Beiträge von Bebop im Thema „Schlechtes Karma durch Reue loswerden???“

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    Wenn auf uns beiden der Regen herabprasselt, dann wir beide werden nass. Aber Budddha empfindet es alles in seinem Innerem absolut anders...

    Wer soll das schon wissen? Einen Schnupfen kann er sich jedenfalls genauso holen wie ich.


    Dass es im Buddhismus im Grunde um eine Geistesschulung und die "Einstellung" geht, glaube ich allerdings auch. Deshalb ist da auch nichts mit der Materie oder mit Orten wie Himmel und Hölle, es geht lediglich um die Umformung des Geistes, damit es dem Praktizierenden besser geht. Er wird altern, krank und sterben, aber er will mittels des Dhamma lernen, wie er weniger darunter leidet.


    Wenn man sich aber den ganzen Textaufwand dafür ansieht, kann man schon ins Stutzen kommen. Nehmen wir an, der Buddha hatte vorher, als er es laut Überlieferung mit all den Prostituierten machte und im Luxus lebte, die Probleme, die er nachher beschrieben hat. Dann müssen wir annehmen, dass er z.B. Todesangst hatte und diese dann beseitigte. Am Ende ist er aber relativ schnell gestorben, also wenn er das nicht gemacht hätte, dann hätte seine letzte Todesangst zeitlich wahrscheinlich nicht länger gedauert als seine Ängste vor dem Erwachen. Das steht irgendwie in einem komischen Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Und wenn er außer den Rückenschmerzen nix hatte, dann hat er auch ganz schön viel meditiert, um sich gegen etwas zu wappnen, was ihn dann gar nicht bekümmerte (das geistige Leiden an Schmerzen), weil es gar nicht eintrat. Insofern ist der Shakyamuni fast eine tragische Gestalt, und was man aus ihm machte. Er führte quasi die meiste Zeit Scheingefechte gegen Probleme, die nur einen geringen Teil seines Alltags ausgemacht haben, oder anders ausgedrückt: Er litt vor allem an seinem eigenen (!) Geist, und das musste er dann klären. Es gibt ja Menschen, die keineswegs darunter leiden, dass sie reich sind und viele Frauen haben. Aber aus der Sicht Buddhas konnte das wohl nicht sein. Dabei hätte er vor allem erkennen müssen, dass sein Blick auf die Welt nur sein eigener sein kann, und der von niemand anderem. Das würde ich von einem Erwachten erwarten. Aber vielleicht wusste er es ja, und man hat ihm das alles nur im Nachhinein angedichtet.

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    Wenn alle Fragen darauf hinabzielen, warum etwas nicht so sein kann,

    Das ist keine Frage. Das ist eine überlieferte Tatsache. Alle Genannten sind gealtert, wurden krank und starben. Sie haben also für die wichtigsten Probleme unseres Daseins keine Lösung gefunden. Shakyamuni trieb es dabei auf die Spitze, er nahm die großen Worte wie Tod in den Mund, hatte aber tatsächlich, bei genauer Betrachtung, eine Lehre erfunden, die es dem Geist erlaubt, mit all den unveränderlichen Tatsachen besser klar zu kommen. Teilweise führt das dann offenbar sogar zu Praktiken, wo ein Ich sich selbst zähmt (gedankliche Schmerzkontrolle, wie bei Yogins). Das kann man alles machen, aber dass man "schlechtes Karma" durch Reue usf. loswird, ist damit nicht belegt. Oder anders: Es gibt kein überzeugendes Konzept von "schlechtem Karma", aber einen Wirkungsnachweis von Reue, die etwas mit einem macht. Dazu muss man aber ebenfalls keine schwer beladenen Worte wie Karma bemühen. Es ist gut möglich, dass einer, der Reue zeigt, die Hölle erlebt, dazu braucht der Geschädigte, gegenüber dem er bereut, nur eine solch große Wut zu haben, dass er sich lieber bitter rächt. Genauso wie einige Menschen entgegen dem obigen Zitat zum Töten nicht in die Hölle fahren (Samanna Vagga), sondern den Himmel auf Erden erleben (z.B. bestimmte Diktatoren). Unsere Beobachtungen erzählen uns doch was ganz Anderes. Um solchen Texten zu vertrauen, müsste man notgedrungen ans Nebulöse glauben, das ist für mich nicht überzeugend. Als Zen-Buddhist hätte ich den Buddha aufgefordert: Zeig mir doch mal Himmel und Hölle.

