Beiträge von Doris im Thema „Was ist der mittlere Weg?“

    Ayudha:
    Sunu:


    Ich hab das ja knapp 10 Jahre an der Uni studiert mit Sanskrit, Pali und n´ bisschen Tibetisch und habe die riesige Kluft zwischen den historischen Entwicklungen und den Lehrinhalten nie rein wegen der Tradierung verstanden.
    Das ist vielmehr auch eine riesige politische Geschichte, da der Buddhismus erst mal als Herrscherreligion längere Geschichte gemacht hat. Bzw. er wurde von oben verordnet und so der Bevölkerung aufgedrückt. Ich finde nach meinem jetzigen Forschungsstand, dass es politische Aktionen waren, die Buddhismus so arg mit lokalen Bräuchen vermischt haben und deswegen Dinge darin eingeflossen sind, die mit der eigentlich Lehre wenig zu tun haben. Vorherige Traditionen, Tantra, Magie, Götter...da ist eigentlich so viel an Unterschieden eingeflossen, dass ich da oft gar nicht mehr erkenne worum es eigentlich geht.


    Das ist der Unterschied zwischen Studieren und Praktizieren.
    Die Tibeter haben natürlich ihre Traditionen einfließen lassen. Das ist was ganz Normales. Auch in den Thera-Ländern machen sie das. Ebenso in Japan und China. Das liegt an der Natur der Sache, dass die Menschen die Bilder verwenden, die sie schon immer benutzen und ihre Kultur einfließen lassen. Das machst Du nicht anders. Es geht gar nicht anders. Das ist nämlich eine Kernaussage des Dharma, dass sich jeder seine eigene Welt erschafft und gar nicht anders kann und nie anders können wird.


    Der Buddhismus ist immer verordnet worden. Alle großen Religionen werden in einem bestimmten Stadium verordnet. Beim Buddhismus fing das spätestens bei Ashoka an. Und mit Sicherheit hat die Bevölkerung ihre Traditionen einfließen lassen. Da kann man die Texte, die wir kennen, schön außen vor lassen. Wer konnte denn schon lesen?
    Die Gelehrten und MeisterInnen haben aber sicher sich gegenseitig korrigiert, wenn bestimmte Dinge nicht dem Dharma entsprochen haben. Das konnten sie. Denn die Erfahrungen sind universell und sie haben sicher große Ahnung und Erfahrung gehabt. Selbst ich bin schon in der Lage einiges nachvollziehen zu können. Deshalb vertraue ich den kulturellen Einkleidungen. Man muss sie aber nicht mitmachen.

    mukti:
    jianwang:

    Die Theravadin sehen in ihm fast nur die historische Person, der Mahayana anerkennt neben diesem durch Transzendierung auch das "Prinzip" Buddha, wie ich es in aller Vorläufigkeit nennen möchte.


    Und schon streitet man sich ...


    Wieso sollte man im Theravada fast nur die historische Person sehen, wo es doch nach der Lehre darauf hinausläuft die Persönlichkeitsauffassung zu transzendieren. Weil der historische Buddha das erreicht hat, ist er Lehrer und Vorbild. Oder nimmt man im Mahayana keine Zuflucht zu Buddha, Dhamma und Sangha? Vielleicht ist das ja ein Unterschied, dass dabei unter "Buddha" nicht der Gründer der Lehre gemeint ist.


    Warum sollte man Zuflucht zu einem Toten nehmen?
    Es geht doch um den Geist und nicht um materielle Dinge. Es wäre doch ein eklatanter Widerspruch, wenn sich der Dharma um Geistiges drehen würde (siehe Dhammapadda), und man gleichzeitig alles auf einen Toten beziehen würde.


    Mit "Buddha" ist natürlich erst einmal der historische Lehrer namens Gautama gemeint. Aber wie wir erkannt haben, entsteht alles im Geist. Also ist auch der historische Buddha nur ein Produkt unseres Geistes. Selbst wenn er leibhaftig vor uns stünde. Davon ausgehend, nehmen wir Zuflucht zu einem Produkt unseres Geistes, letztendlich zu unserem "eigenen" Geist. Wir nehmen Zuflucht zum historischen Lehrer und letztendlich zu unserem eigenen Buddha, also der Buddhanatur. Es ist selbstreferenziell. Und rein. Denn die Buddhanatur ist rein, unverschleiert.


    Das ist ja das Schwierige an dem ganzen Dharma: dass es letztendlich immer um uns selbst geht, und was wir im Geist erschaffen. Aber wir neigen immer zum Klammern an vermeintlich von uns getrennten Objekten, also auch an einer historischen, materiellen (damals) Person. Das ist nicht unbedingt schlecht, weil es Halt und Orientierung geben kann. Aber letztendlich ist es nur ein Teil des Floßes, das loszulassen ist. Weil es in uns drin und schon immer da ist.
    Deshalb heißt es im Zen: "Wenn du einem Buddha begegnest, dann töte ihn." Weil es ein Produkt einer Vorstellung ist, ein Etwas außerhalb von uns, ein Gedankenkonstrukt. (Für die Erschrockenen: Es geht beim Töten um die Vorstellung, nicht darum einen Menschen um die Ecke zu bringen.) Darum gibt es in der formalen Meditation am Ende die Verschmelzung mit dem Objekt der Meditation – als ritualisierte und verbildlichte Vorwegnahme.


    Zu erkennen, dass es immer um uns geht, klingt sooo einfach. :)


    Kurz: Es ist alles, sowohl als auch. Zuflucht zu einer historischen Figur, Zuflucht vor der Vorstellung über diese historische Figur, Zuflucht zum Lehrer, in dem wir den Buddha erkennen, Zuflucht zum Buddha, der wir selbst sind. Je nach Verständnis und Realisation changieren wir zwischen diesen – nennen wir es Ebenen, hin und her. Und irgendwann ist es egal auf welcher Ebene, weil sie sich alle durchdringen und wir das nicht nur erkannt haben, sondern es natürlich leben. Auch dazu ein Zen-Wort: "Erst ist der Berg ein Berg. Dann ist er mehr als ein Berg. Und dann ist er wieder ein Berg." Es ist dann so.

    accinca:


    Genau! oder Erdogannatur weil jeder hat das Potenzial ein
    Erdogan zu werden und das bedeutet jeder hat Erdogannatur.
    Nur sie wissen es nicht. So jedenfalls die Logik.


    Das ist ein völlig unlogischer Vergleich.
    Erdogan-Natur ist eine Melange aus verschiedenen Charaktereigenschaften in bestimmter, individueller Ausprägung und Entfaltung. Charaktereigenschaften sind individuell verteilt und ausgeprägt.
    Buddhanatur besagt aber, dass alle Wesen diese Grundstruktur haben. Das hat nichts mit individuellen Charakterzügen und Pesönlichkeitsausprägungen zu tun. Es ist eine allen Wesen innewohnende Eigenschaft, wie z.B. das Leben. Es ist die Grundeigenschaft des Geistes, den alle Wesen haben.


    Dass nicht jeder ein Buddha wird im klassischen Sinne, also jemand, der zu einer bestimmten Zeit den Dharma wieder "neu erfindet" ist klar. Aber das bedeutet nicht, dass es nicht ständig dazu kommt, dass wieder Menschen dieselbe "Vollendung" erfahren können und es auch tun, wie der historische Buddha, Herr Gautama. Gäbe es das nicht, wäre jede Beschäftigung mit dem Dharma obsolet.