Hallo Karma Zang Den,
die meisten Menschen fühlen sich sehr Einsam. Und die meisten von Ihnen sind es vermutlich auch. Auch wenn sie Leute um sich haben. Aber ein wirklich gutes soziales Gefüge ist ein Gegenmittel. Dazu gehört mehr, als nur ein Partner/in. Soziologisch betrachtet, fühlen sich in unseren Gefilden mehr Leute Einsam, als zB in Griechenland oder Spanien, oder Indien. Wir haben ja keine großen familiären Strukturen mehr. Alles auf der Straße ist anonym, in der Bahn, im Auto, Kino..
Man ist quasi immer in der Fremde.
Dieses Gefühl kommt also einerseits aus "soziobiologischen" Gründen, und letztendlich natürlich aus der grundlegenden Unwissenheit, über die Natur des Geistes.
Viele Menschen zerstreuen sich, damit sie das nicht fühlen müssen. Jemand wie wir, die zwischendrin einfach mal still halten , werden sich aller möglichen Dinge gewahr, die in unserem Geist auftauchen. So könnte es sogar sein, dass man denkt, die Einsamkeit würde zunehmen, seit man meditiert. Aber das ist natürlich nicht so, sondern man bemerkt sie nur ohne Filter. So gesehen ist es ein gutes Zeichen, dass die Meditation auch wirkt. Sie ist ein Labor, in dem man seinen Geist kennen lernt. Und manchmal gefällt ihm nicht, was er da sieht und man will es am liebsten sofort los werden.
Der Wunsch nach Geborgenheit und Gemeinsamkeit ist ein sehr tiefsitzendes Gefühl, weil es ein Grundbedürfnis ist, dass sich zusammen mit dir als Mensch manifestiert hat. Das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit wird auf der relativen Ebene immer bleiben, da es in der Natur des Menschen liegt. Es macht keinen Sinn dagegen an zu gehen. Sondern es ist wichtig, dies zu nutzen. Die meisten Buddhisten nutzen da wohl die Sangha (darum ist sie Teil der Zuflucht!). Man hat viele starke Erfahrungen zusammen, entwickelt sich, tauscht sich aus, geht einen gemeinsamen Weg, meditiert zusammen etc. Das ist ein sehr wichtiger Faktor, vor allem auch, wenn man für die Wesen nützlich sein möchte. Das Ziel sollte nicht sein, in einer Höhle zu meditieren und dabei keine Einsamkeit spüren zu müssen, sondern das Ego aus dem Gefängnis zu holen, indem es in die Gemeinsamkeit geht und man gegenseitig für einander da ist!
Glück definiert sich immer mit den anderen. Niemand ist glücklich ohne Gesellschaft. Jedenfalls nicht dauerhaft.
Ich gehe ab und an ins Retreat (Zurückziehung) für einige Tage. Vielleicht 2-10 Tage. Was ich dort erkenne, bringe ich in die alltägliche Welt und was ich in der alltäglichen Welt erlebe, bringe ich ins Retreat.
So funktioniert auch die Meditation als solche. Sie ist quasi ein Mini-Retreat.
Einsamkeit verschwindet erst nach vielen Jahren, wenn dein Geist voller guter Eindrücke ist und gerne in sich selbst ruht. Bis dahin, nutzt man die Mittel, die das Resultat bringt, nämlich die Dharmapraxis. Aber dabei sollte nie Druck oder Zwang entstehen, sondern alles sollte sich natürlich entwickeln. Gerade das Gefühl von Einsamkeit löst sich dabei am schnellsten auf, wenn man dann unter seinesgleichen praktiziert und so ein Teil einer Ganzheit wird. So bekommt der Dharma nochmal mehr Sinn.
Später dann, kann man mit kurzen Zurückziehungen anfangen. Man kann auch Gruppenretreats machen, oder Paarretreats. Falls das einem überhaupt liegt. Wenn du der Typ für mehr Gemeinsamkeit bist, dann wäre unnatürlich, gegen die eigene Natur und Bedürfnisse anzugehen. Ich sitze wirklich gerne in meiner Sangha. Ich mag die Stimmung, den Dharma, die Aufbruchstimmung, das gemeinsame Schaffen zum Wohle der Wesen. Und ich darf ein Teil davon sein. Meine Einsamkeit hat sich im Laufe der Jahre in Dankbarkeit gewandelt und auch wenn ich es viele Jahre nicht einsehen wollte, ohne Sangha würde ich mich vermutlich wieder einsam fühlen. Ohne sie im Hintergrund oder ich mitten drin, je nach Situation, stünde ich auch alleine da. Und das, obwohl meine Familie toll ist.