre ich, jetzt wie früher: Das Leiden und des Leidens Ende...? Die Wahrheit aber ist niemals dukkha, also lehrte er nie die Wahrheit, sondern immer nur, was sie nicht ist, nämlich ihr schieres Gegenteil, und das ist alles dukkha. Der erste Schritt zur Wahrheit liegt nun einmal darin, die Lüge zu kennen, das ist der Weg, die Wesen zur Wahrheit zu führen. Er lehrte also - so verstehe ich seine Aussage - die Unwahrheit zu erkennen und sie zu überwinden.

    Nun gut, es geht hier also eigentlich nur darum, ob es denn gestattet ist - wenigstens aus einer Not heraus - etwas zu sagen, von dem man glaubt, daß es eine Lüge sei. Ihr versteht nun, warum ich darauf nur fröhlich antworten kann: Na klar, es ist gestattet - aber nur, wenn Du keinem anderen Wesen dadurch einen Schaden zufügst, der sich sonst vermeiden ließe. Sage ebenso niemals etwas, von dem Du glaubst, es sei die Wahrheit, wenn Du damit wissentlich einem anderen Wesen einen vermeidbaren Schaden zufügst. Das ist es, was ich denke.
    lg


    *) Natürlich lehrte er sie (die Wahrheit), doch er wußte wohl auch, daß sie, wenn sie bei uns ankommen würde, sich in Unwahrheit verkehren würde: Was wir nämlich als so oder so erfahren, liegt nun mal in uns selbst begründet.