Beiträge von Sôhei im Thema „Citta, Viññāṇa, Mano“


    Hallo Mukti,


    natürlich kann man die Punkte Eins und Zwei parallel betreiben (und es wurden ja auch schon einige Stellen angeführt). Ich denke aber nach wie vor, dass die Frage: "Welche Bedeutung haben die Begriffe citta (sowie vinnana und mano) im Theravada-Buddhismus" noch viel zu groß ist; bzw. in der Form sogar "falsch" gestellt ist. Denn für mich impliziert die Frage so, dass es eine eindeutige Bedeutung dieser Begriffe gibt, welche quasi nur "herausgearbeitet" oder "erkannt/entdeckt" werden müsste. Aber ich glaube eben nicht, dass das der Fall ist. Für mich sind die einzelnen Sutten die kleinsten Einheiten, sozusagen kurze bis längere Anleitungen, welche von der "Vision" und der "Entdeckung" des historischen Buddha Zeugnis ablegen und Hilfestellungen für diejenigen sind, welche ihm nacheifern wollen. Und insofern denke ich, dass jede Sutte für sich selbst steht; auch wenn natürlich die meisten Begriffe in der Regel in einem weitgehend gleichen bzw. ähnlichen Sinn verwendet wurden. Aber wie gesagt, DIE BEDEUTUNG der Begriffe herauszufinden, würde ich als Irrweg ansehen. Was man machen kann (und ja gemacht wurde) ist zu versuchen, den Begriffen eine klare Bedeutung zu geben und auf dieser Grundlage weitere Überlegungen anstellen. Aber das vollständige "Ausgangsmaterial" ist eben nicht einheitlich, eindeutig oder systematisch. Deshalb: Was erfahren wir über Bewusstsein in MN43? Was in ...? Was in...?


    Andere buddhistische Traditionen oder auch abendländische Herangehensweisen denke ich können schon interessant sein, wenn es mir um die grundsätzliche Frage geht: Wie wurde über Bewusstsein gedacht?; denn evtl. wirft das ja hier und da auch Licht auf die Teilfrage "Wie versteht der Theravada-Buddhismus Bewusstein" (obwohl das ja wie oben geschrieben eigentlich auch zu viel ist)... Der Punkt ist doch der: glaube ich, dass es eine vollständige Erkenntnis darüber gibt, was Bewusstsein ist und wie es funktioniert? Ich glaube das nicht, sondern ich glaube ich kann mein Verständnis darüber ausweiten. Ich würde übrigens die Einsichten der abendländischen Philosophie zu Geist und Bewusstsein nicht leichtfertig abtun; auch wenn ich mir selbst an vielen Stellen sehr schwer damit tue, zu verstehen was gemeint sein könnte.

    Da wir jetzt ja fast nur noch über Abhidhamma reden: Die Ausgangsfrage bezog sich ja auf die Bedeutung von citta, vinnana und mano; sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
    1. Wenn wir uns auf die Sutten beschränken kann man ja nach und nach relevante Stellen raussuchen, in denen diese Begriffe vorkommen.
    2. Der nächste Schritt wäre dann die Einbeziehung des Theravada-Abdhidhamma.
    3. Schließlich die Verwendung der Begriffe in anderen buddhistischen Traditionen. Ich denke es dürften sich diverse Einzelstudien dazu finden lassen.
    4. Und dann könnte man schauen, welche Parallelen man zu abendländischen Begriffen und nicht-buddhistischen Philosophien findet.

    Ich bin persönlich auch ein (fast schon würde ich sagen: großer) Freund des Abhidhamma; was seine "Echtheit" im Sinne "Wort des historischen Buddha" betrifft, bin ich da allerdings noch weniger von überzeugt als bei den Sutten oder beim Vinaya (wohl aber: das Wort des historischen Buddha erläuternd, darauf aufbauend und weiterführend).


    Von einer grundlegenden Faszination für bzw. einem grundlegenden Hingezogen-Fühlen zu diesen Schriften abgesehen tue ich mir aber trotzdem immer noch schwer, seine wirkliche Bedeutung, seinen Sinn zu erkennen (ja ja, ich kenne die gängigen Begründungen der Tradition). Ich sehe ihn zumeist einfach als eine weitere (besondere) Blüte im Blumenmeer der Erzeugnisse des menschlichen Geistes an.


