Beiträge von Tai im Thema „Suche: Kerntexte/Grundlagen des Zen- und Chan-Buddhismus“

    GAU-LEM:

    Hallo zusammen,


    Ist beispielsweise der Pali Kanon des Theravāda-Buddhismus ein Quelle welche als Grundlage der späteren Ausrichtung des Zen herangezogen werden kann (und wenn ja welche Sutren lassen sich zum Thema Selbstsuche heranziehen), oder stellt die spätere Entstehung des Chan- und Zen-Buddhismus eher so etwas wie einen Bruch in der Entwicklung des Buddhismus dar?


    Niklas


    Hallo GAU-LEM,


    von einem Bruch würde ich nicht sprechen. Allerdings beziehen sich die Zen-Meister der alten Zeit meines Wissens - wenn überhaupt - dann eher auf spätere Sutren, allen voran das Diamant-Sutra und das Lotus-Sutra. Auch ist, besondes in heutigen Schulen, viel von der als Herz-Sutra bekannten Zusammenfassung die Rede.


    In erster Linie würde ich dir daher das Studuim des Diamant-Sutras empfehlen, ein klassisches Sutra, auf das sich z.B. der 6. Patriarch des Zen, Hui Neng, aber auch der "Zen-Gründer" Boddhidarma bezieht. Die Vorstellung von einem Ich/Selbst wird darin als eine von vier grundsätzlichen Arten des gedanklichen Verstehens beschrieben, die wegen des illusionären Charakters aller Vorstellungen dem Erleben des von Buddha beschriebenen Erleuchtungszustandes als reine Soheit im Wege stehen. In englischen Übersetzungen ist hier z.B. von den vier "notions" die Rede, die ein Bodhisattva nicht aufkommen lassen sollte: Die Vorstellung von einem Selbst (Ich, Innen), vom anderen (Außen), von einer Person (bzw. räumlichen Entität) und von einer Lebensspanne (Zeit).


    Außerdem empfehle ich dir die Lehren von Meister Huang Po (Geist des Zen, Fischer-Verlag, ISBN: 3 596 13256 8) und Meister Lin Chi, jap. Rinzai (Lin Chi Lu, Kristkeitz Verlag, ISBN: 3921508 39 8). Im Anschluss noch zwei Zitate aus Huang Pos Geist des Zen:


    "Dieser Dharma ist ohne jede Unterscheidung, sein Name ist Bodhi. Es ist der reine Geist, die Quelle von allem. Mag er als Ding, Lebewesen, Buddha oder auch als etwas Formloses, Alles-Durchdringendes erscheinen - er ist vollkommen unterschiedslos, denn es gibt weder Selbst noch andere." (Kapitel 8.)


    "Der Körper ist nicht das Selbst und das Selbst hat kein Wesen. Formen, Gefühle, Gedanken, Impulse und Bewusstsein sind ebenfalls nicht das Selbst und stellen keine Wesenheit dar. Dein Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen und Denken mit all ihren Objekten und Formen von Bewusstsein sind jedes einzelne für sich und alle zusammengenommen leer. (Kapitel 11.)


    Gerade dieses letzte Zitat zeigt, dass Helmut (von Zen.de) wohl nicht ganz unrecht hat, wenn er darauf hinweist, dass es i.d.R. jahrelanger Zen-Praxis bedarf, um diese Lehre nicht in der einen oder anderen Weise misszuverstehen. Diese Lehre ist keineswegs nihilistisch oder im Sinne einer Negierung von Existierendem (was ihres dualitären Charakters wegen übrigens eine gleichzeitige Anerkennung des Existierenden implizieren würde) zu verstehen. Diese Lehre weist vielmehr auf die Befreiung von einem Selbstverständnis in Identifikation mit dem eigenen Körper bzw. der körperlichen Welt, in Identifikation mit Gefühlen, Gedanken, Impulsen und Bewusstsein, mit Sinneswahrnehmungen, Sinnesobjekten und sinnlichem Bewußtsein hin.


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    Tai