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    Selbstverständlich hat Buddha die Dukkha der Skandha, das hat er nie angezweifelt, dass kein fühlendes Wesen dieser Dukkha entkommen kann. An diesen Dukkha nicht zu leiden durch sich damit identifizieren als „Das sind meine Dukkha“.

    Nach der ersten Wahrheit sind auch Altern, Krankheit und Tod Leiden.

    Nach der zweiten Wahrheit ist die Ursache ALLER Leiden Gier, Unwissenheit, "Durst nach Werden" usf.

    Sowohl der Buddha als auch Suzuki und Buddhadasas hätten in meinem Beispiel - laut Zeugen - diese Ursache überwunden.

    Logischerweise müssten, sie, wenn das Ganze Sinn macht, dann auch das überwunden haben, was Leiden ist.

    Haben sie aber nicht. Es wäre wohl besser gewesen, Alter, Krankheit und Tod nicht zu erwähnen.

    Insofern spielt es kaum eine Rolle, ob sie meinen, das sie ihr Leiden als ihr dukkha betrachten oder nicht, denn sie altern, werden krank und sterben wie alle anderen. Es ist dem dukkha sozusagen egal, was der Buddha oder Suzuki davon denkt.

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    dass letztlich alles im Innen heraus entsteht und dort auch aufgehoben werden kann.

    Inwiefern? Der Shakyamuni ist an der Vergiftung gestorben. Was hat er denn aufgehoben? Warum hat er sich über Rückenschmerzen beklagt?


    Das Ausmaß der Schmerzen entscheidet darüber, ob jemand aufschreit, und seine persönliche Resistenz, auch die geistige. Man kann jeden "Erwachten" zum Schreien bringen, da gehe ich jede Wette ein. Das ist also keine Frage von Gedankenspielchen - da sticht mich eine Wespe, skandha, skandha, skandha, und nun erspar ich mir das Schreien. Was ist außerdem damit gewonnen? Jedes Baby schreit, und bei dem gibt es noch nicht einmal eine Ich-Vorstellung.

    Hier wird also ein simples Bild von Himmel und Hölle aufgemacht, und das entspricht der von mir genannten Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit. Und ich würde sagen, Suzuki und Buddhadasa hätten sich den Himmel verdient, davon war aber an ihrem Lebensende nicht viel zu sehen, und alles andere ist mir zu spekulativ und billig.

    Dann sagte Helmut am 24.06.:


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    Welche karmischen Leidensursachen sind denn deiner Vermutung nach im Geist Buddha Sakyamunis noch übrig geblieben aufgrund derer er noch Leiden erlebt? Erlebt Buddha Sakyamuni aufgrund dieser übrig gebliebenen Reste noch Leiden, wie kann er dann in seiner ersten Lehrrede (SN 56.11) davon sprechen, dass er die dritte edle Wahrheit verwirklicht hat?

    In dieser Logik wären das nämlich vergleichbare karmische Leidensursachen wie von Suzuki und Buddhadasa, denn körperliches Leiden gehört zu dukkha, und der Buddha starb ja offensichtlich an einer Lebensmittelvergiftung, hatte im Leben Rückenschmerzen etc. Demzufolge gab es dann wohl Karma aus früheren Leben, für den Buddha und die anderen Genannten. Oder wie konnte der Buddha davon reden, dass auch körperliches Leiden dukkha ist?


