Beiträge von Angulimala im Thema „Statuen oeffnen die Augen?“

    Hallo Itssead,
    im tib. Buddhismus wird von der "Zweifachen Wahrheit" gesprochen. Wie die Dinge sind (letztendliche Wahrheit) und wie wie sie uns erscheinen (relative Wahrheit).
    Zu glauben, die relative Wahrheit wäre fest, bestimmt und dauerhaft, ist einer der größten Irrtümer. Das ist mit der zweiten Wahrheit gemeint: Wie die Dinge uns erscheinen, bzw, wie wir sie erleben.


    Alle Mittel im Vajrayana zielen darauf, diese festen Vorstellungen zu überwinden. Zu den festen Vorstellungen gehört, zwischen den Extremen von Sein und Nichtsein zu pendeln. Die Wahrheit liegt aber in der Mitte.
    Aus der absoluten Sicht der Leerheit, ist alles möglich, während unser begrenzt arbeitender Geist sich mit seinen eigenen Vorstellungen über eine vermeindliche "Wahrheit" über die relative Welt begnügt und selbst beschränkt. Diese festen Vorstellungen halten uns im Samsara. Im Glauben einer real existierenden Person und einer von uns unabhängigen, äusseren Welt. Allgemein als Dualität benannt.
    Es gibt den Spruch von -ich glaube es war Sahara (verbessert mich gerne)- der besagt: "Wer denkt die Dinge seien wirklich, ist dumm wie ein Ochse. Wer denkt, die Dinge seien nicht wirklich, ist noch dümmer".


    Jetzt ist es natürlich spannend zu sehen, wie unser relativer Geist arbeitet. Wie also Bewusstsein entsteht und wie sich der Geist darauf bezieht.
    Da gibt es verschiedene philosphische buddhistische Grundlagen, wie zB das Cittamatra oder Madhyamaka im Mahayana. Auch Werke vom Karmapa, der genau beschreibt, was der Unterschied von Bewusstsein und Weisheit (Namshe Yashe) ist, lösen den Irrglauben an eine feste Vorstellung der "Realität" auf.
    Es wird im einzelnen Nachgewiesen, wie Fehler zb zwischen Sinnesorgan, der Sinnesfähigkeit, dem Abbild im Geist und wie sich unser Geist darauf ausrichtet, mit Störungen oder Karma, etc...Wie halt Bewusstsein entsteht.
    Allen gemein ist, daß es keine äussere, von uns unabhängige Welt geben kann. Wir geben der Welt eine Wahrheit, die eine Illusion ist. Arbeitet der Geist fehlerfrei, zB nicht durch getrübte Sinne oder Schleier der Gewohnheiten, störenden Gefühle und festen Vorstellungen, verwirklicht man die Buddhaschaft. Die Zweifache Wahrheit wird dann zum einen die Überwindung der eigenen Ich-illusion (Befreiung) und darüber hinaus verwirklicht man die Leerheit aller Phänomene (Buddhaschaft).
    Eine relative Wahrheit für alle zu finden, ist ein sehr grober Umgang und ein sehr verallgemeinender, ja sogar sehr beschränkter Umgang mit der Buddhistischen Philosophie.


    Ob deine Wahrnehmung der Statuen nun ein angenehmes Spiel des Geistes war, oder aus einem klaren oder nur wenig getrübten Bewusstsein entstanden, wirst du nur selbst beantworten können.
    Die physikalischen Erklärungsversuche halten natürlich gerne her, wenn wir an die Solidität unserer Welt als wirklich anhaften. Tatsächlich ist der Geist aber uferlos. Die äussere Welt ist aus Vajrayana-Sicht, aus deinem Geist entstanden. Somit stellt sich nicht die Frage, ob du da eine Illusion wahrgenommen hast, oder nicht. Die Statue, wie sie im gewöhnlichen Bewusstseinstrom wahrgenommen wird, ist bereits die Illusion. Sich darauf als eine universelle Wahrheit zu beziehen, diese Statuen könnten keineswegs die Augen öffnen oder schliessen, zeigt, daß dem Geist nur begrenzte Fähigkeiten zugesprochen werden.


    Dem spirituellen Materialismus begegnest du, indem du dich auf die Lehren stützt und gut studierst. ZB das oben erwähnte "Namshe Yeshe". Oder befasse dich mit den fünf Skandhas und den Abhidharma-Lehren. Dort wird alles genau erklärt, wie Bewusstsein entsteht und wie es arbeitet.


    Solange würde ich mich an der Erfahrung einfach erfreuen, ohne sie mit unserem weltlichen Verstand lösen zu wollen. Ratio ist nicht gleich Weisheit!