Beiträge von Jojo im Thema „Samadhi im Zen“

    Zenman:

    Samadhi im Zen ist ein interessantes Thema, würde gerne besser verstehen, was damit gemeint ist.


    Ich würde aus dem Eingangspost das hier noch mal zitieren:


    Hier ein schöner Text aus einem anderen Forum. Ich habe ihn mal ins Deutsche übersetzt.
    Originaltext hier: http://zenforuminternational.o…466&hilit=Samadhi#p168717
    Autor: Meido Zentetsu Roshi, Abt des amerik. Tempels Korinji http://www.korinji.org/#!about2/cp7o


    Hier der Text:

      Im Zen spricht man üblicherweise von Samadhi, wenn von Konzentration die Rede ist. Dieser Begriff hat verschiedene Bedeutungen, und deshalb kann und muss „wahre Konzentration“ in einer Weise beschrieben werden, die der Verfassung und den Fähigkeiten des Schülers entspricht.


      Im allgemeinen können wir [im Zen] in folgender Weise darüber sprechen:


      1. Erstens ist da das oberflächliche oder Basis-Samadhi, das fast jeder irgendwann in seinem Leben erfährt, auch wenn man es nicht als solches erkennt. Das ist ein Zustand der Absorption, in dem der Geist entspannt und offen ist, aber nicht instabil ist und auch nicht wandert. Dieses Samadhi kann spontan entstehen – muss aber nicht -, wenn wir uns in irgendetwas vollständig vertiefen (z.B. wenn wir Sport machen oder Auto fahren).


      In der Zenpraxis wird dieser Zustand absichtsvoll entwickelt, meistens durch die Konzentration auf ein Objekt: d.h. wenn der Geist abschweift und zerstreut ist, übt der Meditierende, den Zustand der Zerstreutheit zu erkennen und dann entschieden zum Objekt zurück zu kehren – zum Atem, zum Körper, zu einem Mantra, oder Ähnliches. Auf diese Weise wird die Gewohnheit des Abschweifens langsam transformiert und es entwickelt sich ein laser-ähnlicher Fokus.


      Wenn diese Praxis sich vertieft, kann es sein, dass wir uns von unserer Umgebung weniger stark abgegrenzt fühlen, dass „Innen“ und „Außen“ sich miteinander verbinden, dass unsere Erfahrungen leichter fließen, dass die Täuschungen abnehmen, und so weiter. Zum Beispiel kann es passieren, dass wir beim Gehen das Gefühl bekommen, die Umwelt bewege sich fort, während wir selbst unbewegt bleiben. Solche Erfahrungen sind nicht ungewöhnlich.


      All das ist noch nicht die Weisheit, die als “die wahre Natur sehen” beschrieben wird. Aber es verweist darauf, und es ist ein Hinweis auf unser Potential. Zudem ist es eine wichtige Voraussetzung für andere Praxismethoden, die wir ohne diese Vorübung nicht korrekt umsetzen könnten. So wird dem Zenschüler im Rinzai klassischerweise das Atemzählen als Vorübung gegeben (zusammen mit Chanting und anderen Alltagsübungen, die die gleichen Qualitäten kultivieren). Sobald sich [auf dieser Basis] eine grundlegende Stabilität und intensive Konzentration manifestiert, erhält [der Schüler] ein Wato/Koan.


      2. Zweitens ist da das subtilere Samadhi, das vollständige „Einswerden“ und letztliche Loslassen der Klippe um den Großen Tod zu sterben. Wenn man z.B. an dem Wato „Wer bin ich?“ arbeitet, wird unser tiefgehendes Fragen, in das wir uns mit unserem gesamten Körper und Geist hineinwerfen, ohne etwas zurück zu halten – wieder und wieder, ohne Unterlass – uns in ein Einssein stürzen, in dem Selbst, Anderes, Koan und Welt nahtlos miteinander verschmelzen und nichts mehr da ist, an dem festgehalten werden kann. Möglicherweise haben wir in diesem Moment das Gefühl, wir wären das Universum, oder Eins mit Allem.


      An diesem Punkt erfahren wir, wenn wir nicht nachlassen, dass das Universum zu einer großen Weiße, einer vollkommenen Stille wird. Es scheint, als würde sogar der Atem aufhören. Wir sehen andere Menschen, aber wir können sie weder berühren noch mit ihnen sprechen. Wir sehen den Boden, aber wir sehen keinen Platz, um den Fuß darauf zu setzen. Dies ist es, was Hakuin meint, wenn er davon spricht, wie in einer dicken Eisschicht eingefroren zu sein, [eine Eisschicht,] die sich tausende von Meilen in alle Richtungen ausdehnt. Schließlich erlischt sogar die Sinnestätigkeit. Der letzte Rest von „Ich“ zerfällt, und das Universum selbst löst sich auf. Das ist Dogens „Körper-Geist abgefallen“. Das ist der Ort, den Hakuin bezeichnenderweise als „so schwarz wie Lack“ beschreibt.


