Beiträge von diamant im Thema „Suche: Kerntexte/Grundlagen des Zen- und Chan-Buddhismus“

    Hier alternative Lesarten aus Huang-po (Huang-po: Geist ist Buddha. Angkor Verlag. ISBN-13: 978-3-943839-28-9):


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    „Dieser Dharma ist universell und unparteiisch, darum heißt er Höchstes Erwachen.“ Die vollendete, reine Quelle des [reinen] GEISTES umfängt alle Buddhas, fühlenden Wesen und die Welt der Berge, Flüsse, Formen und Formlosigkeit. In den zehn Richtungen spiegelt alles die Gleichheit des reinen GEISTES wider, der stets alles universell durchdringt und erleuchtet.


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    Dharma-Schüler sollten keine Zweifel bezüglich des Körpers hegen und erkennen, dass in seiner Beschaffenheit aus vier Elementen kein Selbst oder Meister gefunden werden kann. Die fünf Anhäufungen (skandha) sind Geist [gedanklich], doch auch dort kann kein Selbst oder Meister gefunden werden.


    Und ergänzend:


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    Doch der Ursprüngliche GEIST gehört weder zum Sehen, Hören, Berühren und Denken, noch ist er von diesen getrennt. Der Gedanke, dass da einer sieht, hört, berührt und denkt, entsteht nicht, und doch ist einer nicht verschieden von diesen Aktivitäten.

    Das tun sie ganz sicher nicht. Deshalb zweifelt S. Heine ja auch an, dass Dôgen überhaupt irgendeine Übertragung oder Nachfolge eines chinesischen Meisters bekam - weil man z.B. keine entsprechenden Unterlagen fand.


    Ansonsten sagte ich schon, dass die Herleitung einer "Linie" ein Phänomen ist, dass erst ein paar Hundert Jahre nach dem Entstehen des Chan in China aufkam. Genau wie die Koan etc. Und natürlich gab es da auch schon Streit, wer da in welcher Linie zu sehen ist. Die ganze Linienhuldigung nach Bodhidharma entbehrt der historischen Überprüfbarkeit. Natürlich wird so etwas auch an guten Unis der Rinzei und Soto gelehrt, aber in deutschen Dojos wird wahrscheinlich eher drüber weggegangen, wie man hier immer wieder aus Kommentaren herauslesen kann.


    Lesetipp: Wendy L. Adamek: The Mystique of Transmission: On an Early Chan History and Its Contexts

    Ich wäre bei der Deutung des frühen Zen (Chan) durch Japaner erst mal vorsichtig, zumal, wenn sie in einer Organisation wie der Sotoshu verankert sind. Im Chan gab es ja zunächst nicht mal die Vorstellung der Dharma-Erben und der Linie, wie sie viele Zenpraktizierende heute als normal ansehen und historisch rückprojezieren. Die Legendenbildung begann ja vor allem während der Sungdynastie. Ähnliche Legitimierungsversuche findet man dann auch, wenn man behauptet, eigentlich ginge es im Zen darum, den rechten Buddhismus von annodazumal zu extrahieren. Dabei steht schon im Palikanon, dass es der Buddha ganz anders machte, statt nämlich eine personale Nachfolge mit dem üblichen japanischen Zenkult zu empfehlen riet er zum Gegenteil. Aber das hatten wir alles schon.

    GAU-LEM (Niklas): Wenn du zum "Selbst" im Buddhismus schreiben willst, kommst du an den Sutren nicht vorbei, die Tathagatagarbha (Buddha-Natur) verhandeln, allen voran das (Mahayana) Mahaparinirvana-Sutra. Mit diesen Stichworten wirst du auf einschlägige akademische Literatur stoßen (z. B. http://www.nanzan-u.ac.jp/SHUB…hi%20tree/Pruning%209.pdf).


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    Falls Du was mit dem Shobogenzo machen solltest, vergiß die deutsche Übersetzung, die auf Nishijima zurückgeht


    Das Lebenswerk Nishijimas würde ich nicht vergessen. Aber es ist wichtig, über den Tellerrand Dôgens hinauszuschauen, der nach einschlägiger akademischer Meinung (etwa Steven Heine) im Übrigen nicht immer mit Hui-neng, dem 6. Patriarchen, konform geht. Was die beiden eher eint ist ihre Ansicht zur inhärenten Buddha-Natur (s.o., jap. hongaku).


    Diese wurde wiederum vom "Kritischen Buddhismus" heftig attackiert, der darin vor allem einen Widerspruch zur Lehre des bedingten Entstehens sieht und damit eine Abkehr vom eigentlichen Buddhismus, wie er sich etwa im Palikanon darstelle (siehe etwa die beiden Sôtô-Zen Adepten Hakamaya Noriaki, Matsumoto Shiro, z.B. in "Zen is not Buddhism": http://www.academia.edu/231541…ritiques_of_Buddha-Nature).


    Was will ich damit sagen, ohne dich zu verwirren? Halte dich unbedingt an wissenschaftliche Schriften, um Dein Bild zu vervollständigen.


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    stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar


    Eindeutig ja, auch wenn die Selbstdarstellung, etwa mit der Rückführung der Patriarchen auf einen historisch gedachten Shakyamuni, dort nicht unwichtig ist. Ich würde eher von einer Weiterentwicklung als einem Bruch sprechen. Aber auch für mich kann Zen so verstanden werden, dass es kein Buddhismus ist, wobei ich die Idee der eingeborenen Buddha-Natur (als etwas, das uns alle erst mal gleich macht) nicht als Widerspruch zu einer Übung sehe, in der diese erst erkannt, offenbart und verwirklicht werden soll, und auch nicht als Widerspruch zur Tradition, in der Zen steht, und den dieszgl. Sutren, also z.B. dem Mahaparinirvana-Sutra. Die Abwehrhaltung der o.g. "kritischen Buddhisten" beruht wohl darauf, dass sie selbst vor allem im Dôgenschen Sinn (Sôtô-Schule) gelehrt wurden und von daher übersahen, dass hongaku (Buddha-Natur) tatsächlich etwas mit (nicht-personalem, ewigem) Selbst zu tun haben kann. Mit anderen Worten, sie lehnen die Korrektur der nach dem Palikanon entstandenen Tathagatagarbha-Sutren an einer dortigen einseitigen anatta (Nicht-Selbst)-Lehre gleich mit ab.