Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass viele Missverständnisse in Gesprächen daher rühren, dass zwar dieselben Begriffe verwendet werden, die Idee, die dahinter steckt, jedoch differiert. Die Menschen denken dann, dass sie von derselben Sache sprechen, aber sie tun es nicht. Ich kenne dieses Phänomen auch aus den Geisteswissenschaften. Dort wird jedoch ein Begriff, der verwendet wird, erst definiert und erklärt, auf welche Theorie, Philosophie usw. dieser bezogen wird. Wir müssen nur einen Begriff der Philosophie in Wikipedia eingeben, und schon können wir sehen, wie er sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, wie sein Sinn sich verändert hat, wie ihn der eine Autor so und der andere anders verwendet hat.
Dasselbe gilt für den Begriff "Erleuchtung". Guckt doch mal in Wikipedia nach
http://de.wikipedia.org/wiki/Erleuchtung
Upps! So viele Differenzierungen. Und das ist sicher noch lange nicht alles.
Und nun gibt jede buddhistische Tradition, jede Linie, jeder Lehrer auch noch ein wenig andere Definitionen, versucht es mit seinen Worten zu erklären …
Wenn wir eine einigermaßen erfolgreiche Kommunikation miteinander haben wollen, dann müssen wir berücksichtigen, dass unsere Worte oft identisch sind, die Erfahrungen, die Theorien, die individuellen Vorstellungen niemals kongruent sind und wohl auch nicht sein können. Daher ist es schon recht hilfreich, erst einmal gemeinsam herauszufinden, inwieweit sich die Vorstellungen zu Begriffen decken. Für mich bringt diese Vorgehensweise eine gewisse Offenheit mit sich - ich streite mich nie mit anderen Leuten, wenn ich diese Unterschiede berücksichtige, auch weil dann automatisch so was wie Respekt vor dem Andersein des Anderen entsteht.
Ich selbst kann mit "Erleuchtung" nichts anfangen und habe nie nach so was gedürstet. Ich kenne lediglich Momente völligen Friedens und des Staunens über mich, die Wesen und die Welt. Das genügt mir.
Und hier ein Zitat von Garchen Rinpoche:
ZitatAlles anzeigen17. OKTOBER 2012
Frage zum Geisteszustand eines Buddhas
FRAGE UND ANTWORT MIT S.E. GARCHEN RINPOCHE WÄHREND DES AMIDEWA RETREATS 2012 IN SINGAPUR
Frage: Wenn ich aufrichtig daran denke, anderen von Nutzen zu sein, und wenn dabei keine Selbstanhaftung im Geist ist, ist dieser Geisteszustand dann der Buddha?
GR.: Dies ist der Geisteszustand eines Bodhisattvas.
Sich nur um andere zu sorgen, ist Bodhicitta.
Dieser Geist ist die Essenz aller Gottheiten.
Wenn Du mit diesem Geisteszustand irgendeine beliebige Gottheit praktizierst, wirst Du sehr dicht an dieser Gottheit sein und [ihren] Segen erhalten.
Was wir Segen nennen, ist tatsächlich nichts anderes als [reine] Liebe.
Der Geist, der frei von Egoismus ist und sich nur um andere sorgt, ist der Geisteszustand eines Bodhisattvas.
Diese grenzenlose Liebe ist „relatives Bodhicitta“[1].
Ein Buddha hat nicht nur „relatives Bodhicitta“ vollendet, sondern auch „absolutes Bodhicitta“[2],
d.h. ein Buddha-Geist hat vollständig erkannt, dass jegliche Dualität nur Einbildung ist und dass es tatsächlich kein „Selbst“ und „Andere“ gibt.
Es gibt unterschiedliche Bodhisattva-Ebenen, die sogenannten zehn Stufen oder Bhumis, die ein Bodhisattva auf dem Pfad durchläuft.
Der erleuchtete Geist ist jenseits aller Pfade. Dort gibt es kein weiteres Üben, es ist vollständiges Erwacht-Sein.
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[1] Das relative Bodhicitta wird auch als das konventionelle Bodhicitta bezeichnet.
Es bezieht sich darauf, dass wir jetzt in diesem und in all unseren späteren Leben für das Wohl der Wesen wirken wollen, dass wir die Wesen von den acht Arten von Furcht und allen anderen Leiden befreien wollen.
Es ist der Wunsch, alles dafür zu tun, die Wesen von allen Leiden der acht Arten von Furcht zu befreien.
Weiße Tara Belehrungen von S.E. Garchen Rinpoche München, September 2000, Seite 10,
Übersetzung Markus Lodermeier, Transkript: Sherab Drölma. Im Auftrag des Garchen Dharma Institut e.V..
[2] Die zweite Art des Bodhicitta ist das absolute Bodhicitta. Es geht dabei um die Leerheit [...], um den sogenannten Dharmakaya, es geht um die höchste Buddhanatur, um den Zustand eines Buddhas.
Weiße Tara Belehrungen von S.E. Garchen Rinpoche München, September 2000, Seite 10,
Übersetzung Markus Lodermeier, Transkript: Sherab Drölma. Im Auftrag des Garchen Dharma Institut e.V..
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Erinnerungen der Güte, des Mitgefühls und Deiner eigenen wahren Natur, von Seiner Eminenz Garchen Rinpoche.
Übersetzungs copyright der deutschen Fassung © 2012 Daniela König. Redigiert von Ulli Kupzog.
Übersetzungs copyright der englischen Fassung © 2012 Ina Bieler.
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