      Dann kommt ein Augenblick, in dem dieses Samadhi plötzlich zerbricht, und wir kehren ins Leben zurück. Aber das ist ein neues Leben. Wir können nun mit einer neuen Freiheit leben, und wir wissen, dass wir die Essenz aller buddhistischen Lehren verwirklicht haben. Wie Mumon sagt: unsere Augenbrauen und die der Patriarchen sind [nun] miteinander verwoben. Wie Shido Bunan sagte:

      Stirb, während du lebst, sei absolut tot, und dann tu, was du willst. Alles ist gut.


      Was ich hier beschrieben habe, ist eine Art von kensho. Es ist allerdings nur die Eintrittspforte zum Zen, keineswegs seine Frucht oder gar seine Vollendung. Aber es ist der Punkt, an dem die Zenpraxis zum wahren Zen wird, und es enthüllt den grundlegenden Weg des Zen. Shido Bunan wieder:


      Im Zen setzt du die Erleuchtung an die erste Stelle, und übst dann, wie die Erleuchtung es dir aufgibt. Dann werden deine Tage und Nächte friedlich sein. Daran gibt es keinen Zweifel. Der direkteste Weg zur Erleuchtung scheint das Erschöpfen der Anhaftungen zu sein. In Wirklichkeit ist das jedoch ein sehr schwieriger Weg. Eine einfache und direkte Sache ist es hingegen, das Karma zu erschöpfen, indem man die Erleuchtung an die erste Stelle stellt.


      3. Schließlich, wenn wir [einmal] unsere wahre Natur gesehen haben, setzen wir unsere Praxis mit größerer Entschlossenheit fort… von diesem Moment an wird unsere Praxis vollkommen darauf basieren. D.h. unser Samadhi „Eins-zu-werden“ wird sich auf alle Dinge und alle Aktivitäten erstrecken, und wird belebt von der dauerhaften Präsenz der Erkenntnis unserer wahren Natur. Eine andere Art, dies auszudrücken, ist, dass wir allem in einem Samadhi begegnen, das wunderbarerweise stets die wahre Natur unseres Geistes als objektlosen Objekt hat.


      Folglich, sagt Torei, dass in diesem Stadium unserer Praxis wir alles erleuchten, “durch alles hindurch leuchten”, jedes Ding und jede Situation, der wir begegnen, und dass alle Dinge als unsere wahre Natur erfahren werden. Einer meiner Lehrer beschrieb dieses Stadium als „vollständig schmecken“ und spielerisch mit unserem ganzen Körper in jede Aktivität eintauchen. Dies ist die Einheit von Samadhi und Prajna (Weisheit), die das wahre Zen-jo ist, „Zen-Samadhi“, und das den eigentlichen Pfad der Praxis nach dem Erwachen darstellt. Shido Bunan sagt dazu:


      Jemand fragte mich: “Was ist der Weg des Letztendlichen Fahrzeugs?” Ich sagte: „Im Letztendlichen Fahrzeug tust du, was du willst, und es gibt nichts zu beachten. Es ist wunderbar, und es ist selten in dieser Welt.“


      Aufgrund meiner persönlichen Begrenzungen habe ich all das in typischer Rinzai-Sprache beschrieben. In anderen Traditionen gibt es andere Methoden und eine andere Terminologie. Aber die essenzielle Bedeutung ist die gleiche. Mit anderen Worten, die Frucht aller Zen-Wege ist eben dieses Zen-Samadhi.


      Wenn man die Begriffe samatha/vipashyana benutzen will, ist es ganz offensichtlich so, dass die Zenpraxis beide Aspekte einschließt. Mit anderen Worten, „unsere wahre Natur sehen“ ist vipashyana in Vollkommenheit, und die nahtlose Fortsetzung dieses Sehens in jeder Aktivität zum Wohle aller Wesen ist samatha in Vollkommenheit.


      [Bezogen auf ein Bild von einem Altar, auf dem links Manjusri, rechts Samanthbhadra und in der Mitte Buddha Shakyamuni zu sehen sind:] Die erste dieser beiden Vollkommenheiten wird von Monju (Manjusri) verkörpert, und die zweite von Fugen (Samantabhadra). Shakyamuni steht im Zentrum und vereint diese beiden in sich, und so auch die vollständige Verwirklichung dieser beiden [Aspekte] – die wahre Natur sehen und sie virtuos [im Handeln] manifestieren. Also, genau hier auf dem Zen Altar ist der komplette Pfad zu sehen (vergesst aber auch nicht die abschreckenden Wächterfiguren draußen am Tor!).


      Ich brauche es eigentlich nicht zu sagen, aber wenn wir das oberflächliche Samadhi noch nicht verstanden haben, brauchen wir uns über den Rest noch keine Gedanken zu machen. Und wenn wir unsere wahre Natur gesehen haben, nicht aber das Samadhi kultivieren, mit dessen Hilfe wir diese Erfahrung vertiefen und dazu bringen, alle Dinge „zu erleuchten“, dann fallen wir in den Einflussbereich unserer karmischen Gewohnheitsenergien zurück.


      Es ist nicht schwierig, Konzentration – Samadhi – zu entwickeln. Es ist auch nicht schwierig, Kensho zu erreichen. Das Zen-Samadhi, in dem Samadhi und Prajna zusammengehen, [dieses Samadhi] zum Leben zu erwecken – das ist ungewöhnlich schwierig.


      Bitte entschuldigt dieses lange Posting.


      ~ Meido