Beiträge von void im Thema „Karma, die unliebsame Diskussion“

    Aiko:

    Gerade wenn man es nicht versteht, muss man es sich erarbeiten. D.h. man muss einen finden, der es versteht. Oder anders gesagt - man muss jemanden finden, der Karma sieht und es zeigen kann.


    Gäbe es nicht dieses Konzept von Karma, dann gäbe es auch nicht Erlösung aus Leiden.


    bel:

    Karma ist Tat. Noch genauer: Ich-bezüglich zweckbestimmte Tat. Erlischt diese Ich-bezügliche Zweckbestimmung, erlischt die Tat, erlischt Karma. Tat ist schon Gedanke "Wozu".


    Ich verstehe bel so, das Karma die ganze Ebene des Handelns, aus der ein Handelnder, eine Handlung und ein Objekt der Handlung ensteht. Das ist die Ebene auf der Leid ensteht. (Leid ist ja nichts objektives) und deswegen auch die Ebene auf der die Befreiung vom Leid geschieht.


    Macht es Sinn dieses Karma zu verdinglich und von meinem und deinem Karma zu sprechen? Für mich ist das was bel sagt von "Reinkarnation" so weit entfernt wie im Christentum Logos und Rauschenbart.

    tobias:

    Es ist eine merkwürdige Diskussion.


    Ich meine dieses radikale Festhalten an guten Handlungen schlechten Handlungen usw.
    Lehnte der Buddha nicht genau das ab.
    In überspitzer Form spiegelt das doch das hinduistische Kastensystem wieder.
    Ich habe den Buddha so verstanden das Erleuchtung immer möglich ist(zumindest der Entschluss den Weg zu gehen). Dabei ist es zweitranging wieviel schlechtes Karma man gesammelt hat.


    Karma ist eine Ebene, die dadurch so unscharf ist, da sie weder eine befreite Perspektive (Leerheit) noch die verblendete Perspektive (Ein unabhängiges ich schaut auf die Welt) ist, sondern eine Zwischenbene angibt, die an beides anknüpft.


    Und der, für den sein Karma so wichtig ist, ist genauso weder jemand der nur an seiner gegenwärtigen Form anhaftet noch jemand der für alle anderen Wesen offen ist, sondern ein Zwischenwesen, dass fadengleich alte Formen mit neuen verbindet.


    Mich erinnert mich an die Physik, wo man sich ja auch lange Zeit dagegen wehrte, dass die Welt der Quanten nicht besonders dinghaft ist und sich deswegen dann mit Teilchen rumschlagen musste, die sich ab und zu in Wellen verwandeln um sich dann wieder zurückverwandeln. Weil man den ersten Schritt weg vom Alltagsverständnis zwar gemacht hatte, aber den zweiten nicht machen wollte.


    Daher komt das KKK (Karma Kapiert Keiner)

    Ich musste eben sehr lachen, weil ich statt Taten, "Tanten" gelesen habe:


    Verleser:

    »Eigner der Tanten sind die Wesen, Erben der Tanten,
    die Tanten sind der Schoß, der sie gebiert, sind ihre Freunde, ihre Zuflucht.
    Was immer für Tanten sie tun, gute oder böse, deren Erben werden sie sein."


    Und musste sofort an die bösen und guten Feen in Dornöschen denken. Ursprünglich hat ja einfach nur ein goldener Teller gefehlt und diese böse Tanten hat dann gereift und das hatte dann einen hundertjährigen Schlaf als Wirkung. Aber dadurch dass noch eine gute Tante gereift ist, wurde letzlich alles wieder gut. Dann hat mich das aber wieder ernst gemacht, weil ich mir ummer unklarer wurde, was daran Metapher und Umschreibung ist und was die tiefe Wahrheit.


    Leider macht das gesagt, wenn man Tanten statt Taten einsetzt nicht viel weniger Sinn. Das Taten reifen, Erben und Eigner haben ist mir im Kontext der Anatta-Konzept eine seltsame Vorstellung und ich kann es mir vielleicht eher noch bei einigen Tanten vorstellen. Wobei diese meist nicht zu ihrem Vorteil reifen.


