Beiträge von Doris im Thema „Sutra versus Tantra“

    Liebe Aiko,


    das mag alles für Dich gelten. Aber es gibt eben nicht nur Dich.


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    Also was ernährst du da? Bedeutung? Sinn?


    Das erscheint Dir so, weil Du es aus Deiner heutigen Warte so siehst.
    Die Sinnhaftigkeit findet auf der ersten Ebene statt. Für mich ist es wie das Erlernen einer Sprache.


    Zitat

    So nach dem Motto - wir bekämpfen unsere Gier mit Überfluss, damit wir uns dann endlich ekeln?


    Hat nichts mit Ekel zu tun. Ekel ist Anhaftung.
    Ich habe das so erfahren: Überall begegnet Dir in konzentrierter Form z.B. der Begriff Leerheit. Wenn Du Dich darauf einlässt, wirst Du so oft darauf hingewiesen, bis der Hinweis einmal den offenen Spalt trifft, durch den es erkannt werden kann. Es ist eine Art Dauermeditation.
    Wenn Du Querflöte lernst, dann übst Du auch immer wieder dieselben Tonfolgen und Bewegungsabläufe. Und da ist dann plötzlich die Verschaltung und das Aha!.
    Mir ist es schon öfter geschehen, dass ich Liedertexte schon tausend Male gehört habe oder sogar selbst gesungen. Und plötzlich kommt diese Erkenntnis, was damit gemeint ist. Mag sein, dass ein anderer das sofort weiß.


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    Inspiration - Anhauchen - ist überflüssig. Es gibt doch Atem im Überfluss - . Ich lass mich den ganzen Tag von allem inspierieren - das war schon immer so. Deshalb hatte ich nie Langeweile. Grade bauen Elstern ihr Nest in meinem Ahornbaum. Sehr inspirierend.


    Du beschreibst das als magischen Akt.
    Ich beschreib Dir mal meine Erfahrung:
    Ich habe oft genug eine ganz anderer Bereitschaft mich zu öffnen, wenn mein Lehrer etwas zu mir sagt. Er ist mein Lehrer, weil er die Fähigkeit hat, diese meine Bereitschaft zu wecken, weil er er versteht, meine Sensoren zu berühren. Das ist ein reziproker Akt. Je offener ich selbst werde, desto mehr Lehrer habe ich. Das fängt dann beim "Ur-Lehrer" Buddha an, geht über die Traditionslinien, über den aktuellen Dharma-Lehrer und bis zu dem Lehrer im Alltag, der Kassiererin, Elster, meine Katzen, eine Freundin, ein Baum oder der Frosch von Grund sein kann.
    Versuche Übertragung/Inspiration doch mal zu betrachten, als wenn Du in der Schule sitzt und etwas lernen musst: Der fähige und kompetente Lehrer wird Dich wohl eher dazu bringen etwas zu verstehen und Dich zur Anstrengung motivieren, als der Lehrer, der nur begrenzte Ahnung und wenig kommunikative Fähigkeiten hat.
    Du hast Dich sicher auch von irgendetwas dazu inspirieren lassen, Querflöte zu spielen, sei es ein Musikstück oder das Erlebnis eines Konzertes.


    Zitat

    Ich brauch zum Leben kein Parall-Leben, genannt Ritual. Ich kann Putzen als Ritual vollziehen - aber da mach' ich jetzt keine Besonderheit draus.


    Das ist schon eine Stufe weiter, meine ich.
    Ich habe recht schnell erkannt, dass mein Meditationsritual unendlich ausweitbar ist. Aber das ist auch der Effekt des Rituals gewesen.
    Heute ist daher für mich z.B. das Geschirrspülen eine wichtige Meditation und ein wichtiges Ritual. Ich möchte eine Geschirrspülmaschine nicht geschenkt haben.
    Dennoch bleibt das Ritual ein wichtiger Anker für mich. Mein Mantra ist so ein Anker. Ich habe es für mich mit einer bestimmten Bedeutung aufgeladen, so dass es automatische funktioniert. Vor einiger Zeit kam ich in eine lebensbedrohliche Situation. Das dauerte nur Augenblicke, aber sofort griff das Mantra und beruhigte meinen Geist.
    Das ist keine Magie, es ist Konditionierung. Und ich bin sehr froh darüber, wie gut es klappt.
    Dass all dies magisch ist, also irgendein übernatürlicher Zauber, entspringt lediglich Deiner Vorstellung.


    Liebe Grüße
    Doris

    @aiko

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    Ok. Aber weshalb "nimmt" man dann die Einweihungen?


    Ich nehme sie, weil sie wichtige Erklärungen und Einführungen sind.
    Wenn ich mich während der Zeremonie völlig auf die Einweihung einstimme, dann können bereits währenddessen tiefer Erkenntnisse eintreten.
    Ich verstehe den Vajrayana eben so, dass es keine unbedeutende Handlung gibt. Kein Ritual und keine Alltagshandlung. Es kann überall Erkennen stattfinden. Rituale sind durch ihre Überspitzung eine besondere Übung, quasi eine Verdichtung. Ähnlich wie ein Kunstwerk, eine Dichtung.


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    Symbol ist leer. Es gibt keine Farbe, keinen Klang, kein Gewand, keine Handlung - kein Ritual - alles leer und ohne Bedeutung. Bedeutung ist Anhaftung an Form. Und zwar an imaginäre Form.


    Genau diese Erkenntnis kann das Bombardement an Symbolen bewirken. Es gibt einfach nichts, das nicht diese Leerheit verkörpern kann.
    Ich formulier mal um: "Erst ist ein Damaru ein Damaru. Dann ist es mehr als ein Damaru, und schließlich ist es wieder ein Damaru."


    Zen und Tantra sollen nicht unter einem Hut zu bringen sein?
    Glaub ich nicht. Übertragung, ich nenne es lieber Inspiration, gibt es auch durch einen Zen-Meister. Ob mir Tilopa eine Sandale über die Birne brennt, oder Sawaki meine Fürze benennt, in beiden Situationen gehen die Lichter an. Und bei Mahamudra ist es auch so.
    Die Rituale macht man, weil in der Wiederholung die Langeweile entsteht, sich Dinge verändern, Wege freigeschaufelt werden. Dann kommt der Durchbruch. Und das Ritual machst Du dann weiter, weil Du siehst, wie viel Dreck noch wegzuschaufeln ist, wie Sisyphos. Das Verwerfen des Rituals, ist meiner Meinung nach, eine vorübergehende Sache. Soweit ich weiß, hat der Buddha auch in späteren Jahren immer wieder das Ritual der Sitzmediation gepflegt und das Ritual des Almosensammelns.


    Liebe Grüße
    Doris

    Eine Einweihung habe ich noch nie als etwas Magisches empfunden.
    Es ist die Darlegung eines bestimmten Rituals durch einen erfahrenen Meister.
    Es werden die Texte vorgelesen und erklärt, das Ritual vorgeführt und gemeinsam eingeübt.
    Das ist ein feierlicher Akt, denn Rituale sind wichtige Mittel der Konzentration und sollen die Ernsthaftigkeit der künftigen Übung demonstrieren.
    Man nimmt Einweihungen nicht wie den Hamburger an der Theke in Empfang.


    Was der Außenstehende als Klimbim empfindet, hat alles seine tiefe Bedeutung. Jedes Instrument, jede Farbe, jeder Klang, jeder Teil der Gewänder, jede einzelne Handlung des Rituals. Überall sind die Symbole der Leerheit, der Weisheit, des Mitgefühls usw. zu finden. Man muss sie nur lesen lernen.


    Liebe Grüße
    Doris