    Was Helmut hier macht, ist ganz typisch, er versucht, einen umfangreichen Text so zu deuten, dass er keine Widersprüche hat, und das wird nicht funktionieren. Weil der Buddha per definitionem Leiden überwunden hat, kann keine Leidensursache mehr auf ihn wirken. Das geschah jedoch offensichtlich. Wie bei den anderen Genannten. Weil Leiden von ganz anderen Faktoren verursacht werden kann - böswilligen anderen Menschen, die mehr Macht haben als man selbst, genetischen Ursachen usw. Mit anderen Worten, man kann auch dann die Hölle erleben, wenn man sein Bestes gegeben hat und im bestmöglichen Sinne erwacht ist.

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    Kann es sein, dass Du hier gegen Deine eigene Vorstellung vom Palikanon angehst? Wenn nein, dann zitiere doch was konkretes, sei es aus dem Palikanon, oder konkret aus Beträgen hier in diesem Faden.

    (210) Der mit zehn Eigenschaften Behaftete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's erwirkt, zur Hölle. Mit welchen zehn?

    Er tötet... hat falsche Ansichten.

    Der mit zehn Eigenschaften Ausgestattete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's erwirkt, in den Himmel. Mit welchen zehn?

    Er steht ab vom Töten... hat rechte Erkenntnis.

    (211) Der mit zwanzig Eigenschaften Behaftete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's erwirkt, in die Hölle. Mit welchen zwanzig?

    Er selber tötet und zum Töten regt er andere an... Er selber hat falsche Ansichten zu falschen Ansichten regt er andere an.

    (212) Der mit dreißig Eigenschaften Behaftete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's wirkt, in die Hölle. Mit welchen dreißig?

    Er selber tötet, zum Töten regt er andere an und zum Töten gibt er seine Zustimmung... er selber hat falsche Ansichten, zu falschen Ansichten regt er andere an falschen Ansichten gibt er seine Zustimmung.

    (213) Der mit vierzig Eigenschaften Behaftete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's wirkt, in die Hölle. Mit welchen vierzig?

    Er selber tötet, zum Töten regt er andere an, zum Töten gibt er seine Zustimmung das Töten lobt er. .. er selber hat falsche Ansichten, zu falschen Ansichten regt er an, falschen Ansichten gibt er seine Zustimmung und falsche Ansichten lobt er.

    Der mit vierzig Eigenschaften Ausgestattete, ihr Mönche, gelangt, wie er sich's erwirkt, in den Himmel. Mit welchen vierzig?

    Er selber steht ab vom Töten, zum Abstehen vom Töten regt er andere an, dem Abstehen vom Töten gibt er seine Zustimmung und lobt es;... er selber hat rechte Erkenntnis, zu rechter Erkenntnis regt er andere an, gibt rechter Erkenntnis seine Zustimmung und lobt sie.

    Wenn man keine Gerechtigkeit vom Karma erwartet, ist ja schon viel gewonnen. Ich erlebe das aber anders. Ich bezog mich auf das Thread-Thema "Schlechtes Karma durch Reue loswerden". Da ist etwas schlecht (oder unheilsam), und in den Bildern des Palikanon geht das ja recht weit, so dass durchaus der Eindruck entsteht, es gäbe - ähnlich dem Jüngsten Gericht im Christentum - eine höhere Gerechtigkeit, die dann dafür sorgt, in welcher Lebensform etwas auftaucht. ob man zur Hölle fährt etc. Dem zugrunde liegt ein klar dualistisches Wertesystem. Die Texte im Palikanon sind da auch nicht viel reifer als die der Bibel, die Menschen hoffen halt, dass in einer ungerechten Welt noch irgendetwas für Ausgleich sorgt. Darum brachte ich auch Beispiele wie Suzuki aus dem Zen, der offensichtlich ja ständig daran arbeitete, seinen Geist von Befleckungen zu reinigen, aber dann doch die Hölle erlebte, nämlich die Hölle auf Erden. Buddhadasa Bhikkhu ist ein Beispiel aus dem Theravada, es nutzte ihm all das Heilsame nicht, weil jemand, der mehr Macht hatte als er, entschied, dass er nicht wie gewünscht sterben durfte, sondern komatäs jahrelang auf einer Krankenstation wie ein Gemüse verwelken durfte, so die Beschreibung eines seiner Schüler. Der Wirkungszusammenhang des Karma ist begrenzt. Und genau das kann man beobachten. Ich könnte mir vorstellen, dass Shakyamuni das deshalb nie recht durchschaute, weil er als gepamperter Sohn aus reichem Haus auf dem Auge doch immer etwas blind blieb.