    Aber vielleicht liegt ja in der Logik des Märchens auch eine Weisheit. Soweit ich weiss geht es auf alte nordische Sagenstoffe mit Walküren zurück, die wieder mit den das Schicksal spinnenden Nornen zusammenhängen. Das Menschen nicht wie abgegrenzte Punkte sind, sondern ihr Schicksal ineinander gesponnen ist.


    Ich bin niemanden böse, wenn er diesen Beitrag löscht oder meldet.

    vimokkha:

    Auch Aiko handhabt das ja leider so. :)


    Weil es im Zen gerade nicht darum geht mit dem Kopf zu meditieren zieht es es viele eher verkopfte Menschen an, die dann mit dem Kopf meditieren. So wie man bei der Rückengamnastik halt viele Leute mit Rückenproblemen begegnet. Der Schluss das Rückengymnastik zur Rückenproblemen liegt da natürlich nahe.


    Im Zen gibt es eine grosse Menge an Büchern in denen man lesen kann, dass man sich nicht unbedingt an das halten sollte, was man in Büchern liest. Die Probleme sind hier wie dort aber nur scheinbare.

    vimokkha:

    Da ist Vimokkha aber gespannt auf Bel s Erklärung
    des "Darüber hinaus" des Dógen hinter dem Dógen.
    Aber da Du darauf
    bestehst, daß ein ernsthaft Sati-Übender die analytische
    Festigung des Karmaprinzips zum Pfadglied macht...
    naja...da schläft das Interesse schon wieder ein.


    Ich glaube, das wurde in der Form nicht gesagt.


    Soweit ich es verstehe, bist du ja sowohl eine Thevada als auch ein Chan-Praktizierender? In so einer Mittel-Position bleibt es nicht aus, dass man Chan im Sinne des Theravada und Thervada im Sinn des Chan versteht. Was ja durchaus zun Klärungen beitragen kann. Allerdings auch zu Missverständnissen.


    Mein unvollkommendes Vertsändnis ist dieses: Zen denkt überhaupt nicht von Pfadgliedern aus, es ist eine intergrative Praxis wo alles "ganz" ist. Im Bezug auf die Pfadglieder ist das das Wort "sammā", das ja nicht in erster Linie recht im Sinne von richtig bedeutet, sondern auch "vollkommen". Wenn ich mich richtig erinnere, ist "sammā" sogar ethymolgisch mit dem Wort "Summe" verwandt. Und aus dieser Ganzheit/Volkommenheit heraus, geschieht dann das rechter Reden, Handeln, Sitzen und eben auch analytisches Denken. So kann hier der Pfad nicht als Ansammlung von Mitteln zu einem Ziel verstanden werden. Im Gegenteil fängt man vom Ende an, als Buddhanatur, die sich in Pfadgliedern oder auch in irgendwas, äußert. Da zu zergliedern und rumzutun ( also z.B zu sagen, dass man da das Analytische raustun muss ) , erscheint angesichts dieser Perspektive immer leicht kleinkarriert. Das "einfach nur" in "Shikantaza" ist kein "einfach nur" im Sinne einer Einschränkung sondern im Gegenteil die gleiche Ganzheit die sich im "sammā" ausdrückt.


    An der Stelle fragt man sich aber dann, wo da die Anstrengung ist, wenn eh alles in Buddha ist. Ist Zen etwas wo man sich das Ziel schon an den Anfang stellt und sich dann vormachen kann, nichts mehr tun zu müssen?


    Dem widerspricht Dogen in dem von dir zitierten Text. Aber bedeutet das wirklich, dass er die Zen-Perspektive aufgibt, Shikantaza relativiert und Weg und Ziel wieder trennt und sich einer Thervada-Perpektive annähert, in der Pfadglieder ja auch Probleme sind an denen sich die eigene Unvollkommenheit zeigt? Das tut er nach meinem Verständnis nicht. Wenn unsere Probleme und Unvollkommenheiten nicht auch Teil der Ganzheit sein kann, ist die Ganzheit eine "falsche Ganzheit", die ausschliesst. Und das äußert sich im "Genjokoan", dem lebendigen Koan, in dem wir selbst ganz zum Problem werden.