    Und ich bewundere die frühe Systematisierung geistiger Vorgänge und Prozesse, die aber m.M.n. a) durch Reflexion (Durchdenken von Erfahrungen) und Spekulation (nicht auf Erfahrung basierend) geprägt ist, und b) natürlich als Produkt bzw. Erzeugnis des menschlichen Geistes nicht vollständig ist. Gerade die dhamma-Listen der anderen Traditionen zeigen ja, wie auch unterschiedlich an die gestellten Fragen rangegangen werden kann.

    Mirco:


    Ja, das glaube ich. Mir ist ein Bhikkhu persönlich bekannt, der dies 'kann' und der wiederum kennt und weiß von anderen, denen das auch zuteil wurde. Das ist gar keine sooo große Sache. Das passiert halt auf dem Weg nach Nibbana.


    Schöne grüße


    Hallo Mirco,
    und woran erkennst du, man das?

    Hallo mukti,


    wie gesagt, ich denke die Lehrreden sind nicht unter der Prämisse gehalten bzw. niedergeschrieben worden, ein völlig kohärentes System dieser (und anderer Begrifflichkeiten) zu bilden. Das erfolgte dann eher in der Abhidhamma-Tradition. Aber auch da geht es oft nicht um die Exaktheit der Definition im Sinne einer eindeutigen Grundlage, wie wir das vielleicht aus moderner wissenschaftstheoretischer Perspektive gewohnt sind. Das Dhammasangani ist da finde ich ein gutes Beispiel: es geht darin meinem Verständnis nach viel häufiger um Analogien und Metaphern, um den Geist immer stärker "einzufärben"; d.h. durch imme neue, leicht variierende Umschreibungen mit dem Thema vertraut zu machen.

    mukti:

    Hallo Sôhei,


    Abhidhamma.de ist wirklich eine gute Fundgrube, die deutschen Texte von Ayya Agganyani eignen sich auch gut zum Nachschlagen, weil das sehr übersichtlich dargestellt ist.
    Übrigens bleibe ich lieber im Theravada-Bereich, sonst wird's noch komplizierter, obwohl die Tibeter offenbar auch sehr viel darüber wissen.


    Schöne Grüße


    Hallo mukti,


    ich denke eigentlich nicht, dass die beiden Bücher aus tibetischer Sicht das Thema komplizieren. (Wobei ich einräumen muss, dass ich sie beide schon recht anspruchsvoll finde, dass von Lati Rinpoche noch mehr als das von Geshe Rabten. Kann gerade bei dem von Lati Rinpoche nicht behaupten, da schon voll durchgestiegen zu sein.) Ich empfinde bzw. empfand es eher als hilfreich, um einen besseren Überblick zu bekommen.


    Neben dem Bemühen um system-immamente Kenntnis habe ich auch viel darüber nachgegrübelt, wie ich die citta-cetasika-Thematik im Vergleich zu anderen Herangehensweisen verstehen kann, warum überhaupt solche Klassifizierungen etc.


    By the way: Noch zwei deutsche Titel dazu: Kelsang Gyatso, "Den Geist erkennen" und Sangharakshita, "Herz und Geist verstehen" (aber beide nicht Theravada).

    Ich fand bzw. finde zu dieser Thematik das Buch "Die Dynamik des Geistes - Die psychologische Haltung der frühbuddhistischen Philosophie und ihre systematische Darstellung nach der Tradition des Abhidhamma" von Lama Anagarika Govinda ziemlich gut.
    Außerdem gibt es einiges auf der Webseite von Ayya Agganyani unter http://www.abhidhamma.de


    Aus tibetisch-buddhistischer Perspektive: "Der Geist und seine Funktionen" von Geshe Rabten sowie "Bewusstsein und Erkenntnis im tibetischen Buddhismus" von Lati Rinpoche.

    mukti:

    Was sagt man dazu?


    Ich sage dazu: Die Lehrreden des Pali-Kanon sowie die anderen Hinayana- und Mahayana-Lehrreden und Abhandlungen wurden nicht unter der Prämisse einer trennscharfen Definition dieser (und anderer) Begrifflichkeiten verfasst; darum ist es für mich völlig normal, dass diese (und andere) Begriffe z.T. von einander abweichende Bedeutungen haben, und auch selbst nicht immer in exkat der gleichen Weise verwendet werden.