    Das Problem ist auch hier, dass einige Buddhisten den Text über die Wirklichkeit stülpen, statt anders herum. Es ist leicht zu verifizieren, dass es KEINEN zwingenden Zusammenhang zwischen Gedanken, Worten und Taten und deren Folgen gibt. Das heißt, es gibt zu jedem offensichtlichen Beispiel (da tut einer was Schlechtes und bekommt dafür die Quittung) auch ein Gegenbeispiel (da ist einer davongekommen, wie ungerecht). In der Regel wird dann darauf ausgewichen, dass man nicht alle Wirkungen sehen könne und dass es ja zukünftig, möglicherweise sogar in einem künftigen Leben, noch ein wirksames Karma gebe. Dieses klassische Karma-Konzept deckt sich in seinen hilfreichen Aspekten (Reue, Zuwendung, Wiedergutmachung usf.) mit dem Verhalten von Nicht-Buddhisten, in seinen wenig hilfreichen dogmatischen Aspekten aber nicht mit der erfahrenen Wirklichkeit. Tatsächlich bleiben viele im Palikanon als unheilsam beschriebene Vorgänge für den Einzelnen folgenlos. Allerdings soll der Gläubige das nicht glauben, damit die Gesellschaft möglichst wenig Schaden nimmt. Der Kriminelle kann das dann für sich nutzen, denn wenn nicht aktiv gegen ihn vorgegangen wird in der Hoffnung, das Karma würde es schon richten und für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen, bleiben seine Taten womöglich "folgenlos" im Sinne der im Palikanon aufgemachten Gleichung.


    Karma ist also nur eine mögliche Weise, daneben gibt es auch Chaos und, so will ich es mal nennen, offensichtliche Ungerechtigkeit. Seziert man es, dann ist Karma vor allem ein Gedankenkonstrukt, mit dem man sich das Leben erträglicher macht. Sicher gibt es Ursache und Wirkung, aber die sind nicht so gestrickt, dass sie unbedingt wertend auf einen Ausgleich hin wirken, d.h. eine Missetat wird eben nicht immer unangenehme Folgen für den Täter haben, das ist eher eine Frage von Wahrscheinlichkeiten. Darum ist es m.E. hilfreicher, Karma als Aufforderung zum Handeln denn als Beruhigung, es gäbe da eine übergeordnete Gerechtigkeit, aufzufassen. Denn die hier von manchen hier beschriebene Vorgehensweise des eigenmächtigen Tilgens von karmatischen Folgen (durch Reue, Dhammastudium usf.) wird von der Mehrheit der Menschen ja nicht praktiziert, wenn dies also der Weg wäre, würde die Welt und selbst der so Übende die Folgen des karmatischen Handelns der Welt um sich herum immer wieder zu spüren bekommen. Glaubt er wirklich, wenn er sein eigenes Karma bereinigt hat, er könne nicht mehr überfallen und blutig geschlagen werden? Sind nicht große Meister wie Shunryu Suzuki an schmerzhaftestem (Bauchspeicheldrüsen-)Krebs gestorben? Der so Übende sitzt also einer Illusion auf, nämlich der, durch die eigenen Fleckenreinigung der Glückseligkeit des Nirwana nahe zu kommen, während tatsächlich die Folgen des Verhaltens der Welt um ihn herum und genetische Programme entscheidend sein Schicksal bestimmen. Er hat vor allem einen begrenzten Spielraum, dessen Grenzen er freilich weit ausdehnen kann: den der geistigen Vertiefung. Und es ist sehr unwahrscheinlich, dass er im Laufe dessen an einem Karma-Konzept, wie es hier zugrunde liegt, festhalten wird, sondern plausibler, dass er auch dieses als substanzlos und leer erkennen wird.