    Soweit mein Verständnis. Wobei ich das Gefühl habe, das das auch sehr unvollkommen ist. Ich habe auch das Gefühl mich an dem Begriff der "Ganzheit" entweder zu sehr aufzuhängen oder ihn noch unvollkommen zu verstehen. Ich bitte also drum, mir alles was nur wieder meiner blühnenden Phantasie entsprungen ist, um die Ohren zu hauen. Das wäre hilfreich.


    Kann man gleichzeitg im Zazen sitzen und ein Taisho hören? Gleichzeitig sitzten und analytisch denken?


    Wenn ich bei dem was mir passiert, es als etwas nicht von mir getrenntes sehe, wenn ich es als "mein Karma" annehmen kann, dann hilft mir das, besser mit der Realität zurechtzukommen und das was mir passiert besser anzunehmen. Insofern hast du recht.


    Aber insofern man den Begriff gegen jemand anderen kehrt, und ihm sagt "das ist dein Karma" geschieht kein Annehmen sondern ein Abschieben von Verantwortung. Anstelle die Verbunndenheit von mir und dir zu betonen, wir der andere zu seiner eiegnen Geschichte, die ihre Gründe vor allem in sich selbst findet. So als wäre Anatta hinsichtlich des Karmabesitzes mal schnell ausgeknipst.

    Ich find es augesprochen gruselig, das Alexander Berzin, der ja druchaus eine Gelug-Autorität ist, das Beispiel vom (kommunistischen )Konzetrationslager explizit dazu benutzt, um den echten Dharma von "Dharma-Light" abzugrenzen.



      Aber wie kann man Buddhismus ohne Wiedergeburt haben? Wie kann es da Befreiung davon geben - ganz zu schweigen von der Hilfe für andere? Und das gesamte System von Karma fällt auseinander, wenn es keine Wiedergeburt gibt, es wird unverständlich, wenn jemand im christlichen Sinn ein „ guter Mensch“ war, aber an einem schrecklichen Tod durch Krebs stirbt. – „Ich habe mein ganzes Leben meditiert, und dann wurde ich in ein kommunistisches Konzentrationslager geworfen und zu Tode gefoltert.“ – Wie kann man das verstehen ohne frühere Leben einzubeziehen? Dharma ohne das Verständnis wäre „Dharma-Light“.

      Alexander Berzin: Zwischen Tradition und "Dharma-Light":Authentische Vermittlung des Dharma

    Das was an der der Gelug-Schule geschätzt wird, ist ja gerade ihre Scholastik. Also die Lamrim-Texte, in denen die Lehren systematisch zusammengefasst und zu einem "Stufenweg der Befreiung" zusammengefasst wurde. Dieser beinhaltet aber eben nicht nur Lehren für die "spirituell Hochbegabten", die erhoffen können in diesem Leben Befreiung zu erlangen. Sondern sie wendet sich genauso an diejenigen die aus Angst vor zukünftigen Höllenleben nach der Mehrung ihrer spirituellen Verdienste streben. Während für ersteres Publikum druchaus subtile Ansichten über Karma gelehrt werden, gibt es gleichzeitig auch immer die eher volkstümlichen Darstellungen bis hin Aufstellung darüber welche schändlichen Taten zur Geburt bei Erdbeben führen. Da solche Lamrim-Texte das Rückgrat der Schulung darstellen, ist es für Gelug-Gelehrte leider sehr schwer, da anders zu argumentieren.


    Das problem ist wohl, dass es da keine historisch kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Texten nicht gibt. Es fällt schwer die Autoren heiliger Texte als in ihrer Zeit und deren Denken verhaftet zu sehen, wenn man sie gleichzeitig als überzeitliche Buddhas sehen will. Für mich böte sich als Ausweg an, derartige Textstellen als "heilsame Mittel" zu sehen, die sich postiv auf das eigene Handeln auswirken sollen - und und ihre Welterklärungsfunktion einfach fallenzulassen. So wie man ja auch dazu übergegangen den sich in der Mitte unserer Weltscheibe befindlichen Berg Meru eher symbolisch aufzufassen weil nicht unerhebliche geologische Evidenz für die Kugelgestalt spricht.


    Ein zweiter Punkt ist der, das gerade im Vajrayana Anstöße des Yogacara sehr wirkungsstark sind, in denen alle Dinge als geistige Phänomene gesehen werden. Verwischt sich die Grenze zwischen äußerer und innerer Realität derart, macht es keinen Sinn mehr zu unterscheiden, ob Karma sich jetzt alleine auf die eigene Wahrnhemung oder auf äußere Geschehnisse auswirkt, da es letztere im eigentlichen Sinn nicht mehr gibt. Dieser Verlust des Äußeren, in dem sich die phänomenale Perspektive als total setzt, scheint mir sehr problematisch.

    bel:
    Kainer Wahr:

    Allein schon der Ansatz die Ungerechtigkeiten dieser Welt mit einem so diffusen Konzept anzugehen ist völlig überholt.


    Das ist schon klar, aber nun muß man allerdings auch deutlich sagen, daß der Dharma keine Medizin "für die Ungerechtigkeiten dieser Welt" ist. Und ehrlich gesagt verstehe ich auch nicht, warum man an ihn diese Forderung stellen sollte.


    Ich denke im Dharma geht es meist daraum, wie man bei gegebenen Umständen glücklich wird. Also wenn etwasr dann, wenn man an äußeren Umständen nichts ändern kann. Von daher haben Buddhismus und Bewegungen, denen es um soziale Verbesserung geht andere Zeile, die man gegeneinader abwägen aber nicht aufeinander abbilden kann.


    Um es zuzuspitzen: Marx würde einem Unterdrückten raten, gegen die Verhältnisse aufzubegehren und andere Verhältnisse zu schaffen. Der Sklave soll an seinen Ketten zerren und notfalls zum "Spartakus" werden, der andere befreit auch wenn er persönlich dabei draufgeht. Religionen helfen dagegen auch unabhängig von den Umständen glücklich zu sein. Hört er auf den buddhistischen Chinesenkoch wird der Sklave als "Onkel Tom" bei der Arbeit meditieren und achtsam Baumwollpfücken und dabei vielleicht eine inneren Frieden finden. Für die Gesellschaft als Ganzes ist das aber nicht unbedingt das Beste. Persönlicher Geistesfriede und gesellschaftliche Gerechtigkeit sind einfach unterschiedliche Fragestellungen. So gesehen ist Religion, weil es dem einzelnen hilft mit dem Status Quo zu leben, tatsächlich "Opium für das Volk".


    Den Kampf für soziale Gerechtigkeit den Buddhisten zu überlassen ist also möglicherweise eine schlechte Idee. Manche mögen es als eine Herabminderung des Buddhismus sehen, ihn nicht als Lösung für alle Probleme zu der Welt zu sehen. Aber ich empfinde das nicht als Einschränkung und mir hat eher das All-Heilmittel den Ruch von Scharltanerie und die Ganzheitlichichkeit übersetzt sich ins Totalitäre.


    Im tibetischen Buddhismus gibt es die Vorstellung, dass das eigene Handeln zu bestimmten äußere Umständen führt. Dieses Denkmuster ist sehr gefährlich, weil dadruch die äußeren Umständen in einer Form als "karmgebeben" (quasi von Gottes Gnaden) erscheinen. Das ist ja auch die im Hinduismus vorherrschende Karmavorstellung. Der Dharma wird in ihr zur Weltordnung und zum Kastengesetz in dem jeder nach seinen Verdiensten an seinen Platz gestellt ist. So wie bei den Calvinisten ist der Reiche der ehemals Gute und der arme der ehemalige Übeltäter. Natürlich gibt es auch immer Tendenzen, das zu reltivieren um nette Arme und böse Reiche zu erklären ( z:B unsere unzähligen vorherigen Leben ) , aber das Grundmuster ist tatsächlich so unmenschlich.